Manfred Braasch - Mohn und Schatten

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Die Wählergunst bei den Europawahlen hat gerade die Rechtspopulisten in vielen Ländern nach oben gespült. Vor dieser gesellschaftspolitischen Kulisse kehrt Katharina Jensen nach Hamburg zurück. Sie arbeitet nach den dramatischen Ereignissen vor zwei Jahren endlich wieder als Journalistin und lernt den Fotografen Nik Brahms kennen. Wenige Tage später begeht ein gemeinsamer Freund Selbstmord in der Nähe von Hamburg. Zusammen mit der Schwester des Toten machen sie sich auf, die Hintergründe dieses anfangs so eindeutigen Freitods zu klären. Und entdecken im Grenz-land zwischen Dänemark und Deutschland mehr als ihnen lieb ist.

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Mohn und Schatten

Manfred Braasch

Roman

Impressum

Copyright: © 2016 Manfred Braasch

Verlag: epubli GmbH, Berlin

Handlung und Figuren in diesem Roman sind frei erfunden. Ähnlichkeiten zu lebenden Personen und Organisationen reiner Zufall. Insbesondere die Person Carl Aage Jacobson ist Fiktion.

Lediglich der an verschiedenen Stellen skizzierte gesellschaftspolitische Rahmen und die historischen Fakten sind nach besten Wissen und Gewissen für dieses Buch zusammen getragen worden.

Inhaltsverzeichnis

Prolog 2

Kinobesuch mit Folgen 4

Auf offener Strecke 7

Wieder an den Tasten 9

Die Liste der Schande 13

Schlaglicht eins 16

Eine Pressekonferenz und zwei Cappucini 16

Arbeitsessen mit Störung 20

Dose der Erinnerung 24

Schlaglicht zwei 28

Ein angeschlagener Chef und drei Probleme 29

Ein Treffen und eine zittrige Spur 33

Der erste Kontakt 38

Kehrtwende Süderlügum 41

Kinderspiele 46

Schlaglicht drei 50

Fundstücke 51

Foto mit Folgen 53

Irritation am Empfangstresen 55

Fotos aus Amerika 58

Besuch bei der Queen 60

Taxi ohne Fahrer 63

Ein Zufall beim Antiquitätenhändler 66

Zeit zu Handeln 70

Epilog 73

Prolog

Am 12. Mai 2008 trafen sich im Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg zwei Männer. Das gediegene Hotel am Neuen Jungfernstieg verfügte über die notwendige diskrete Atmosphäre, um wichtige geschäftliche Dinge zu besprechen, die nicht für jedes Ohr bestimmt waren. Außerdem bot das Restaurant des Hauses mit seinen zwei Michelin-Sternen und immerhin 19 Gault Millau Punkten einige kulinarische Überraschungen.

Beide Männer waren in dunklen maßgeschneiderten Anzügen mit dezenter Krawatte unterwegs. Die Chronometer blitzten am rechten Handgelenk, der eine trug TAG Heuer, der andere Union Glashütte. Und auch sonst erkannte das geschulte Personal des Vier-Jahreszeiten, dass diese Herren durchaus gut bei Kasse waren. Sie waren zweifelsohne ausreichend dressy gekleidet, wie es auf der homepage des Hotels unter den Stichwort Dresscode hieß.

Sie begrüßten sich mit dem bei vielen Managern üblichen kräftigen Händedruck, nicht überschwänglich, aber durchaus zugewandt. Sie hatten sich bereits bei anderen Gelegenheiten in Berlin und Zürich getroffen und dabei schätzen gelernt. Jeder hatte bereits seine Suite bezogen, nun saß man entspannt im Restaurant, das an diesem Abend nur halb besetzt war. Nach dem Austausch über das Wetter und die Anreise – der eine kam aus dem Norden, der andere mit dem Firmenjet aus Essen - und der Bestellung eines exklusiven Drei-Gänge-Menüs näherte sich das Gespräch dem konkreten Anlass.

»Carl, wie Du sicher gelesen hast, steht unser Konzern vor wichtigen Auseinandersetzungen mit der Stadt Hamburg. Unsere Taktik ist bislang aufgegangen und Deine damalige Beratung hat sich ausgezahlt. Der Hamburger Senat steht aktuell erheblich unter Druck. Die Kostenschätzungen, die zu einer breiten Befürwortung des Baus der Elbphilharmonie geführt haben, lassen sich nicht mehr halten. Nächstes Jahr sind Wahlen in Hamburg und das macht einige Leute im Rathaus nervös.«

Der Mann, der mit Carl angesprochen wurde, nickte nachdenklich und nippte an seinem Apèretif. Ein gut gekühlter Prosecco aus dem Veneto, unterlegt mit frisch gepresstem Granatapfel. Akzeptabel , schmunzelte Carl still, genoss den leicht moussierenden Abgang, bevor er auf das eben Gesagte einging.

