1 ...7 8 9 11 12 13 ...17 "Was meinst du damit?" fragte Lester.
Weißt du es wirklich nicht? echote es in seinem Bewußtsein. Es ist eigentlich doch nur eine rhetorische Frage, nichts weiter. Schließlich kannst auch du zwei und zwei zusammenzählen...
"Mach mir nichts vor, Case! Dir stinkt Darrans Kurs doch genauso wie mir! Ich hab' doch recht, was?"
Case Lester musste schlucken, so genau hatte sein Gegenüber mit seiner Bemerkung ins Schwarze getroffen. Vorsichtig! Sämtliche Alarmglocken in ihm waren jetzt aktiv geworden.
"Wir sollten uns auf einem separaten Kanal unterhalten", schlug er dann im Tonfall kühler Sachlichkeit vor.
"Okay."
"Dann los!"
"Einen Moment noch..."
Case Lester griff an den Helm, betätigte einen Schalter. Sjöberg vollführte dieselbe Bewegung mit einer Verzögerung von etwa einer Sekunde.
"Jetzt können wir sprechen, ohne dass man uns abhören kann", stellte Sjöberg fest.
"Das war ganz schön leichtsinnig von dir...", monierte Lester.
"Nun mal den Teufel nicht an die Wand!" erwiderte Sjöberg. Seine Atmung ließ den Helmfunk etwas übersteuern.
"Ist doch wahr!" rechtfertigte sich Lester.
"Ich wusste gar nicht, daß du so schwavche Nerven hast, Case!"
"Darüber kann ich nicht lachen."
"Case, wir haben einen Eid auf die Westunion geschworen."
"Ja, ich weiß."
"Wir alle! Auch Commander Darran!"
"Aber den scheint das im Moment nicht mehr sonderlich zu kümmern!"
"Und was ist mit dir, Case? Glaubst du noch an die Dinge, die dir mal wichtig waren oder hast du deine Meinung auch einfach so über Bord geworfen, weil ein gewisser Commander John Darran es dir gesagt hat?"
Case Lester schwieg einen Augenblick. Ja, was war mit ihm? Wie sollte er sich zu dieser Sache stellen? Das war die Frage der Fragen, die hinter allem stand. Aber bislang hatte er sich noch nicht einmal getraut, das offen zu formulieren. Wie sollte er sich da entscheiden?
Sjöberg fuhr indessen fort: "Dir ist doch klar, worauf das ganze hinausläuft..."
"Du wirst es mir sicher gleich sagen."
"Klar."
"Ich bin ganz Ohr."
"Wir befinden uns in einer Gruppe meuternder Star Force-Leute, angeführt von einem Größenwahnsinnigen. So jedenfalls sehe ich das."
"Und warum hast du auf der Versammlung nichts davon gesagt?" fragte Lester. "Verdammt nochmal, kein Schwein hat auch nur einen kritischen Ton herausgebracht. Alle schienen mir von den Argumenten John Darrans vollkommen eingelullt zu sein!"
Lester atmete tief durch.
"Du hast auch nichts gesagt", erinnerte ihn Larian Sjöberg dann.
"Ja, ich weiß..."
"Vergiß das nicht! Und vermutlich gibt es noch andere, die geschwiegen haben. Entweder, weil ihnen erst nach und nach klar wurde, worauf sie sich eingelassen haben oder..."
Sjöberg stockte.
"Oder?" hakte Lester nach.
Sjöberg hob den Arm zu einer unbestimmten Geste. "John Darran hat einen nicht zu unterschätzenden Einfluß auf die Leute... Er hat die meisten so manipuliert, daß sie seinen Argumenten auf den Leim gegangen sind. Und wer wollte da schon als einziger aufstehen und den Spielverderber geben?" Sjöberg schüttelte den Kopf. "Außerdem ist er der Commander, alle vertrauten ihm..." Eine kurze Pause folgte, ehe Sjöberg dann fortfuhr. Sein Tonfall war gedämpft. Selbst über den Helmfunk kam diese Nuance deutlich herüber. "Darran hat von Anfang an alles geplant."
"Wie kommst du darauf?" fragte Lester.
"Er hat systematisch jeden Kontakt zum Oberkommando der Star Force unterbunden. Ich habe mit einem der Funker gesprochen. Darran ist ein eiskalter Rechner, der genau weiß, was er tut. Darauf kannst du Gift nehmen!"
"Wirklich?" meinte Lester zweifelnd. "Ich glaube, wenn dem wirklich so wäre, wäre mir insgesamt wohler."
"Wie meinst du das?"
"Wenn er wirklich so kühl rechnen würde: Wie kann er dann auf die Idee kommen, daß er zusammen mit einer Handvoll Renegaten mehr gegen einen eventuellen Angriff der Fremden ausrichten kann, als es der geballen Macht der Westunion möglich wäre!"
