1 ...6 7 8 10 11 12 ...18 In diesem Moment der totalen Verzweiflung klingelte das Telefon. Eine ehemalige Arbeitskollegin, die jetzt in einem anderen Krankenhaus arbeitete, war am anderen Ende der Leitung und fragte mich etwas Dienstliches. Sogleich versuchte ich, meine düstere Stimmung zu überspielen, damit sie ja nicht merkte, dass es mir schlecht ging. Sie redete einige Zeit mit mir und als das Gespräch beendet war, dachte ich noch einmal darüber nach, was mir vor dem Telefonat plötzlich in den Sinn gekommen war. Ich erschrak über mein Vorhaben. Der Moment war nun vorüber, in dem ich mein Leben jäh beenden wollte. Obwohl ich mich immer noch in einer verzweifelten und sehr depressiven Stimmung befand, wurde mir bewusst, dass ich so nicht weiter machen konnte und mir dringend Hilfe suchen musste.
Am gleichen Abend fuhr ich noch in Tränen aufgelöst zu meinem Hausarzt, den ich schon seit langem gut kenne und zu dem ich auch Vertrauen habe, und schilderte ihm meinen Zustand. Weinend berichtete ich ihm von den immer höheren Anforderungen, die man beruflich an mich stellte und von dem unerträglichen Arbeitsklima, den Intrigen und dem Mobbing. Wie sehr mich das alles belastete, und dass ich immer häufiger daran dachte, all diesen Belastungen endgültig zu entfliehen, sprich meinem Leben ein Ende zu setzen. Alles was ich wollte, war nur noch Schlafen und Ruhe und nicht mehr mit all diesen Problemen und verletzenden Bosheiten konfrontiert zu werden.
Der Hausarzt riet mir mit Nachdruck zu psychologischer Unterstützung bei einem Therapeuten, aber ich bat ihn nur inständig um ein Antidepressivum. Ich wolle es zuerst mit Medikamenten versuchen. Der Arzt äußerte seine Befürchtung, das gewünschte Medikament könnte meinen Antrieb steigern, jedoch unter Umständen in eine falsche Richtung. So bestände die Gefahr, dass die stimmungsaufhellende Wirkung erst verspätet einsetzen würde, ich jedoch durch den gesteigerten Antrieb womöglich einen Suizid verüben könnte. So wäre es unverantwortlich, ja unter Umständen gefährlich für mich, mir diese Art von Medikament als alleinige Maßnahme zu verordnen.
Als ich versprach und immer wieder beteuerte, vernünftig zu sein und mir sicherlich nichts anzutun, verschrieb er mir das ersehnte Medikament. Mein einziger Wunsch war, endlich wieder psychisch stabiler und belastbarer zu werden und den täglichen Anforderungen meines Berufes standhalten zu können.
Mit großer Hoffnung nahm ich in den nächsten Tagen die Kapseln regelmäßig ein. Nach circa zwei Wochen verspürte ich plötzlich eine deutliche Besserung meiner seelischen Verfassung. Ich fühlte mich nicht mehr so müde und hatte eine wesentlich positivere Einstellung. Vieles, was mir vorher schwer gefallen war, ging jetzt wieder leichter von der Hand. Meine Leistungsfähigkeit stieg merklich an und auch die täglichen Streitereien und Unstimmigkeiten in der Arbeit machten mir immer weniger aus, ja, ich nahm sie nur noch entfernt wahr und sie prallten sozusagen an meiner, durch das Medikament neu errichteten, psychischen „Schutzhülle“ ab. Äußerungen oder Handlungen, die mich noch vor kurzem bis ins Tiefste verletzt hatten, erschienen mir nun durch das Medikament abgemildert, als schütze mich ein starker Wall vor der für mich so hartherzig und rücksichtslos erscheinenden Umgebung. Es faszinierte mich, dass ein paar kleine Kapseln eine so positive und erstaunliche Wirkung auf mich ausübten. Endlich kam meine Energie zurück. Ich verspürte morgens wieder mehr Antrieb und konnte in kurzer Zeit wesentlich mehr Arbeit bewältigen. Die Ängste wurden geringer und ich war psychisch nicht mehr so angreifbar und verletzlich. Auch kam ich nun mit relativ wenig Schlaf aus. Glücklicherweise hatte ich also die passende Therapie gefunden, um meine Arbeit wieder erfolgreich erledigen zu können. Diese Erkenntnis ließ mich erleichtert aufatmen und machte den üblichen Alltag wieder erträglicher für mich.
