Die seelische Wucht seiner Worte traf sie härter, als damals.
»Ich führe eine Ranch, ich ...« stammelte sie betroffen, ehe sie sich unterbrach.
Das war zu viel. Sie erkannte, was sie schon die ganze Zeit über gewusst, aber geflissentlich ignoriert hatte. John hatte sich keine Spur geändert.
Julian legte Irene eine Hand auf den Rücken.
»Komm, lass uns gehen. Ich denke, wir sind hier fertig«, meinte er ruhig, ohne Johns Worte zu beachten. Irene nickte nur, während sie eine verräterische Träne wegblinzelte.
»Aber ich bin noch nicht fertig!«, entfuhr es John gereizt.
Kopfschüttelnd ergriff Julian Irenes Arm und zog sie an seine Seite.
»Doch, das bist du. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag, John.« Er wandte ihm demonstrativ den Rücken zu. Das hier war einfach zu lächerlich.
»Ach ja? Du kannst es wohl auch kaum abwarten, ihr Bett zu wärmen«, stichelte John bösartig weiter. »Oder vielleicht hattest du dieses Vergnügen schon?«
Wie angewurzelt blieb Irene stehen. Das hatte er doch nicht tatsächlich gesagt? Julian schüttelte nur den Kopf, allerdings ohne sich umzudrehen.
»Komm, gehen wir.«
Irene nickte verkrampft. Sie zwang sich dazu, einen Fuß vor dem anderen zu setzen. Das hier konnte nicht wahr sein. So viel Pech konnte sie doch nicht haben.
John sprang so heftig vom Sessel auf, dass die Lehne gegen die Wand knallte.
»Klar, wer würde dazu auch nein sagen. Leichtes Spiel, leichtes Mädchen«, höhnte er weiter.
Julian warf Irene von der Seite her einen erstaunten Blick zu.
»Ernsthaft? Dieser Typ hat dir schlaflose Nächte bereitet?« Er lächelte ungläubig.
Dann ging alles blitzschnell. Während Irene noch nach einer Antwort suchte, drehte Julian sich unvermittelt um und knallte John seine Faust ins Gesicht.
Erschrocken fuhr Irene herum und starrte sprachlos auf ihren Ex, der soeben zu Boden ging.
Eine Kellnerin schrie leise auf. Zwei der Gäste flüsterten verhalten miteinander, während sie den am Boden liegenden Mann anstarrten. Keiner machte Anstalten, einzugreifen oder John zu helfen.
Während das Blut aus seiner Nase und von der Lippe tropfte, gaffte er Irene und Julian verdattert an.
Vor Überraschung stand Irenes Mund offen. Se war nicht dazu imstande, sich zu rühren, geschweige denn etwas zu sagen, so verblüfft war sie über diesen unverhofften Anblick.
Ein Anblick, den sie wohl niemals wieder vergessen würde.
Als Julian sie am Arm ergriff, ließ sie sich widerstandslos wegführen. Tief seufzend geleitete er sie zum Ausgang.
»Und dabei wollte ich mich doch heute gar nicht um ein Mädchen prügeln.«
Erst als sie auf der Main Street standen, fand Irene ihre Worte wieder.
»Du – du hast ihm eine geknallt«, stotterte sie. Noch immer konnte sie es nicht fassen.
»Jep. Komm, lass uns irgendwo hingehen, wo es warm ist«, meinte er, einen bedauernden Blick zum Hotel zurückwerfend.
»Dort können wir wohl eher nicht mehr hin«, meinte er trocken, »Aber das Essen war spitzenmäßig.«
Irene starrte ihn fassungslos an. Wie konnte er bloß so ruhig sein?
»Lust auf einen Burger?« Abwartend musterte er sie.
Verwirrt sah sie ihn an.
»Einen – Burger?«
»Ja, im Hotel gab es sowas nicht, und ich hab noch Hunger«, behauptete er.
»Schlägereien machen scheinbar hungrig«, meinte Irene entgeistert. Wie konnte er nach dieser Aktion nur an Essen denken?
»Nun, das hier war nicht gerade eine Schlägerei. Komm, wir gehen zu Papa Joe.« Er machte eine Kopfbewegung zur Main Street hin.
Irene war zu perplex und auch viel zu erledigt um Julian darauf hinzuweisen, dass das was er getan hatte, absolut falsch gewesen war. Und wenn sie ehrlich war, musste sie zugeben, dass John das verdient hatte.
»Oh, ja – in, in die Fullerstreet.« Sie nickte abwesend.
»Ja, okay, ich wusste gar nicht, dass es schon wieder offen hat.« Stirnrunzelnd begriff Irene, dass sie sich schon lange nicht mehr mit ganzem Herzen in der Stadt aufgehalten hatte, dabei war sie früher oft hier gewesen.
Das Papa Joe hatte es schon gegeben, als ihr Onkel noch gelebt hatte. Außerdem mochte sie den Besitzer Joseph ‚Digger‘ O’Malley, oder auch einfach nur Digger Joe genannt, und seine mollige Frau Martha mit ihrem liebenswerten, wenn auch temperamentvollen Wesen.
Julian nickte.
»Doch, außen neu renoviert. Ist seit dem Sommer wieder geöffnet.«
»Okay.« Sie hatte nicht gewusst, dass Julian das Lokal überhaupt kannte, doch eigentlich hätte ihr das klar sein müssen. Immerhin war er in den letzten Wochen oft in der Stadt gewesen. Matt und er hatten sich zusammengerauft, um die Einteilung der Arbeiten effizient zu erledigen. Dadurch, dass Matt auf der Farm ein Routinier war, hatte Julian oftmals die Bestellungen abgeholt und die kleineren Ernteerträge der Ranch, wie Mais, Karotten und Obst im örtlichen Lagerverkaufshaus abgeliefert. Er war inzwischen auch zum Profi mutiert, wenn es um Fleisch und andere Dinge ging, die sie regelmäßig alle zwei bis drei Wochen in Cedars abholen mussten. Generell war er in letzter Zeit viel unterwegs gewesen, da war es kein Wunder, dass er bereits hier Fuß gefasst hatte.
Während sie durch den bereits tiefen Schnee stapften, herrschte einvernehmliches Schweigen. Die kalte Luft brannte wohltuend auf Irenes Wangen und half ihr dabei, ihre Gedanken zu klären. Langsam war es an der Zeit zuzugeben, dass Julian bereits genauso zu ihr gehörte, wie Matt und die Aushilfsjungs von der Ranch.
Erneut fiel ihr Johns blutige Nase ein. Diesmal fand sie es ganz okay und sämtliche Gewissensbisse hatten sich verflüchtigt.
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