Dich soll Andrer Unglück nicht freuen;
Ihren Vortheil laß dir gefallen.
Das rath ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,
Wohl dir, wenn du sie merkst.
Nicht aufschaun sollst du im Schlachtgetöse:
Ebern ähnlich wurden oft Erdenkinder;
So aber zwingt dich kein Zauber.
Willst du ein gutes Weib zu deinem Willen bereden
Und Freude bei ihr finden,
So verheiß ihr Holdes und halt es treulich:
Des Guten wird die Maid nicht müde.
Sei vorsichtig, doch seis nicht allzusehr,
Am meisten seis beim Meth
Und bei des Andern Weib; auch wahre dich
Zum dritten vor der Diebe List.
Mit Schimpf und Hohn verspotte nicht
Den Fremden noch den Fahrenden.
Selten weiß der zu Hause sitzt
Wie edel ist, der einkehrt.
Laster und Tugenden liegen den Menschen
In der Brust beieinander.
Kein Mensch ist so gut, daß nichts ihm mangle,
Noch so böse, daß er zu nichts nützt.
Haarlosen Redner verhöhne nicht:
Oft ist gut was der Greis spricht.
Aus welker Haut kommt oft weißer Rath;
Hängt ihm die Hülle gleich,
Schrinden ihn auch Schrammen,
Der unter Wichten wankt.
Das rath ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,
Wohl dir, wenn du sie merkst.
Den Wandrer fahr nicht an, noch weis ihm die Thür:
Gieb dem Gehrenden gern.
Stark wär der Riegel, der sich rücken sollte
Allen aufzuthun.
Gieb einen Scherf; dieß Geschlecht sonst wünscht
Dir alles Unheil an.
Dieß rath ich, Loddfafnir, vernimm die Lehre,
Wohl dir, wenn du sie merkst:
Wo Äl getrunken wird, ruf die Erdkraft an:
Erde trinkt und wird nicht trunken.
Feuer hebt Krankheit, Eiche Verhärtung,
Ähre Vergiftung,
Der Hausgeist häuslichen Hader.
Mond mindert Tobsucht,
Hundbiß heilt Hundshaar,
Rune Beredung;
Die Erde nehme Naß auf.
***
Ich weiß, daß ich hing am windigen Baum
Neun lange Nächte,
Vom Sper verwundet, dem Odhin geweiht,
Mir selber ich selbst,
Am Ast des Baums, dem man nicht ansehn kann
Aus welcher Wurzel er sproß.
Sie boten mir nicht Brot noch Meth;
Da neigt' ich mich nieder
Auf Runen sinnend, lernte sie seufzend:
Endlich fiel ich zur Erde.
Hauptlieder neun lernt ich von dem weisen Sohn
Bölthorns, des Vaters Bestlas,
Und trank einen Trunk des theuern Meths
Aus Odhrörir geschöpft.
Zu gedeihen begann ich und begann zu denken,
Wuchs und fühlte mich wohl.
Wort aus dem Wort verlieh mir das Wort,
Werk aus dem Werk verlieh mir das Werk.
Runen wirst du finden und Rathstäbe,
Sehr starke Stäbe,
Sehr mächtige Stäbe.
Erzredner ersann sie, Götter schufen sie,
Sie ritzte der hehrste der Herscher.
Odhin den Asen, den Alfen Dain,
Dwalin den Zwergen,
Alswidr aber den Riesen; einige schnitt ich selbst.
Weist du zu ritzen? weist du zu errathen?
Weist du zu finden? weist zu erforschen?
Weist du zu bitten? weist Opfer zu bieten?
Weist du wie man senden, weist wie man tilgen soll?
Beßer nicht gebetet als zu viel geboten:
Die Gabe will stäts Vergeltung.
Beßer nichts gesendet als zu viel getilgt;
So ritzt' es Thundr zur Richtschnur den Völkern.
Dahin entwich er, von wannen er ausging.
Lieder kenn ich, die kann die Königin nicht
Und keines Menschen Kind.
Hülfe verheißt mir eins, denn helfen mag es
In Streiten und Zwisten und in allen Sorgen.
Ein andres weiß ich, des Alle bedürfen,
Die heilkundig heißen.
Ein drittes weiß ich, des ich bedarf
Meine Feinde zu feßeln.
Die Spitze stumpf ich dem Widersacher;
Mich verwunden nicht Waffen noch Listen.
Ein viertes weiß ich, wenn der Feind mir schlägt
In Bande die Bogen der Glieder,
So bald ich es singe so bin ich ledig,
Von den Füßen fällt mir die Feßel,
Der Haft von den Händen.
