»Meine Mutter, ja oft,« sagte sie, »mein Vater nie. Es kam mir vor, es mache meine Mutter bekümmert, von unsern Gebeten und Pflichten zu sprechen; aber mein Vater hat nie den Mund über solche Dinge aufgethan vor oder seit ihrem Tode.«
»Das kann ich glauben – das kann ich glauben. Er hat keinen Gott – keinen solchen Gott, wie es einem Menschen von weißer Haut zu verehren geziemt, oder auch einer Rothaut. Die Dinge da sind Götzen!«
Judith fuhr auf, und einen Augenblick schien sie ernstlich gekränkt. Dann besann sie sich, und am Ende lachte sie.
»Und Ihr meint also, Wildtödter, diese elfenbeinernen Spielsachen seien meines Vaters Götter? Ich habe schon von Götzen gehört, und weiß was sie sind.«
»Es sind Götzen!« wiederholte der Andere mit Bestimmtheit. »Warum sollte sie Euer Vater aufbewahren, wenn er sie nicht anbetet?«
»Würde er seine Götter in einem Sack haben, und in einem Schrank eingeschlossen? Nein, nein, Wildtödter, mein armer Vater hat seinen Gott bei sich, wohin er geht, und das ist seine eigene Sache. diese Dinge da mögen wirklich Götzen sein – ich glaube selbst, das sind sie, nach dem was ich von Götzendienerei gehört und gelesen habe, aber sie kommen aus einem fernen Lande, wie alle die andern Gegenstände und sind in Thomas Hutter’s Hände gekommen, als er Matrose war.«
»Das freut mich – das freut mich wahrhaft zu hören, Judith, denn ich glaube, ich hätte den Entschluß nicht aufgebracht, einem weißen Götzendiener aus seiner Noth zu helfen! Der alte Mann ist von meiner Farbe und Nation, und ich wünschte ihm zu dienen, aber verläugnete er alle seine Gaben im Punkte der Religion, so würde mich’s hart ankommen, das zu tun. Das Tier da scheint Euch große Freude zu machen, Schlange, obgleich es im besten Fall ein abgöttisches Haupt ist.«
»Es ist ein Elephant,« unterbrach ihn Judith. »Ich habe oft Abbildungen von solchen Tieren in der Garnison gesehen; und Mutter hatte ein Buch, worin Nachrichten von dem Geschöpfe gedruckt sind. Vater verbrannte das, samt allen andern Büchern, denn er sagte, Mutter lese zu gern. Das war nicht lange, ehe die Mutter starb, und ich habe manchmal gedacht, der Verlust habe ihr Ende beschleunigt.«
Sie sagte dies ebenso einerseits ohne Leichtsinn, als andrerseits ohne tieferes Gefühl. Ohne Leichtsinn, denn Judith war trüb gestimmt durch ihre Erinnerungen, und doch war sie zu sehr gewohnt gewesen, für sich allein und für die Befriedigung ihrer eiteln Neigungen zu leben, um ihrer Mutter Leiden sehr tief zu fühlen. Es bedurfte außerordentlicher Umstände, um ein geeignetes Bewusstsein ihrer Lage zu erwecken, und die bessern Gefühle dieses schönen, aber mißleiteten Mädchens anzuspornen; und diese Umstände waren in ihrem kurzen Dasein noch nicht eingetreten.
»Elephant oder nicht Elephant, es ist ein Götzenbild,« versetzte der Jäger, »und nicht geeignet, in christlichen Händen zu bleiben.«
»Gut für Irokesen!« sagte Chingachgook, mit Widerstreben sich von einem der Thürme trennend, als sein Freund ihn ihm abnahm, um ihn wieder in den Sack zu schieben, »Elephon einen ganzen Stamm erkaufen – beinahe Delawaren erkaufen!«
»Ja, das würde er, wie Jeder wissen muss, der die Natur der Rothäute kennt,« versetzte Wildtödter; »aber der Mann, der falsches Geld in Umlauf setzt, Schlange, ist so schlimm, als der, der es münzt. habt Ihr je von einem rechten Indianer gehört, der es nicht verschmähen würde, einen Iltis für einen ächten Marder zu verkaufen, oder ein Stinkthier für einen Biber auszugeben? Ich weiß, dass wenige von diesen Götzenbildern, vielleicht Einer von diesen Elephanten Viel ausrichten würde, dem armen Thomas Hutter die Freiheit zu erkaufen, aber es läuft gegen das Gewissen, solches falsche Geld in Umlauf zu bringen. Vielleicht kein indianischer Stamm hier herum ist eigentlich götzendienerisch; aber einige kommen dem so nahe, dass weiße Gaben sich wohl hüten müssen, sie in ihrem Irrtum zu ermutigen.«
»Wenn Götzendienerei eine Gabe ist, Wildtödter, und Gaben das sind, wofür Ihr sie zu halten scheint, so kann Götzendienerei bei solchen Leuten schwerlich Sünde sein,« sagte Judith mit mehr Keckheit als Unterscheidungskraft.