So nahm ich auch das bald folgende Ereignis zuerst relativ gelassen.
Schwester Sabine, die nicht über die gewünschte Fachausbildung in unserem medizinischen Bereich verfügte, bezichtigte eine Mitarbeiterin eines schweren Behandlungsfehlers. Da jedoch die angebliche Verfehlung nicht nachgewiesen werden konnte, schwärzte Sabine diese ihr schon seit Langem verhasste Kollegin bei der Geschäftsleitung an und machte Druck, dass die Mitarbeiterin wegen Inkompetenz gekündigt werden sollte. Sabine bearbeitete Klaus nun wochenlang, um ihm zu versichern, dass diese Kollegin, nämlich Schwester Andrea, nicht mehr tragbar sei und deshalb entlassen werden müsste. Als Klaus mich daraufhin um meine Meinung zu diesem Thema bat und ich sagte, dass ich, den Schilderungen nach, nicht von einem Behandlungsfehler überzeugt wäre, sondern von einer Intrige, verschlimmerte sich die Lage rapide.
Schwester Sabine hatte nun nichts anderes zu tun, als auch mich jetzt fortwährend beim Geschäftsführer grundlos anzuschwärzen. Sie rannte ständig in sein Büro und bezichtigte mich, ich wäre für meinen Job nicht mehr zu gebrauchen. Ich sei viel zu nachsichtig mit dem Personal und würde fachliche Fehler nicht erkennen, deshalb wäre mir auch der Behandlungsfehler bei besagter Schwester nicht aufgefallen. Zusätzlich erfand sie die haarsträubendsten Lügengeschichten, wie ich erst viel später erfuhr.
In der wöchentlichen Montagsbesprechung konfrontierte mich Klaus daraufhin mit Vorwürfen, die ich gar nicht verstehen konnte. Ich verteidigte mich ohne Unterlass und begriff nicht, warum er mich andauernd verbal so attackierte.
So ging es mehrere Wochen lang. Mittlerweile hatte sich Schwester Sabine mit Schwester Gabi eng befreundet und in ihr eine Verbündete gefunden. Nun marschierten beide Schwestern ständig zu Klaus, um mich und Schwester Andrea, weiterhin schlecht zu machen.
Von einer anderen Kollegin hatte ich im Vertrauen erfahren, dass Sabine und Gabi gegen mich intrigierten, um meine Position bald antreten zu können. Die eine wollte die Leitung der Pflege übernehmen und die andere Stellvertreterin werden.
Nun war ich endlich im Bilde, was da schon längere Zeit gespielt wurde. Jetzt verstand ich auch, warum ich von der Geschäftsführung dauernd so angegriffen worden war. Ich nahm mir vor, nichts darüber zu sagen, sondern die folgenden Ereignisse genau zu beobachten. Es war für mich klar, dass ich mich von den Beiden nicht aus meiner Position drängen lassen wollte.
Leider gab es auch in der Folge noch einige sehr niederträchtige Intrigen von Schwester Sabine und Schwester Gabi, die sie sich gemeinsam ausdachten und auch ausführten, und die gegen mich oder andere Mitarbeiter gerichtet waren. Es würde aber in diesem Buch zu weit führen und wäre zu kompliziert, diese ausführlich zu schildern.
Wie in zahlreichen Kliniken, wurde auch eines Tages bei uns beschlossen, Personal einzusparen. Die Geschäftsleitung war der Meinung, dass es in anderen Kliniken wesentlich weniger Pflegepersonal gab als bei uns und dort die anfallende Arbeit auch zu bewältigen war.
Natürlich war es mein Part, diesen für das Personal unangenehmen Beschluss der Geschäftsleitung den Kolleginnen und Kollegen bei der nächsten Teamsitzung mitzuteilen.
Das Pflegeteam war aufgebracht. Zuerst befürchteten einige der Mitarbeiter Kündigungen, aber die Situation wurde so gelöst, dass nach Erhöhung der Patientenanzahl die Anzahl der Mitarbeiter gleich blieb.
So kam es dazu, dass wir daraufhin mehr Patienten betreuen und gleichzeitig noch neue Aufgaben erfüllen mussten. In der Zukunft sollten noch mehr Studien und Statistiken durchgeführt werden. Die Folge waren vermehrte Blutabnahmen und sonstige Untersuchungen, die wir erledigen mussten, um die Wirkungen von verschiedenen Therapien schwarz auf weiß nachzuweisen. Aus rechtlichen Gründen war es natürlich auch unerlässlich, all diese Vorgänge genauestens im Computer zu dokumentieren.
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