Mich nicht hektisch umdrehen und umsehen.
Ich atmete noch einmal tief ein und ging dann raus.
Der Wind der um die Ecke fegte, war eisig und sofort tränten mir die Augen, was mir die Sicht erschwerte. Ich knallte die Tür zu und ging durch den Schnee schnell zum Gartenzaun, wo auch der Fußweg anfing und das Licht der Straßenlaterne alles in kaltes Licht warf.
Beim Öffnen des Zaunes griff ich in den Schnee und bedauerte, meine Handschuhe nicht eingepackt zu haben. Aber unter keinen Umständen würde ich noch mal zurückgehen.
Lieber kalte Hände haben, als zurück durch die Dunkelheit.
Mein Atem ging immer noch flach, als ich mich beeilte, meine Lampe am Handy wieder auszuschalten, bevor die Finger zu eisig wurden.
Um diese Uhrzeit war noch nicht viel los auf den Straßen, deshalb ging ich schnell zur Bushaltestelle. So schnell es der knirschende Schnee unter meinen Schuhen es eben zuließ.
Einmal meinte ich hinter mir etwas zu hören, und schaute mich schnell um, was das Geräusch verursacht haben könnte. Mein Nachbar aus dem Haus gegenüber begrüßte mich mit einem Kopfnicken und blickte dann wieder zu seinen Hund, den er an einer Leine spazieren führte.
Als ich mich erleichtert umdrehte sah ich schon meinen Bus kommen und war froh, wenn auch nur für wenige Minuten aus der Kälte herauszukommen.
Im Bus angekommen holte ich meine Kopfhörer aus der Tasche und suchte in meinem Handy die Liste mit Ill Niño und schloss mit der Musik die Geräuschkulisse um mich herum aus.
Nach einmal Umsteigen hatte ich dann eine längere Zeit zu fahren und konnte ungestört meinen Gedanken nachhängen.
Diese Ängste gingen mir gewaltig auf die Nerven. Aber um mich herum war ständig etwas Merkwürdiges los.
Es hatte damit angefangen, dass an unserer Haustür von außen immer Spuren waren, als hätte jemand sein Gesicht an die Scheibe gedrückt, um besser in den Flur sehen zu können. Als ich Tom mal darauf angesprochen hatte, ob die Spuren von ihm stammten, hatte er nur dazu gesagt, dass er viel Mist machen würde, wenn er gekifft hatte, aber das wäre selbst für ihn zu schräg. Diese Abdrücke waren nicht nur einmal dort gewesen. Wann immer ich einen Abdruck sah, wischte ich ihn von der Scheibe. Eigens zu diesem Zweck standen bereits eine Rolle Küchenpapier und Glasreiniger neben der Tür.
Manchmal kam es mir schon so vor, als wäre unsere Haustür ein Schaufenster, an dem sich neugierige Passanten die Nase platt drückten. Nicht, dass es in unserem Flur viel zu sehen gab. Noch dazu war die Tür ja nicht mal direkt von der Straße aus zugänglich. Jemand musste also immer erst durch das Gartentor und den kleinen Weg hinauf, um in unsere Haustür zu schauen.
Anfänglich versuchte ich mich damit zu beruhigen, dass es nur verirrte Kunden von dem Laden unter unserer Wohnung waren, die nach einem Eingang suchten. Aber nachdem der Laden dort pleitegegangen war, und kein Nachmieter gefunden werden konnte, wollte das nicht mehr so recht passen.
Als nächstes hatte ich unsere Vermieter im Verdacht gehabt, aber das hätte ja bedeutet, dass sie sich für etwas anders als ihre eigenen Dinge interessierten. Sie hatten jedoch mehrfach bewiesen, dass ihnen alles andere völlig egal war.
Dann hatte vor einer Weile diese Sache auf dem Parkplatz gegenüber angefangen. Mit dem Raucher in den unterschiedlichen Autos. Wie viele unterschiedliche Menschen setzten sich wohl im Schutz der Dunkelheit in ihr Auto um eine zu rauchen? Noch dazu immer in Richtung unseres Hauses geparkt?
Die meisten Anwohner der Gegend parkten nämlich oft dicht am Haus, sprich am anderen Ende des Parkplatzes und nicht an der Straße.
Aber ich traute mich auch nicht, rüber zu gehen und nachzuschauen, wer da immer saß.
Einmal hatte ich Tom um Hilfe gebeten. Er hatte mich nur ausgelacht und gemeint, dass dort sicherlich irgendwelche krummen Geschäfte gemacht würden. Nur war ich mir sehr sicher, dass dafür dort mehr passieren musste, als dass jemand dort allein im Auto saß. Aber so wie ich das beobachtet hatte, war da niemand, der zu dem Raucher im Auto ging.