"Du vergißt die Machtmittel, die er nun in den Händen hält... Sehr bald wird er über zwei Raumschiffe verfügen, deren Möglichkeiten alles, buchstäblich alles, übersteigen, wozu die irdische Raumfahrt bisher in der Lage war!"
"Aber um wie vieles wirksamer wäre dieses Machtmittel in den Händen der Westunion!"
"Da gebe ich dir recht!"
"Ich weiß nicht, was Darran letztlich bezweckt... Will er die Herrschaft auf der Erde an sich reißen?"
"Gut möglich."
"Die Menschheit erpressen?"
"Ich traue ihm alles zu!"
"In einem hat er jedenfalls recht. Diese Außerirdischen werden früher oder später wieder hier auftauchen. Und ob wir es nun wollen oder nicht - die Menschheit ist jetzt nicht mehr allein im Universum. Da draußen gibt es Lebewesen, für die wir offenbar kaum mehr Bedeutung haben, als es irgendein unentdecktes Steinzeitvolk am Amazonas oder auf Papua-Neuguinea im letzten Jahrhundert für die moderne Zivilisation hatte."
Eine erneute Pause entstand.
Dann sagte Sjöberg: "Wir müssen etwas unternehmen, Case! Oder willst du alles so treiben lassen?"
"Nein..."
"Eines Tages wird man uns alle vor ein Gericht stellen und fragen, was wir getan haben, um den Amoklauf dieses Comanders zu unterbinden..."
"Möglich..."
"Glaub's mir, so wird's kommen!"
"Hast du einen Vorschlag?"
"Den habe ich. Und außerdem sind wir mit Sicherheit nicht die einzigen, die so denken..."
Eine Gestalt tauchte jetzt auf. Ein Mann in einem Druckanzug. Langsam und etwas unbeholfen bewegte er sich vorwärts. Die geringere Marsgravitation ließ irdische Raumfahrer immer wieder dazu neigen, sich zu kraftvoll zu bewegen. Das Resultat waren dann ungelenke, sprunghafte Bewegungsabläufe. Man konnte einem sofort ansehen, ob er zum ersten Mal hier auf dem roten Planeten war oder schon mehrere Fahrten hinter sich hatte.
Lester und Sjöberg wechselten einen kurzen Blick.
Bei dem Ankömmling handelte es sich um Sergeant Cole Indish.
Er machte Zeichen.
Sjöberg und Lester schalteten ihren Helmfunk wieder auf die allgemeine Frequenz.
"Was ist los mit euch?" dröhnte Indishs Stimme jetzt aus den Helmlautsprechern der beiden anderen. "Wieso benutzt ihr einen separaten Kanal? Habt ihr Geheimnisse?" Indish lachte. Er war im Inneren des zerstörten Beibootes gewesen und vermutlich war es ihm eigenartig vorgekommen, die beiden plötzlich nicht mehr reden zu hören.
"Alles klar, Cole!" meinte Lester.
Dem trauen wir besser nicht! überlegte er dabei. Wenn wir wirklich etwas erreichen wollen, dann muß der Kreis der beteiligten Personen so klein wie möglich bleiben.
*
Jay Sindraman, Vier-Sterne-General und Leiter der verschiedenen PAZIV-Geheimdienste, setzte die Datenbrille ab. Eigentlich hatte er damit Dossiers bearbeiten sollen, aber statt dessen hatten er sich einen Hollywood-Film aus der dekadenten Westunion angesehen. Die dortige Filmproduktion war jener im PAZIV-Bereich nach wie vor überlegen, auch wenn Hollywood inzwischen durch Bombay ('Bollywood') erhebliche Konkurrenz bekommen hatte.
Das allgegenwärtige World Wide Web machte es möglich, an jedem Punkt des Globus jeden Film downzuloaden.
Inzwischen war es selbst hier, in der geheimen viertausend Meter unter dem Meeresspiegel gelegenen Sicherheitszentrale der PAZIV möglich, Kontakt zum erdumspannenden Datennetz herzustellen. Und jemand vom Rang General Jay Sindramans ließ es sich nicht nehmen, davon ausgiebig Gebrauch zu machen. Mochte es sich dabei nun um Produkte der dekadenten Gegner auf der anderen Seite des Globus handeln oder nicht.
Jay Sindraman mußte schmunzeln.
So starr und undurchlässig die Grenzen auf politischer Ebene auch geworden waren, die Datenströme des World Wide Web waren einfach nicht zu kontrollieren. Natürlich hatte es in den vergangenen gut sechzig Jahren seit Installierung des Internet immer wieder Versuche gegeben, das Netz politisch zu bevormunden. Es hatte sich als unmöglich erwiesen. Länder, die versucht hatten, sich von der Netz-Gemeinde abzukoppeln, hatten das in der Vergangenheit stets teuer bezahlt. Mit Rückständigkeit und dem Abgeschnittensein von Handel und Know-how. Nichteinmal der große Krieg von 2031 hatte daran etwas geändert.
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