»Wieso? Quatsch dich rein aus. Was soll ich wissen?«
»Du weißt doch, Emil! Puttbreese!«
»Ach, du meinst ’ne Wohnung? Ich soll über ’ne Wohnung für die Dame nachdenken. Das muß einem doch gesagt werden.«
»Wie ist das mit Puttbreese? Ist das noch frei?«
»Puttbreese? Will der denn vermieten? Wo will er denn vermieten?«
»Wo er’s Möbellager gehabt hat. Du weißt doch.«
»Das erste, was ich höre! Na, wenn er die Löcher vermieten will, da wird die junge Frau nicht raufkommen über die Hühnerleiter. Bei ihrem Zustand.«
»Quatsch«, sagt die Frau. »Hören Sie, junge Frau, jetzt legen Sie sich erst mal ein paar Stunden hin, und dann, so gegen vier, kommen Sie zu mir runter, dann gehen wir zusammen zu Puttbreese.«
»Vielen, vielen Dank«, sagt Lämmchen.
»Wenn die junge Dame«, sagt der hemdsärmelige Emil, »da mietet, dann freß ich einen Besen. Einen Piassavabesen für einsfünfundachtzig freß ich.«
»Quatsch«, sagt die Seifenhändlerin.
Und dann geht Lämmchen und legt sich hin. Puttbreese, denkt sie. Puttbreese. Wie ich den Namen gehört habe, habe ich gewußt, das wird.
Und dann schläft sie ein, ganz zufrieden mit ihrer kleinen Ohnmacht.
Wohnung wie noch nie. Herr Puttbreese zieht, und Herr Jachmann hilft
Als Pinneberg an diesem Abend nach Hause kommt, wird er plötzlich von einer elektrischen Taschenlampe angeleuchtet, und eine Stimme ruft: »Halt! Hände hoch!«
»Was ist denn los?« fragt er mürrisch, denn er ist in diesen Tagen nicht sehr guter Stimmung. »Woher hast du denn die Taschenlampe?«
»Die brauchen wir«, ruft Lämmchen vergnügt. »In unserem neuen Palast funktioniert die Treppenbeleuchtung nicht.«
»Wir haben ’ne Wohnung?« fragt er atemlos. »O Lämmchen, haben wir wirklich ’ne Wohnung?«
»Wir haben eine«, jauchzt Lämmchen. »Wir haben ’ne richtige Wohnung!« Sie macht eine Pause. »Wenn du willst, heißt das, fest gemietet habe ich noch nicht.«
»O Gott«, sagt er bestürzt. »Und wenn sie nun unterdessen anders vermietet wird?«
»Wird nicht«, sagt sie beruhigend. »Ich habe sie für heute fest an der Hand. Wir gehen gleich nachher hin. Iß nur schnell.«
Während des Essens fragt er immerzu, aber sie erzählt nichts Rechtes: »Nein. Mußt du selbst sehen. O Gott, Junge, wenn du nur einverstanden bist …«
»Also gehen wir«, sagt er und erhebt sich kauend.
Sie gehen die Spenerstraße hinauf, fest ineinander eingehängt, dann nach Alt-Moabit hinein.
»’ne Wohnung«, murmelt er, »’ne richtiggehende Wohnung für uns ganz allein.«
»’ne ganz richtige Wohnung ist es ja nicht«, sagt Lämmchen bittend. »Krieg bloß keinen Schreck.«
»Du kannst einen aber auch foltern!«
Also da liegt ein Kino, und neben dem Kino gehen sie durch einen Torgang und kommen auf einen Hof. Es gibt zwei Arten von Höfen, dies ist die andere, mehr ein Fabrik- und Lagerhof. Eine funzlige Gaslaterne brennt und beleuchtet ein großes Tor, zweiflügelig, wie zu einer Garage. »Möbellager von Karl Puttbreese« steht daran.
Lämmchen deutet irgendwohin in den dunklen Hof. »Da ist unser Klo«, sagt sie.
»Wo?« fragt er. »Wo?«
»Da«, sagt sie und zeigt wieder. »Die kleine Tür dahinten.«
»Ich glaube immer, du verklappst mich.«
»Und hier ist unser Aufgang«, sagt Lämmchen und schließt die Garagentür mit dem Namen Puttbreese auf.
»Ach nee«, sagt Pinneberg.
Es ist ein großer Lagerschuppen, in den sie eintreten, vollgepfropft mit alten Möbeln. Das kümmerliche Licht der kleinen Taschenlampe verliert sich nach oben in einem grauen Sparrengewirr mit Spinnweben.
»Ich hoffe«, sagt Pinneberg atemholend, »dies ist nicht unser Wohnzimmer.«
»Dies ist Herrn Puttbreeses Lager. Herr Puttbreese ist Tischler und handelt nebenbei mit alten Möbeln«, erklärt Lämmchen. »Paß auf, ich zeige dir alles. Siehst du, da hinten, die schwarze Wand, sie reicht nicht bis zur Decke, da müssen wir oben rauf.«
»So«, sagt er.