Also blieb mir nichts anderes übrig, als abends die Vorhänge zu schließen und zu versuchen, nicht ständig daran zu denken, dass dort draußen jemand saß. Um auf der Terrasse zu sitzen war es im Moment eh viel zu kalt. Ein winziger Trost.
Ich konnte nur hoffen, dass ich mir da nur irgendetwas einbildete und dass alles bald vorbei war.
Bei der Arbeit erwartete mich schon wieder ein riesiger Berg mit Papieren und Unterlagen. Ein ganz normaler Montag also.
In der Kaffeeküche war bereits viel los und es ging der neueste Klatsch der Firma um. Eine Kollegin hatte ein Baby bekommen und man munkelte, es sei mit einem anderen Kollegen aus der Firma gezeugt worden und nicht von deren Ehemann. Und ihr Mann wisse nichts von der Affäre. Die Leute hatten Probleme.
Ich beeilte mich, mir nur schnell einen Kaffee zu holen und nicht in die Lästerei mit hineingezogen zu werden. Hier hatte es schon richtigen Stress gegeben, weil jemand Lügen verbreitet hatte. Der betroffene Kollege hatte damals sogar gekündigt, obwohl er nicht mal eine neue Stelle in Aussicht gehabt hatte.
Ich war immer ein wenig froh darüber, dass ich mein eigenes Büro für mich alleine hatte, denn so bekamen die Kollegen nicht mit, was bei mir manchmal schief lief. Nicht die Arbeit direkt lief schief. Es waren Anrufe, die mich verwirrten. Ich wusste nicht, ob mich Kollegen auf den Arm nehmen wollten, oder wer sich sonst einen Spaß machen wollte.
Hin und wieder rief mich jemand mit einer unterdrückten Rufnummer an und sagte einfach nichts. Klar, so etwas passiert hin und wieder; jemand verwählt sich und will sich dann nicht melden, weil es ihm peinlich ist. Das kam vor. Aber bei mir klingelte an manchen Tagen das Telefon fünf bis sechs Mal, ohne dass sich dann jemand meldete. Und immer mit unterdrückter Rufnummer. Firmeninterne Anrufe wurden immer angezeigt. Selbst aus anderen Niederlassungen. Und die wichtigsten Kontakte waren im Telefon gespeichert und wurden sogar mit Namen angezeigt.
Da ich in der Buchhaltung saß, und keinen direkten Kundenkontakt hatte, hatten auch nicht viele unserer Kunden meine direkte Durchwahl, da diese sich dann immer mit den Sachbearbeitern auseinander setzen mussten, die deren Aufträge bearbeiteten.
So wurden die Anrufe mit unterdrückter Rufnummer zu einem weiteren Punkt der mich beunruhigte. Und wann immer ein Anruf mit unterdrückter Nummer kam, wurden mir wieder die Hände feucht und mein Herz schlug mir bis zum Hals.
Manchmal, wenn ich zu viel auf dem Tisch hatte und es mir nicht leisten konnte, die Fassung zu verlieren, ließ ich solche Anrufe auch mal unbeantwortet. Ging ich nicht ran, wurde der Anruf in die Zentrale geleitet und die Kollegin am Empfang nahm ihn an. Aber ein Dauerzustand durfte das nicht werden, das war mir klar.
An diesem Montag gab es jedoch keine dieser Anrufe, was mir sehr zu Pass kam, da ich wirklich viel zu tun hatte. So konnte ich mich voll auf meine Arbeit konzentrieren und ein paar Stunden meine Sorgen vergessen.
Einmal rief mich Chrissi an und fragte, ob es mir etwas ausmachen würde, wenn sie eine weitere Nacht bei mir übernachten würde. Sie wollte mir unbedingt noch die Haare schneiden und gerne für uns beide kochen, sodass ich das nicht nach Feierabend machen musste. Ich stimmte zu. Ansonsten hätte ich eh wieder nur was in der Firma gegessen und zuhause würde mich nur eines meiner vielen Bücher erwarten.
Mein Chef kam kurz in mein Büro und warnte mich vor, dass er mir für den nächsten Tag einen Praktikanten zugeteilt habe, damit ich ihm ein paar Dinge über meinen Job erzählte. Selbstverständlich durfte darunter die eigentliche Arbeit nicht leiden, aber das hatte ich auch nicht anderes erwartet. So war es in dieser Firma. Wenigstens wurde mein Job sehr gut bezahlt.
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