"Unsere Sicherheitsorgane verstehen ihr Handwerk, Sir", versicherte Carrow. "Aber sie verfügen nicht über die Fähigkeit der Zauberei. Sämtliche Spuren wurde sorgfältig verfolgt. Vor allem natürlich Datenspuren, die die Mitglieder dieses Rings in den Kommunikationssystemen hinterlassen hatten."
"Und?"
Carrow zuckte die Achseln. "Ich nehme an, daß diese Leute einfach sehr geschickt waren. "
"Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, daß sich so etwas wie dieses versuchte Attentat auf General McCloud wiederholt?" erkundigte sich der Präsident.
Carrow machte ein unbestimmtes Gesicht. Er hat Angst, der nächste zu sein, der auf der Liste des PAZIV-Geheimdienstes steht, überlegte Carrow. Eine sehr verständliche, naheliegende Angst, die Carrow gut nachvollziehen konnte. Die Arme des PAZIV-Geheimdienstes schien buchstäblich überall hin zu reichen. Jede noch so abgeschottete Institution schien vom Feind unterwandert. Überall lauerten Agenten im Verborgenen, die nur darauf warteten, im Interesse ihrer Auftraggeber loszuschlagen... Oder ist es etwas anderes, was ihn so verunsichert erscheinen läßt? ging es Darius Carrow durch den Kopf.
Carrow kannte den Präsidenten wie kaum ein zweiter. Und er gehörte zu den wenigen Menschen, die das Vertrauen des mächtigsten Mannes der Westunion besaßen. Carrow hatte schon zu Berringers Team gehört, als der jetzige Präsident noch ein mehr oder minder bedeutungsloser Provinzpolitiker gewesen war, der sich mit aller Kraft nach oben zu strampeln versuchte. Carrow war mit ihm 'nach oben' gespült worden. Bis ins Zentrum der Macht. Eigenartigerweise war ihm Berringer auf diesem langen gemeinsamen Weg immer fremder anstatt vertrauter geworden.
"Ich kann Ihnen Ihre Frage nicht beantworten, Sir", sagte Carrow schließlich. "Wir haben die Informationsbeschaffung im Raum der PAZIV seit langem völlig vernachlässigt. Das ist nicht Ihre Schuld, sondern vor allem Ihren Vorgängern zuzuschreiben..."
Berringer lehnte sich zurück, stützte den Kopf auf der Handfläche.
"Ich weiß", sagte er.
Die Westunion hatte stets auf ihre technologische Überlegenheit gesetzt. So hatten ihre Nachrichtendienste seit Jahren schon kaum noch Agenten 'vor Ort'. Man hatte sich vor allem auf Überwachung der elektronischen Datenströme und umfangreiche Abhörmaßnahmen verlassen, um über Entwicklungen im PAZIV-Machtblock informiert zu sein.
Ein Fehler, wie sich jetzt langsam herausstellte.
Die PAZIV war den klassischen Weg gegangen, hatte von langer Hand ihre Agenten im anderen Machtblock etabliert.
So etwas ließ sich natürlich nur über einen Zeitraum vieler Jahre aufbauen.
"Wir können diesen strukturellen Nachteil auf unserer Seite nicht im Handumdrehen ausgleichen, Sir", erläuterte Carrow.
"Leider muß ich Ihnen recht geben."
"Ich habe eine detaillierte Gefahrenanalyse in Auftrag gegeben", erklärte Carrow. "Sobald die vorliegt, können wir uns darüber unterhalten, welche Konsequenzen gezogen werden müssen. Bis dahin würde ich an Ihrer Stelle mit dem Schlimmsten rechnen."
Berringer hob den Kopf. Seine Züge veränderten sich. Tiefe Furchen bildeten sich auf seiner Stirn. In seinen Augen flackerte es unruhig. Er trank das Bourbon-Glas leer, schenkte sich sogleich nach.
"Mit dem Schlimmsten?" echote er.
Carrow nickte. "Maulwürfe und Saboteure selbst in den höchsten Rängen. Der PAZIV-Geheimdienst hatte wahrlich Zeit genug, um sein Spionagenetz aufzubauen. Und wie der Attentatsversuch auf General McCloud zeigt, können sie überall zuschlagen..."
"Für McCloud galt schließlich auch Sicherheitsstufe eins..."
"So ist es."
"Offenbar ist auf nichts mehr Verlaß."
"Sie müssen vorsichtiger sein denn je."
"Wem sagen Sie das!"
Berringers Finger tickten nervös auf der Sessellehne herum. Er schien ins Nichts zu blicken und über irgend etwas nachzudenken. Ein harter Gesichtsausdruck dominierte seine Züge.
Vielleicht bedauert er insgeheim, daß das Attentat gescheitert ist! überlegte Carrow. Abwegig war dieser Gedanke nicht. Berringer war ein eiskalt kalkulierender Machtmensch. Und wenn McCloud aus dem Weg gewesen wäre, hätte das im Moment für Berringer einiges an Problemen gelöst.
