»Gut gemacht, Schlange – gut gemacht!« rief Wildtödter, und lachte in seiner geräuschlosen Munterkeit; »Ihr habt den See getroffen, und das ist eine Großthat für manche Männer. Ich wusste es, und sagte es auch der Judith hier; denn diese kurzen Waffen eignen sich nicht für Rothhautsgaben. Ihr habt den See getroffen, und das ist besser, als nur die Luft treffen! Jetzt tretet zurück und lasst uns sehen, was weiße Gaben vermögen mit einer weißen Waffe. Eine Pistole ist keine Büchse; aber Farbe ist Farbe.«
Wildtödter zielte ebenso rasch als stet, und der Knall erfolgte beinah in dem Augenblick, wo er die Waffe erhob. Aber die Pistole zersprang und Bruchstücke davon flogen nach allen Richtungen; einige fielen auf das Dach des Castells, andere in die Arche, und noch andre in’s Wasser. Judith kreischte laut auf, und als die beiden Männer sich ängstlich zu dem Mädchen wandten, war sie bleich wie der Tod und zitterte an allen Gliedern.
»Sie ist verwundet – ja, das arme Mädchen ist verwundet, Schlange, obgleich man es nicht hätte vermuthen sollen, da wo sie stand. Wir wollen sie auf einen Sitz führen und müssen alles Mögliche für sie tun, soweit unsre Einsicht und Geschicklichkeit reicht.«
Judith ließ sich zu dem Sitz hinführen, schluckte einen Mundvoll von dem Wasser, das ihr der Delaware in einer Lederflasche bot, und nach einem heftigen Anfall von Zittern, das ihre schöne Gestalt bis zur Auflösung schien schütteln zu wollen, brach sie in Tränen ans.
»Der Schmerz muss ertragen sein, arme Judith – ja er muss ertragen sein,« sagte Wildtödter ihr zusprechend; »obwohl ich weit entfernt bin, zu verlangen, dass Ihr nicht weinen sollt; denn Weinen erleichtert oft mädchenhafte Gefühle. Wo kann sie denn verletzt sein, Schlange? Ich sehe keine Spuren von Blut, auch keine Risse in Haut oder Kleidern.«
»Ich bin nicht beschädigt, Wildtödter,« stammelte das Mädchen unter ihren Tränen. »Es ist Schrecken – Nichts weiter, ich versichere Euch; und Gott sei gepriesen, ich sehe, Niemand ist durch den Zufall beschädigt.«
»Das ist außerordentlich!« rief der arglose und treuherzige Jäger. »Ich dachte, Judith, Ihr wäret hinaus über die Schwächen der Leute in den Ansiedlungen, und nicht ein Mädchen, das sich durch den Knall einer zerspringenden Waffe in Schrecken setzen ließe. Nein, ich hätte Euch nicht für so schüchtern gehalten! Hetty hätte wohl darüber in Angst gerathen dürfen; aber Ihr habt zu viel Vernunft und Einsicht, um zu erschrecken, nachdem die ganze Gefahr vorüber! Sie sind dem Auge wohlgefällig, Häuptling, und abwechselnd, aber sehr unzuverlässig in ihren Gefühlen.«
Schaam hielt Judiths Mund verschlossen. Es war keine Schauspielkunst in ihrer Aufregung, sondern Alles war die natürliche Folge plötzlicher, unüberwindlicher Besorgniß und Angst, die ihr selbst beinah ebenso unerklärlich vorkam, wie sie es ihren Genossen war. Sie wischte sich jedoch die Spuren der Tränen ab, lächelte wieder, und war bald im Stand, in das Lachen über ihre eigne Torheit einzustimmen.
»Und Ihr, Wildtödter,« dies brachte sie am Ende über die Lippen, »seid Ihr wirklich ganz unverletzt? Es erscheint beinahe wie ein Wunder, dass eine Pistole Euch in der Hand zerspringen musste, und Ihr ohne den Verlust eines Glieds, wo nicht gar des Lebens davonkamet!«
»Solche Wunder sind gar nicht ungewöhnlich bei alten, verbrauchten Waffen. Die erste Büchse, die sie mir gaben, spielte mir denselben Streich, und doch kam ich lebend davon, obwohl nicht so ohne Schaden wie dies Mal. Thomas Hutter besitzt jetzt eine Pistole weniger, als er diesen Morgen besaß, aber da der Zufall sich ereignete bei einem Versuch ihm zu dienen, hat er keinen Grund sich zu beklagen. Jetzt kommt herbei, und lasst uns weiter nach dem Inhalt des Schrankes sehen.«
Judith war mittlerweile ihrer Bewegung so weit Meister geworden, dass sie ihren Sitz wieder einnehmen konnte, und die Untersuchung nahm ihren Fortgang. Der nächste Artikel, der sich fand, war in Tuch eingewickelt und als man dies öffnete, zeigte sich, dass es eines der mathematischen Instrumente war, wie sie damals die Seeleute hatten, mit den gewöhnlichen Zierrathen und Bändern von Metall. Wildtödter und Chingachgook legten ihre Bewunderung und Überraschung bei Auffindung des ihnen unbekannten Instruments an den Tag, welches glänzte und glitzerte, und allem Anschein nach sorglich behandelt war.