»Gott verleiht Keinen von seinen Geschöpfen solche Gaben,« versetzte der Jäger ernsthaft. »Er muss angebetet werden, unter einem oder dem andern Namen, und nicht Kreaturen von Metall oder Elfenbein. Es ist gleichgültig, ob der Vater von Allen Gott genannt wird, oder Manitou, Gottheit oder Großer Geist, er ist nichtsdestoweniger unser gemeinsamer Herr und Schöpfer; auch trägt es nicht Viel aus, ob die Seelen der Gerechten in’s Paradies kommen, oder in die glücklichen Jagdreviere, da Er ja Jeden seinen Weg schicken kann, wie es seiner Gnade und Weisheit beliebt; aber es empört mein Blut, wenn ich menschliche Sterbliche so in Finsterniß und Wahn befangen sehe, dass sie Erde oder Holz, oder Knochen – Dinge von ihren eignen Händen geformt – zu bewegungslosen, sinnlosen Bildern gestalten, und dann vor ihnen niederfallen, und sie wie eine Gottheit anbeten!«
»Am Ende, Wildtödter, sind alle diese elfenbeinernen Figuren gar keine Götzenbilder. Ich erinnere mich jetzt einen der Officiere der Garnison gesehen zu haben mit einem Spiel: Fuchs und Gänse, in ähnlicher Weise verfertigt wie diese; und da ist etwas Hartes in Tuch eingewickelt, das vielleicht zu den Götzenbildern gehört.«
Wildtödter nahm das Päckchen, das ihm das Mädchen reichte, machte es auf, und fand darin das Schachbrett. Wie die Figuren war es groß, prächtig, und mit Ebenholz und Elfenbein eingelegt. Nachdem dies Alles in Verbindung gebracht wurde, trat der Jäger, obwohl nicht ohne viele Bedenklichkeiten, allmälig Judiths Ansicht bei, und gab am Ende zu, die vermeintlichen Götzenbilder müßten wohl nur die seltsam geschnitzten Figuren eines unbekannten Spieles sein. Judith besaß so viel Takt, ihren Sieg mit großer Mäßigung zu benutzen; auch spielte sie nie auch nur aufs entfernteste auf den komischen Irrtum ihres Freundes an.
diese Entdeckung der Bestimmung der so seltsam aussehenden kleinen Figuren brachte die Angelegenheit des zu bietenden Lösegeldes in’s Reine. Es ward allgemein anerkannt – und alle waren mit dem Geschmack und den Schwächen der Indianer vertraut – dass Nichts ohne Zweifel die Habsucht der Irokesen mehr reizen würde, als namentlich die Elephanten. Zum Glück waren alle vier Thürme unter den vorhandenen Stücken, und es ward endlich beschlossen, diese vier thürmetragenden Thiere sollten das anzubietende Lösegeld ausmachen. Die übrigen Figuren, so wie auch alle andern Artikel in dem Schranke sollten versteckt gehalten, und nur im äußersten Nothfall zu Hülfe genommen werden. Sobald diese Präliminarien in’s Reine gebracht waren, wurde Alles, außer den zum Lösegeld bestimmten Artikeln sorgfältig wieder in den Schrank gepackt, und alle Bedeckungen wurden wieder hineingesteppt, wie man sie gefunden; und es war ganz wohl möglich, dass, wenn Hutter wieder in den Besitz des Castells gesetzt werden konnte, er darin den übrigen Rest seiner Tage verlebte, ohne auch nur den Eingriff zu argwohnen, den man sich an dem Geheimnis des Schranks erlaubt hatte. Die zersprungene Pistole hätte am ehesten das Geheimnis verrathen können, aber diese ward neben die ihr entsprechende hingelegt, und Alles ward zusammengedrückt, wie es zuvor gewesen; ein halb Dutzend Päcke unten auf dem Boden des Schranks waren gar nicht geöffnet worden. Nachdem dies geschehen, wurde der Deckel herabgesenkt, die Schlösser wieder vorgelegt, und der Schlüssel umgedreht. Dieser wurde dann wieder in die Tasche gesteckt, aus der man ihn herausgenommen. Mehr als eine Stunde verging, bis man sich über das nun einzuschlagende Verfahren vereinigt und Alles wieder an seinen Ort gebracht hatte. Die Pausen, während deren man sich besprach, waren häufig; und Judith, die ein lebhaftes Wohlgefallen an der offenen, unverhehlten Bewunderung hatte, womit Wildtödters ehrliches Auge in ihr schönes Antlitz schaute, fand mit einer Gewandtheit, die der weiblichen Koketterie angeboren scheint, Mittel, die Unterhaltung zu verlängern. Wildtödter schien in der Tat der Erste zu sein, dem es einfiel, wie viel Zeit man so vergeude, und der die Aufmerksamkeit seiner Genossen auf die Notwendigkeit hinlenkte, Etwas zu tun, um den Auslösungsplan in Ausführung zu bringen. Chingachgook war in Hutter’s Schlafzimmer geblieben, wohin man die Elephanten gebracht hatte, um sein Auge an den Bildern so wunderbarer und so neuer Thiere zu weiden. Vielleicht sagte ihm ein instinktmaßiges Gefühl, seine Gegenwart würde seinen Genossen nicht so erwünscht sein, als wenn er sich entfernt halte; denn Judith beobachtete nicht viel Zurückhaltung in der Kundgebung ihrer Vorliebe, und der Delaware hatte es nicht bis zur Verlobung gebracht, ohne sich auch einige Kenntnisse der Symptome der ›großen Leidenschaft‹ zu erwerben.
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