»Martin, wir haben es mit einer klassischen Entwicklung politisch gewollter Prestigebauten zu tun. Es ist fast schon langweilig, dass es immer wieder funktioniert. Am Anfang wird eine solide Kostenschätzung unter Abwägung aller erdenklichen Risiken in die öffentliche Debatte gegeben, garniert mit etwas Lyrik über ein neues Wahrzeichen für die Stadt. Ganz wichtig dabei: der Wettbewerb der Metropolen, den man nicht verlieren dürfe. Das übliche Blabla eben. Und schon gibt es eine breite Zustimmung für das Projekt. Die Handelskammer steht Gewehr bei Fuß und sorgt für Unterstützung in der Wirtschaft. Der Bürgermeister spricht ein paar bornierte Millionäre, die der Stadt viel zu verdanken haben, an und bittet um Spenden zum Wohle der Hansestadt. Es kommt ein für jeden Normalbürger beachtliches Sümmchen zusammen, das Abendblatt berichtet wohlwollend. Genügend weiße Salbe, um die ohnehin wenigen kritischen Stimmen mundtot zu machen.«

»Und wir haben die Stadt am Haken, aus der Nummer kommt kein Senat mehr raus.«

In diesem Augenblick wurde der Auftakt gereicht. Rindertatar mit Kräutercrème für Carl, geeiste Senfperlen mit Gurken-Chorizo-Vinaigrette für Martin. Die Herren unterbrachen kurz das Gespräch, bis der ausgesprochen höfliche Kellner seinen Spruch aufgesagt und den Herren guten Appetit gewünscht hatte.

Carl schaute prüfend auf seinen Teller und nahm den Faden wieder auf.

»Mein Team wird einen Fahrplan für alle Szenarien entwickeln. Damit können Deine Hausjuristen, wenn sie nicht ganz dumm sind und davon muss ich doch wohl ausgehen«- Carl schaute Martin direkt in die Augen - »alle möglichen Angriffe der Stadt kontern. Wir sorgen dafür, dass der Geldhahn nicht versiegt.«

Martin nickte zufrieden mit dem Kopf. Er wusste um die Qualität der Zuarbeit, die Carl ihm gerade zugesichert hatte. Damit war das wesentliche Ziel dieses Abends erreicht, jetzt begann der entspannte Teil. Alsbald war der Aperitif ausgetrunken und Carl ließ den Sommelier kommen. Als Hauptgang hatten beide Herren Ochsenschwanz mit geräuchertem Kartoffelstock und Périgord-Trüffel gewählt. Der erstaunlich junge aber kenntnisreiche Weinkellner empfahl dazu einen Valpolicella vom italienischen Weingut Quinatrelli. Die Flasche lag bei stolzen 650 Euro und Carl freute sich ein wenig, dass sein Gegenüber bei dem Preis einwenig mit dem linken Auge zuckte. Wenn schon denn schon , dachte sich Carl, er hatte bislang in Hamburg immer gut verdient. Der Abend versprach nett zu werden, Martin und er kamen mit Hilfe des guten Essens und des schweren Rotweins richtig gut in Fahrt und erzählten sich einige Anekdoten aus ihrem wirtschaftlichen Treiben der letzten Jahre.

Carl bestellte noch eine Flasche des wirklich ausgezeichneten Valpolicella und – wie erwartet – wollte Martin diese unbedingt übernehmen. Carl liebte diese Spielchen unter Reichen, Neureichen oder denen, die sich für eins von beiden hielten. Herrlich.

Sie streiften beim letzten Gläschen noch kurz die amerikanische Immobilienblase und beide waren sich schnell einig, dass das böse enden könnte. Gegen ein paar riskante Spekulationen, Warentermingeschäfte mit Nahrungsmittel oder – sehr interessant – diesen neuen Hochgeschwindigkeitshandel hatte niemand etwas. Aber nun hätten die Amis mal wieder übertrieben, den Bogen überspannt. Und die amerikanische Notenbank FED heizte das ganze noch an. Irgendwann würde es einfach zu viele Subprime-Kredite geben. Und was dann geschehen würde, wollten die beiden Herren dann doch nicht zu Ende diskutieren.

Viel lieber widmete man sich mit aller noch verfügbaren Aufmerksamkeit dem Glas Cognac, das in breiter Herrlichkeit vor ihnen stand. Schade, dass die dicken Zigarren in diesem Restaurant nicht mehr möglich waren , dachte Carl noch kurz und nahm einen Schluck aus dem Schwenker. Wunderbar. Auch Martin genoss sichtlich dieses Getränk, das von einem gewissen Château de Plassac aus der Nähe von Bordeaux stammte. Soviel hatte Carl noch verstanden, als der Kellner mit den beiden Gläsern an den Tisch gekommen war.

Es wurde Zeit für die Nachtruhe. Zumindest für Martin, der beim Aufstehen schon einwenig schwankte. Die beiden wünschten sich eine gute Nacht und hätten sich fast umarmt. Man sehe sich vielleicht noch beim Frühstück. Sie gaben sich die Hand und attestierten sich grinsend, dass alles Wichtige besprochen sei.

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