Daß du es weist, Wafthrudnir,
Wes gedenkt dir zuerst, was weist du das älteste?
Du bist ein allkluger Jötun.
Wafthrudnir:
Im Urbeginn der Zeiten, vor der Erde Schöpfung
Ward Bergelmir geboren.
Des gedenk ich zuerst, daß der allkluge Jötun
Im Boot geborgen ward.
Gangradr:
Sag mir zum neunten, wenn man dich weise nennt
Und du es weist, Wafthrudnir,
Woher der Wind kommt, der über die Waßer fährt
Unsichtbar den Erdgebornen.
Wafthrudnir:
Hräswelg heißt der an Himmels Ende sitzt
In Adlerskleid ein Jötun.
Mit seinen Fittichen facht er den Wind
Über alle Völker.
Gangradr:
Sag mir zum zehnten, wenn der Götter Zeugung
Du weist, Wafthrudnir,
Wie kam Neördr aus Noatun
Unter die Asensöhne?
Höfen und Heiligtümern hundert gebietet er
Und ist nicht asischen Ursprungs.
Wafthrudnir:
In Wanaheim schufen ihn weise Mächte
Und gaben ihn Göttern zum Geisel.
Am Ende der Zeiten soll er aber kehren
Zu den weisen Wanen.
Gangradr:
Sag mir zum eilften, wenn der Asen Geschicke
Du weist, Wafthrudnir,
In Heervaters Halle was die Helden schaffen
Bis die Götter vergehen?
Wafthrudnir:
Die Einherier alle in Odhins Saal
Streiten Tag für Tag;
Sie kiesen den Wal und reiten vom Kampf heim
Mit Asen Äl zu trinken,
Und Sährimnirs satt
Sitzen sie friedlich beisammen.
Gangradr:
Sag mir zum zwölften, wenn der Götter Zukunft
Du alle weist, Wafthrudnir,
Von der Joten und aller Asen Geheimnissen
Sag mir das Sicherste,
Allkluger Jötun.
Wafthrudnir:
Von der Joten und aller Asen Geheimnissen
Kann ich Sicheres sagen,
Denn alle durchwandert hab ich die Welten,
Neun Reiche bereist ich bis Nifelheim nieder;
Da fahren die Helden zu Hel.
Gangradr:
Viel erfuhr ich, viel versucht ich,
Befrug der Wesen viel.
Wer lebt und leibt noch, wenn der lang besungne
Schreckenswinter schwand?
Wafthrudnir:
Lif und Lifthrasir leben verborgen
In Hoddmimirs Holz.
Morgenthau ist all ihr Mal:
Von ihnen stammt ein neu Geschlecht.
Gangradr:
Viel erfuhr ich, viel versucht ich,
Befrug der Wesen viel.
Wie kommt eine Sonne an den klaren Himmel,
Wenn diese Fenrir fraß?
Wafthrudnir:
Eine Tochter entstammt der stralenden Göttin
Eh der Wolf sie würgt:
Glänzend fährt nach der Götter Fall
Die Maid auf den Wegen der Mutter.
Gangradr:
Viel erfuhr ich, viel versucht ich,
Befrug der Wesen viel.
Wie heißen die Mädchen, die das Meer der Zeit
Vorwißend überfahren?
Wafthrudnir:
Drei über der Völker Vesten schweben
Mögthrasirs Mädchen,
Die einzigen Huldinnen der Erdenkinder,
Wenn auch bei Riesen auferzogen.
Gangradr:
Viel erfuhr ich, viel versucht ich,
Befrug der Wesen viel.
Wer waltet der Asen des Erbes der Götter,
Wenn Surturs Lohe losch?
Wafthrudnir:
Widar und Wali walten des Heiligtums,
Wenn Surturs Lohe losch.
Modi und Magni sollen Miölnir schwingen
Und zu Ende kämpfen den Krieg.
Gangradr:
Viel erfuhr ich, viel versucht ich,
Befrug der Wesen viel.
Was wird Odhins Ende werden,
Wenn die Götter vergehen?
Wafthrudnir:
Der Wolf erwürgt den Vater der Welten:
Das wird Widar rächen.
Die kalten Kiefern wird er klüften
Im letzten Streit dem starken.
Gangradr:
Viel erfuhr ich, viel versucht ich,
Befrug der Wesen viel:
Was sagte Odhin ins Ohr dem Sohn
Eh er die Scheitern bestieg?
Wafthrudnir:
Nicht Einer weiß was in der Urzeit du
Sagtest dem Sohn ins Ohr.
Den Tod auf dem Munde meldet' ich Schicksalsworte
Von der Asen Ausgang.