Insbesondere, was die John Darran-Expedition anging. Der General hatte immer seine Hand über Darran gehalten. Wenn es nach Berringer gegangen wäre, hätte man Darran niemals die Leitung dieser Mission anvertraut, sondern jemandem, der in den Augen des Präsidenten zuverlässiger war.
Berechenbarer.
Jemand, der keine Extra-Touren machte, der Befehle bindungslos ausführte, ohne nach dem Grund zu fragen oder sich irgendeinen eigenständigen Gedanken zu der Angelegenheit zu machen. Aber McCloud hatte anders entschieden. Ein Fehler, wie in Berringers Beurteilung längst feststand. Ein Fehler, dessen ungeheure Tragweite noch gar nicht absehbar war.
"Da Sie gerade den Namen McCloud erwähnten", begann der Präsident.
Carrow erriet Berringers Gedanken.
"Sie denken an Darran."
"Hat er sich inzwischen gemeldet?"
"Nein, hat er nicht. Die Star Ships warten im Orbit und warten auf Ihre Befehle."
"Ein unhaltbarer Zustand."
"Dann ändern Sie ihn!"
Berringer atmete tief durch. "Was glauben Sie, was auf dem Mars geschehen ist?"
"Jede Äußerung dazu wäre reine Spekulation, Sir!" versuchte Carrow sich aus der Bredouille zu ziehen.
Berringer lächelte matt. "Dann spekulieren Sie mal!" forderte er seinen Sicherheitsberater auf. "Na, los! Was schwirren in Ihrem von Intelligenz nur so berstenden Schädel für Gedanken herum?"
Carrow quittierte diese Bemerkung mit Gleichmut.
"Niemand weiß, was auf dem Mars geschehen ist, Sir. Möglich, daß die Außerirdischen - oder auf wen immer Darran und seine Leute in dem fremden Raumschiff getroffen sind - unsere Crew niedergemacht haben. Für diese Version spricht auch, dass im Anschluß daran ein weiteres Schiff der Außerirdischen ein paar Flüge im Bereich zwischen Erde und Mars durchgeführt hat..."
Berringer nickte leicht. Das fremde Schiff war unter anderem auch auf die Star Force Flotte getroffen, die Darrans Crew hinterhergesandt worden war.
"Ja, was Sie sagen hat was für sich", murmelte er etwas abwesend, blickte dabei gedankenverloren auf das Etikett seiner Bourbon-Flasche.
Er hörte Carrows Worten zu, der fortfuhr: "Bei diesem - deutlich kleineren! - Raumschiff handelt es sich vermutlich um ein Beiboot der auf dem Mars havarierten Einheit. Jedenfalls ergeben das alle Untersuchungen, die diesbezüglich angestellt wurden."
"Das bedeutet, daß es Überlebende auf dem havarierten Raumer gab!" stellte Berringer fest.
"Richtig. Und ob die unsere Leute mit offenen Armen empfangen haben, möchte ich doch stark bezweifeln."
"Es gäbe auch noch eine andere Erklärung", sagte Berringer gedehnt. Er machte eine ruckartige Bewegung mit dem Kopf und sah seinem Sicherheitsberater direkt in die Augen.
"Und die wäre?" fragte Carrow.
"Hielten Sie es für abwegig, daß John Darran und seine Leute es vielleicht geschafft haben, eines der Beiboote des havarierten Raumers flugtauglich zu machen und es zu benutzen?"
Ach, darauf läuft es hinaus! dachte Carrow. Er mißtraut Darran! Von Anfang an war das der Fall. Ich frage mich, wieso er nicht verhindern konnte, daß ein Mann die Leitung der Mars-Expedition übernimmt, dem der Präsident offensichtlich ALLES zutraut...
Carrow hob die Augenbrauen.
"Wenn es Darran und seine Leute waren, die in dem fremden Raumer saßen - warum haben Sie dann keine Signale gegeben?"
"Ebenfalls eine interessante Frage, Carrow."
"Sie denken an Meuterei?"
"Sieht es für Sie nach etwas anderem aus!"
Carrow mochte es nicht, wenn man eine Frage mit einer Gegenfrage beantwortete. Er mochte es auch nicht, wenn jemand dadurch versuchte, ihn zu manipulieren. Berringer schien darin ein Meister zu sein. Erprobt in hunderten von Fernsehauftritten, die er als Politiker zu absolvieren gehabt hatte. Wie viele Male hatte Carrow das schon erlebt! Zu oft, um es nicht sofort zu bemerken. Bei Auftritten vor den Medien konnte es überlebenswichtig sein, unangenehmen Fragen möglichst geschickt aus dem Weg zu gehen und den Gesprächspartner in die Richtung zu manipulieren, in die man das Gepräch sich entwickeln lassen wollte.
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