»Das geht über die Feldmesser hinaus, Judith,« rief Wildtödter, nachdem er das Instrument mehrmals in seinen Händen herumgedreht; »ich habe alle ihre Werkzeuge oft gesehen, und ruchlos und herzlos genug sind sie, denn sie kommen nie in den Wald, als nur um der Verwüstung und Zerstörung Bahn zu machen; aber keines von ihnen hat ein so kluges Aussehen wie dieses! Ich fürchte am Ende doch, Thomas Hutter hat sich in die Wildnis begeben, nicht mit den besten Absichten gegen ihr Glück. habt Ihr je schon das Thun und Treiben eines Feldmessers an Eurem Vater gesehen, Mädchen?«
»Er ist kein Feldmesser, Wildtödter, kennt auch nicht den Gebrauch dieses Instruments, obgleich er dessen Besitzer zu sein scheint. Meint Ihr, Thomas Hutter habe je diesen Rock getragen? Er ist eben so viel zu groß für ihn, als dies Instrument über seine Kenntnisse ist.«
»Das ist’s – das muss sein, Schlange; und der alte Camerad ist, auf irgend eine unbekannte Weise, der Erbe von eines Andern Habe geworden! Sie sagen, er sei ein Seemann gewesen, und ohne Zweifel – dieser Schrank und Alles was er enthält – Ha! was kommt da! das geht noch weit über das Metall und das schwarze Holz des Instruments!«
Wildtödter hatte einen kleinen Sack geöffnet, aus dem er nacheinander die Figuren eines Schachspiels herausholte. Sie waren von Elfenbein, weit größer als gewöhnlich, und köstlich gearbeitet. Jedes Stück stellte den Charakter oder die Sache dar, wornach es genannt ist; die Ritter (Springer) waren zu Pferde, die Thürme standen auf Elephanten, und selbst die Bauern hatten Köpfe und Büsten von Männern. Das Spiel war nicht vollständig, und einige Beschädigungen zeugten von unsorgfältiger Behandlung; aber Alles was noch übrig, war sorgfältig zurückgelegt und aufbewahrt. Selbst Judith drückte ihre Verwunderung aus, als man ihr diese neuen Gegenstände vorwies, und Chingachgook vergaß in seinem bewundernden Entzücken gänzlich seine indianische Würde. Er hob jedes Stück auf, prüfte es genau mit nimmer ermüdender Zufriedenheit, und machte das Mädchen auf die sinnreichsten und auffallendsten Teile der Arbeit aufmerksam. Die Elephanten aber machten ihm das größte Vergnügen. Die »Hughs!« die er hören ließ, als er mit den Fingern über ihre Rüssel und Ohren und Schwänze fuhr, waren sehr vernehmlich; auch entgingen seiner Aufmerksamkeit die als Bogenschützen bewaffneten Bauern nicht. Dies Auskramen dauerte einige Minuten, während welcher Zeit Judith und der Indianer sich miteinander ganz in ihr Entzücken vertieften. Wildtödter saß schweigend, nachdenklich, und sogar düster da, obgleich seine Augen jede Bewegung der zwei Personen verfolgten, die hier die Hauptrolle spielten, und jede neue Eigentümlichkeit an den einzelnen Stücken, so wie sie aufgehoben und vorgezeigt wurden, sich merkten. Kein Ausruf des Wohlgefallens, kein Wort des Beifalls kam über seine Lippen. Endlich bemerkten seine Genossen sein Schweigen, und jetzt zum erstenmal, seit der Auffindung der Schachfiguren, sprach er.
»Judith,« fragte er ernst, aber mit einer Theilnahme, die beinahe an Weichheit und Zärtlichkeit grenzte, »sprachen Eure Eltern je mit Euch von Religion?«
Das Mädchen erröthete, und die Purpurflammen, die über ihr schönes Angesicht liefen, glichen den seltsamen Tinten eines neapolitanischen Himmels im November. Wildtödter hatte ihr jedoch ein solches Wohlgefallen an der Wahrheit beigebracht, dass sie in ihrer Antwort nicht schwankte, sondern einfach und aufrichtig erwiderte:
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