Mit Odhin kämpft ich in klugen Reden:
Du wirst immer der Weiseste sein.
***
Allvater waltet, Alfen verstehn,
Wanen wißen, Nornen weisen,
Iwidie nährt, Menschen dulden,
Thursen erwarten, Walküren trachten.
Die Asen ahnten übles Verhängnis,
Verwirrt von widrigen Winken der Seherin.
Urda sollte Odhrärir bewachen,
Wenn sie wüßte so großem Schaden zu wehren.
Auf hub sich Hugin den Himmel zu suchen;
Unheil fürchteten die Asen, verweil er.
Thrains Ausspruch ist schwerer Traum,
Dunkler Traum ist Dains Ausspruch.
Den Zwergen schwindet die Stärke. Die Himmel
Neigen sich nieder zu Ginnungs Nähe.
Alswidr läßt sie oftmals sinken,
Oft die sinkenden hebt er aber empor.
Nirgend haftet Sonne noch Erde,
Es schwanken und stürzen die Ströme der Luft.
In Mimirs klarer Quelle versiecht
Die Weisheit der Männer. Wißt ihr was das bedeutet?
Im Thale weilt die vorwißende Göttin
Hinab von Yggdrasils Esche gesunken,
Alfengeschlechtern Idun genannt,
Die Jüngste von Iwalts ältern Kindern.
Schwer erträgt sie dieß Niedersinken
Unter des Laubbaums Stamm gebannt.
Nicht behagt es ihr bei Nörwis Tochter,
An heitere Wohnung gewöhnt so lange.
Die Sieggötter sehen die Sorge Nannas
Um die niedre Wohnung: sie geben ihr ein Wolfsfell.
Damit bekleidet verkehrt sie den Sinn,
Freut sich der Auskunft, erneut die Farbe.
Wählte Widrir den Wächter der Brücke,
Den Giallarertöner, die Göttin zu fragen
Was sie wiße von den Weltgeschicken.
Ihn geleiten Loptr und Bragi.
Weihlieder sangen, auf Wölfen ritten
Die Herscher und Hüter der Himmelswelt.
Odhin spähte von Hlidskialfs Sitz
Und wandte weit hinweg die Zeugen.
Der Weise fragte die Wächterin des Tranks,
Ob von den Asen und ihren Geschicken
Unten im Hause der Hel sie wüsten
Anfang und Dauer und endlichen Tod.
Sie mochte nicht reden, nicht melden konnte sies:
Wie begierig sie fragten, sie gab keinen Laut.
Zähren schoßen aus den Spiegeln des Haupts,
Mühsam verhehlt, und netzten die Hände.
Wie schlafbetäubt erschien den Göttern
Die Harmvolle, die des Worts sich enthielt.
Jemehr sie sich weigerte, je mehr sie drängten;
Doch mit allem Forschen erfragten sie nichts.
Da fuhr hinweg der Vormann der Botschaft,
Der Hüter von Herians gellendem Horn.
Den Sohn der Nal nahm er zum Begleiter;
Als Wächter der Schönen blieb Odhins Skalde.
Gen Wingolf kehrten Widrirs Gesandte,
Beide von Forniots Freunden getragen.
Eintraten sie itzt und grüßten die Asen,
Yggrs Gefährten beim fröhlichen Mal.
Sie wünschten dem Odhin, dem seligsten Asen,
Lang auf dem Hochsitz der Lande zu walten;
Den Göttern, beim Gastmal vergnügt sich zu reihen,
Bei Allvater ewiger Ehren genießend.
Nach Bölwerks Gebot auf die Bänke vertheilt,
Von Sährimnir speisend saßen die Götter.
Skögul schenkte in Hnikars Schalen
Den Meth und maß ihn aus Mimirs Horn.
Mancherlei fragten über dem Male
Den Heimdal die Götter, die Göttinnen Loki,
Ob Spruch und Spähung gespendet die Jungfrau -
Bis Dunkel am Abend den Himmel deckte.
Übel, sagten sie, sei es ergangen,
Erfolglos die Werbung, und wenig erforscht.
Nur mit List gewinnen ließe der Rath sich,
Daß ihnen die Göttliche Auskunft gäbe.
Antwort gab Omi, sie Alle hörten es:
"Die Nacht ist zu nützen zu neuem Entschluß.
Bis Morgen bedenke Wer es vermag
Glücklichen Rath den Göttern zu finden."
Über die Wege von Walis Mutter
Nieder sank die Nahrung Fenrirs.
Vom Gastmal schieden die Götter entlaßend
Hroptr und Frigg, als Hrimfaxi auffuhr.
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