»Das ist nämlich das Kino, du hast doch das Kino gesehen?«
»Habe ich«, sagt er, ganz Reserve.
»O Jungchen, zieh nicht so’n Gesicht. Du wirst schon sehen. – Also das ist das Kino, und nun steigen wir dem Kino auf das Dach.«
Sie gehen näher, die Taschenlampe beleuchtet eine schmale Holztreppe, steil wie eine Leiter, die auf die Wand hinaufführt. Nein, es ist wirklich wohl eher eine Leiter als eine Treppe.
»Da rauf?« sagt Pinneberg zweifelnd. »Du, in deinem Zustand?«
»Das will ich dir zeigen«, sagt sie. Und klettert schon. Man muß sich wirklich stramm festhalten. »So, nun sind wir gleich da.«
Die Decke ist ganz dicht über ihnen. Sie gehen in einer Art Tunnelwölbung, irgendwo unten im Dämmern zur linken Hand stehen Puttbreeses Möbel.
»Geh nur gerade hinter mir, sonst fällst du womöglich noch runter.«
Und nun macht Lämmchen eine Tür auf, eine richtige Tür hier oben, und dann macht sie Licht an, richtiges, elektrisches Licht, und dann sagt sie: »Hier sind wir.«
»Ja, hier sind wir«, sagt Pinneberg und sieht sich um. Und dann sagt er: »Ach so, dann freilich!«
»Siehst du«, sagt Lämmchen.
Es sind zwei Zimmer, oder eigentlich nur eines, denn die Tür zwischen beiden ist herausgenommen. Sehr niedrig sind sie. Mit dicken Balken an der geweißten Decke. Da, wo sie stehen, ist das Schlafzimmer, zwei Betten, ein Schrank, ein Stuhl und ein Waschtisch. Alles. Kein Fenster.
Aber drüben, da steht ein schöner runder Tisch und ein riesengroßes schwarzes Wachstuchsofa mit weißen Knöpfen und ein Sekretär und ein Nähtisch. Alles alte Mahagonimöbel, und ein Teppich liegt auch da. Es sieht herrlich gemütlich aus. Denn es hängen hübsche weiße Gardinen an den Fenstern, es sind drei Fenster, alle drei ganz klein, mit viergeteilten Scheiben.
»Und wo ist die Küche?« fragt er.
»Da«, sagt sie und schlägt auf den Eisenofen, der zwei Kochlöcher hat.
»Und die Wasserleitung?«
»Alles da, mein Junge.« Und es erweist sich, daß ein Hahn und ein Ausguß zwischen Sekretär und Ofen sind.
»Und was kostet das?« fragt er immer noch zweifelnd.
»Vierzig Mark«, sagt sie. »Das heißt, eigentlich nichts.«
»Wieso eigentlich nichts?«
»Nun paß mal auf«, sagt sie. »Hast du das kapiert mit der Leiter hier rauf, und daß die Zimmer hier oben so verrückt sitzen?«
»Nee«, sagt er. »Keine Ahnung. Der Baumeister ist wahrscheinlich meschugge gewesen. Solche soll’s viele geben.«
»Gar nicht meschugge«, sagt sie eifrig, »das hier ist mal eine richtige Wohnung gewesen mit Küche und Klo und Vorplatz und allem. Und hier herauf ist eine richtige Treppe gegangen.«
»Und wieso ist das alles weg?«
»Weil sie das Kino eingebaut haben. Bis zur Tür von unserem Schlafzimmer geht der Saal vom Kino. Alles andere ist weg für den Kinosaal. Diese zwei Zimmer sind übriggeblieben, und kein Mensch hat gewußt, was damit anfangen. Richtig vergessen sind sie worden, bis sie Puttbreese wieder entdeckt hat. Und er hat die Leiter raufgemacht von seinem Lager her, und weil er Geld braucht, will er nun vermieten.«
»Und warum kostet die Wohnung eigentlich gar nichts und dann doch vierzig Mark?«
»Weil er natürlich nicht vermieten darf, weil das die Baupolizei gar nicht erlauben würde, wegen Feuersgefahr und Hals- und Beinbruch.«
»Na ja, wie du hier in ein paar Monaten raufkommen willst …«
»Das laß man meine Sorge sein. Hauptsache, daß du die Wohnung willst …«
»Ach, die Wohnung ist ja soweit ganz gut …«
»O du Affe! Du Affe! Ganz gut … Allein sind wir hier. Kein Mensch sieht uns mehr in unseren Kram. Herrlich ist es.«
»Also, Mädchen«, sagt er. »Dann mieten wir. Du hast die Arbeit und den Umstand, ich bin froh, wenn du willst.«
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