Ein fünftes kann ich: fliegt ein Pfeil gefährdend
Übers Heer daher,
Wie hurtig er fliege, ich mag ihn hemmen,
Erschau ich ihn nur mit der Sehe.
Ein sechstes kann ich, so Wer mich versehrt
Mit harter Wurzel des Holzes:
Den Andern allein, der mir es anthut,
Verzehrt der Zauber, Ich bleibe frei.
Ein siebentes weiß ich, wenn hoch der Saal steht
Über den Leuten in Lohe,
Wie breit sie schon brenne, Ich berge sie noch:
Den Zauber weiß ich zu zaubern.
Ein achtes weiß ich, das allen wäre
Nützlich und nöthig:
Wo unter Helden Hader entbrennt,
Da mag ich schnell ihn schlichten.
Ein neuntes weiß ich, wenn Noth mir ist
Vor der Flut das Fahrzeug zu bergen,
So wend ich den Wind von den Wogen ab
Und beschwichtge rings die See.
Ein zehntes kann ich, wenn Zaunreiterinnen
Durch die Lüfte lenken,
So wirk ich so, daß sie wirre zerstäuben
Und als Gespenster schwinden.
Ein eilftes kann ich, wenn ich zum Angriff soll
Die treuen Freunde führen,
In den Schild fing ichs, so ziehn sie siegreich
Heil in den Kampf, heil aus dem Kampf,
Bleiben heil wohin sie ziehn.
Ein zwölftes kann ich, wo am Zweige hängt
Vom Strang erstickt ein Todter,
Wie ich ritze das Runenzeichen,
So kommt der Mann und spricht mit mir.
Ein dreizehntes kann ich, soll ich ein Degenkind
In die Taufe tauchen,
So mag er nicht fallen im Volksgefecht,
Kein Schwert mag ihn versehren.
Ein vierzehntes kann ich, soll ich dem Volke
Der Götter Namen nennen,
Asen und Alfen kenn ich allzumal;
Wenige sind so weise.
Ein funfzehntes kann ich, das Volkrörir der Zwerg
Vor Dellings Schwelle sang:
Den Asen Stärke, den Alfen Gedeihn,
Hohe Weisheit dem Hroptatyr.
Ein sechzehntes kann ich, will ich schöner Maid
In Lieb und Lust mich freuen,
Den Willen wandl ich der Weißarmigen,
Daß ganz ihr Sinn sich mir gesellt.
Ein siebzehntes kann ich, daß schwerlich wieder
Die holde Maid mich meidet.
Dieser Lieder, magst du, Loddfafnir,
Lange ledig bleiben.
Doch wohl dir, weist du sie,
Heil dir, behältst du sie,
Selig, singst du sie!
Ein achtzehntes weiß ich, das ich aber nicht singe
Vor Maid noch Mannesweibe
Als allein vor ihr, die mich umarmt,
Oder sei es, meiner Schwester.
Beßer ist was Einer nur weiß;
So frommt das Lied mir lange.
Des Hohen Lied ist gesungen
In des Hohen Halle,
Den Erdensöhnen noth, unnütz den Riesensöhnen.
Wohl ihm, der es kann, wohl ihm, der es kennt,
Lange lebt, der es erlernt,
Heil Allen, die es hören.
***
Thôr kam von der Ostfahrt her an einen Sand; jenseits stand der Fährmann mit dem Schiffe. Thôr rief:
Wer ist der Gesell der Gesellen, der überm Sunde steht?
Harbard antwortete:
Wer ist der Kerl der Kerle, der da kreischt überm Waßer?
Thôr.
Über den Sund fahr mich, so füttr ich dich morgen.
Einen Korb hab ich auf dem Rücken, beßre Kost giebt es nicht.
Eh ich ausfuhr aß ich in Ruh
Hering und Habermuß: davon hab ich noch genug.
Harbard.
Allzuvorlaut rühmst du dein Frühmahl;
Du weist das Weitre nicht:
Traurig ist dein Hauswesen, todt wird deine Mutter sein.
Thôr.
Das hör ich nun hier, was das Herbste scheint
Jedem Mann, daß meine Mutter todt sei.
Harbard.
Du hältst dich nicht, als hättest du guter Höfe drei:
Barbeinig stehst du in Bettlersgewand,
Nicht einmal Hosen hast du an.
Thôr.
Steure nur her die Eiche, die Stätte zeig ich dir,
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