»Fürchtet die Stämme nicht; fürchtet Schwester nächstes Gemach. Nicht fürchten Irokesen; Wildtödter ihm Augen und Ohren stopfen mit seltsamem Gethier.« »Ich verstehe Euch, Schlange, und ich verstand Hist. Manchmal meine ich, ich sei nicht halb so schwachsinnig, als sie sagen, dass ich bin. Jetzt schaut hinauf zur Decke, so will ich Euch Alles sagen. Aber Ihr macht mir bange, Ihr schaut mich so wild an, wenn ich von Hist spreche.«
Der Indianer suchte seinen Mienen und Blicken einen sanftern Ausdruck zu geben, um des Mädchens treuherzigem Verlangen zu genügen.
»Hist trug mir auf, in sehr leisem Tone Euch zu sagen, Ihr dürfet den Irokesen in Nichts trauen. Sie sind tückischer als alle Indianer, die sie kennt. Dann sagt sie, es sei ein großer, glänzender Stern, der über den Hügel hervortritt etwa eine Stunde nach Anbruch des Dunkels – (Hist hatte den Planeten Venus bezeichnet, ohne es zu wissen,) – und genau, wann dieser Stern sichtbar wird, will sie auf dem Landvorsprung sein, wo ich gestern Nacht gelandet habe, und Ihr sollet sie in einem Canoe abholen.«
»Gut – Chingachgook jetzt gut genug Verstehen; aber er versteht noch besser, wenn meine Schwester ihm noch einmal singt.«
Hetty wiederholte ihre Worte, erklärte noch umständlicher, welcher Stern gemeint sei, und bezeichnete den Punkt des Vorsprungs, wo er ans Land kommen sollte. Jetzt erzählte sie weiter in ihrer ungekünstelten, arglosen Art ihre Begegnung mit dem indianischen Mädchen, und wiederholte mehrere ihrer Ausdrücke und Meinungen, welche das Herz ihres Verlobten sehr entzückten. Besonders schärfte sie wiederholt ihre Warnungen ein, vor Verrätherei auf der Hut zu sein; Warnungen, die jedoch kaum nöthig waren bei Männern, die so schlau wie die, welchen sie galten. Auch setzte sie mit genügender Klarheit – denn bei allen solchen Gegenständen versagte dem Mädchen ihr Verstand selten – die gegenwärtige Stellung des Feindes, und seine Bewegungen seit dem Morgen auseinander. Hist war mit ihr auf dem Fluss gewesen, bis es von der Küste abstieß; sie befand sich jetzt irgendwo in den Wäldern gegenüber dem Castell, und gedachte nicht in das Lager zurückzukehren, als bis gegen die Nacht; dann hoffte sie im Stande zu sein, sich von ihren Genossinnen wegzustehlen, während sie der Küste entlang heimzögen, und sich auf dem Landvorsprung zu verbergen. Niemand schien die Anwesenheit Chingachgooks zu ahnen, obgleich man notwendig wusste, dass in der vorigen Nacht ein Indianer in die Arche war aufgenommen worden, und man Verdacht hegte, er habe sich seither in und außer der Arche in der Tracht eines Bleichgesichts gezeigt. Doch herrschte in Betreff des letztern Punktes noch einiger Zweifel; denn da dies die Jahrszeit war, wo man die Ankunft weißer Männer erwarten konnte, herrschte einige Besorgniß, die Besatzung des Castells möchte sich auf diesem ordentlichen Wege verstärken. All dies hatte Hist der Hetty mitgetheilt, während die Indianer sie an der Küste hinzogen und die über sechs Meilen betragende Entfernung hatte dazu Zeit genug vergönnt.
»Hist weiß selbst nicht, ob sie gegen sie Verdacht haben oder nicht, oder ob sie gegen Euch Verdacht haben; aber sie hofft, dass keines von beiden der Fall ist. Und jetzt, Schlange, nachdem ich Euch so Viel von Eurer Verlobten gesagt,« fuhr Hetty fort, halb unbewußt eine Hand des Indianers ergreifend, und mit den Fingern spielend, wie oft ein Kind bei seinen Eltern tut; »müßt Ihr Euch Etwas von mir selbst sagen lassen. Wenn Ihr Hist heirathet. müßt Ihr gütig und freundlich gegen sie sein, und gegen sie lächeln, wie Ihr jetzt gegen mich tut; und nicht sauer und finster sehen, wie einige Häuptlinge mit ihren Weibern tun. Wollt Ihr mir das versprechen?«
»Immer gut mit Wah! – zu zart, um hart zu zwirnen – sonst sie brechen.« »Ja, und auch lächeln; Ihr wisst nicht, wie sehr ein Mädchen nach Lächeln schmachtet von denen, die sie lieb hat. Vater lächelte mir kaum Einmal zu, wie ich Dort bei ihm war – und Hurry – ja – Hurry schwatzte laut und lachte; aber ich glaube, er lächelte nicht Einmal, Ihr kennt den Unterschied zwischen Lächeln und Lachen?«
»Lachen das Beste! Hört Wah! lachen; denkt, Vogel singe.«
»Ich weiß das; ihr Lachen ist lieblich; aber Ihr müßt lächeln. Und dann, Schlange, müßt Ihr sie nicht Lasten schleppen und schwer auf dem Feld mit der Hacke arbeiten lassen, wie so viele Indianer tun, sondern sie mehr so wie die Bleichgesichter ihre Weiber behandeln.«
»Wah-ta!-Wah nicht Bleichgesicht – hat rothe Haut, rothes Herz, rothe Gefühle. Alles roth; kein Bleichgesicht. Muß kleine Schreier tragen.«
»Jedes Weib trägt gern ihr Kind,« sagte Hetty lächelnd, »und das ist nichts Arges. Aber Ihr müßt Hist lieben, und sanft und gut gegen sie sein; denn sie ist selbst sanft und gut.«
Chingachgook neigte sich ernst, und dann schien er der Meinung, dieser Gegenstand könnte nunmehr verlassen werden. Ehe Hetty Zeit hatte, ihre Mittheilungen noch einmal zusammenzufassen, hörte man im äußern Gemach Wildtödters Stimme, der seinem Freunde rief. Der Indianer stand auf, dieser Aufforderung Folge zu leisten, und Hetty begab sich zu ihrer Schwester.
»Solch seltsam Tier,« der Eine schrie –
»Lebte noch unter der Sonne nie;
Eidechsenleib, so schmal und lang,
Fischkopf, die Zunge von der Schlang’,
Der Fuß mit drei gespaltnen Klau’n,
Und welch’ ein Schwanz ist hinten zu schau’n!»
Merrick.
Das Erste, was der Delaware that, als er bei seinem Freund angekommen, war, dass er sich ganz ernsthaft daran machte, seines zivilisierten Anzugs sich zu entledigen, um wieder als indianischer Krieger dazustehen. Auf die Vorstellungen Wildtödters dagegen teilte er ihm den Umstand mit, dass die Anwesenheit eines Indianers in der Hütte den Irokesen bekannt sei, und dass seine Beibehaltung der Vermummung wohl eher Verdacht in Bezug auf seine wirkliche Absicht erwecken würde, als wenn er offen als Glied eines feindlichen Stammes auftrete. Als Wildtödter den Sachverhalt erfuhr und vernahm, er habe sich getäuscht in der Voraussetzung, dass der Häuptling wirklich ganz unbemerkt in die Arche sei aufgenommen worden, willigte er mit Freuden in die Umwandlung, da weitere Versuche, die Sache zu verheimlichen, fruchtlos waren. ein andrer Beweggrund jedoch, als er vorgab, ein gemüthlicher, hatte den Wunsch des Indianers veranlaßt, sich als Sohn des Waldes zu zeigen. Er hatte gehört, dass Hist auf der gegenüber liegenden Küste weile; und die Natur triumphirte so weit über alle Unterschiede der Sitten, des Stammes und Volkes, dass sie diesem jungen Krieger ganz dasselbe Gefühl einflößte, das man unter ähnlichen Verhältnissen bei dem verfeinerten Stadtbewohner würde gefunden haben. Er fand eine milde Genugthuung in dem Bewusstsein, dass die Geliebte ihn sehen könne; und wie er auf die Plattform hinausschritt in seiner ärmlichen Landestracht, ein Apollo der Wildnis, da erfüllten hundert jener zärtlichen Phantasien, welche Liebenden durch den Kopf gehen, seine Einbildungskraft und stimmten sein Herz weich.
Alles dies war an Wildtödter verloren, der kein großer Adept in den Mysterien Cupido’s war, und dessen Seele weit mehr sich beschäftigte mit den Sorgen, die sich seiner Beachtung aufdrangen, als mit eiteln, müßigen Liebesphantasien. Er rief daher seinen Genossen bald zur Erwägung ihrer dermaligen Lage zurück, indem er ihn zu einer Art von Kriegsrath lud, worin sie ihr künftiges Verfahren festsetzen wollten. In der nun folgenden Unterredung theilten Beide einander mit, was Jeder bei seiner Besprechung erfahren hatte, Chingachgook erfuhr die Geschichte der Unterhandlung über das Lösegeld, und Wildtödter vernahm alle Eröffnungen Hetty’s. Der Letztere hörte mit großmüthiger Theilnahme von seines Freundes Hoffnungen und versprach mit Freuden, ihm nach Kräften seinen Beistand zu leihen.
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