Sie hatte einen wunderbaren Spiegel, wenn sie vor den trat und sich darin beschaute, sprach sie: (19)
„Meinst du nicht auch, dass meine Titten sensationell sind und der Hintern perfekt ist, mein schönes Haar passt doch wunderbar zu meinem symmetrischen Gesicht. Das ist wissenschaftlich erwiesen, dass Menschen mit so einem Gesicht attraktiver wirken, also ich finde mich selbst sehr anziehend. Da haben die anderen Weiber doch keine Chance, oder?“
Olaf Hauswald war extrem scharf auf sie weil sie neben ihrem tollen Aussehen im Bett auch noch experimentierfreudig war und ihn in den verschiedensten Stellungen zur Weißglut trieb.
„Komm her, du bist die schönste Frau die ich jemals gesehen habe, ich will dich jetzt haben! Keine andere könnte neben dir bestehen, komm zu mir“ sagte er erregt und sie tat, was er wollte. Ihr Liebesleben war berauschend und lenkte ihn von einigen unschönen Angewohnheiten Heidruns ab. Die Frau trat anderen gegenüber gern überheblich auf (weil sie sich auf ihren Job bei einer Klatschzeitung eine Menge einbildete), hielt sich für prädestiniert, Schönheitskönigin zu werden (leider scheiterte sie mehrmals bei diesem Wettbewerb) und war ständig damit beschäftigt, immer neue Kosmetika auszuprobieren, was mächtig ins Geld ging. Ihre Besuche im Solarium führten anfangs dazu, dass sie noch attraktiver wirkte aber mit der Zeit übertrieb sie es, so dass ihre Haut nach und nach geschädigt wurde.
Auch bei Olaf und Heidrun hielt der Alltag Einzug und die anfängliche Leidenschaft flaute ab. Zwar hielt er sie immer noch für sehr anziehend aber für seine Tochter, die jetzt elf geworden war, fand er immer mehr Zeit und unternahm mit ihr in seiner Freizeit viele Dinge, während Heidrun sich im Solarium oder in der Sauna aufhielt. Er stellte fest, dass das Mädchen die lieblichen Züge ihre Mutter trug und obwohl sie dünn wie ein Stock war wusste er, dass sie später mit ihren schon zu erkennenden langen Beinen und dem lockigen Haar die Kerle um den Verstand bringen würde. An Heidrun waren die Jahre indes nicht spurlos vorbei gegangen und als sie sich eines Abend wieder nackt vor dem Spiegel drehte stellte sie verärgert fest, dass ihre Brüste zwar noch schön anzusehen waren, aber ein ganzes Stück tiefer hingen als noch vor einigen Jahren. Die Cellulite schritt auch fort und die ständigen Besuche im Solarium hatten erste Falten in ihr Gesicht eingegraben.
„Wie sehe ich aus“ wollte sie von Olaf wissen.
„Klasse“ sagte er (denn er wollte sie ins Bett bekommen).
„Mehr fällt dir nicht ein“ fragte sie lauernd.
„Na ja, du bist keine achtzehn mehr, aber für dein Alter sehr attraktiv. Da kann man eben nicht mehr so eine Haut haben wie Anja“ antwortete er unvorsichtiger weise.
„Was“ fuhr ihn Heidrun an „du vergleichst mich mit deiner Tochter, so ein Schwachsinn! Die Weiber, die so alt sind wie ich, können mit mir doch gar nicht mithalten, oder?“
„Natürlich“ beeilte sich Olaf ihr zu versichern „du bist eine scharfe Tussi, komm jetzt, du machst mich an.“
„Vergiss’ es“ sagte Heidrun kalt „ich habe Kopfschmerzen.“
Mit diesen Worten kam sie ins Bett, drehte ihm jedoch den Rücken zu und tat so, als würde sie schlafen. Olaf lag grübelnd (und mit einer mächtigen Erektion) neben ihr und versuchte einen Weg zu finden, wie er sie sich wieder gewogen machen konnte.
Das Verhältnis zwischen Heidrun und Anja war nicht das Beste, deswegen hatte die Frau auch so gereizt reagiert. Anja hatte die ersten Schuljahre mit Bravour absolviert und ihrer Klassenleiterin war ihre besondere Begabung in Mathematik nicht verborgen geblieben, zum letzten Elternabend nahm sie Olaf zur Seite und sprach mit ihm.
„Herr Hauswald, Anja ist überdurchschnittlich intelligent, ich würde es gern sehen, dass man ihre Begabung noch mehr fördert, das ist bei uns an der Schule leider nicht möglich, so was geht nur in einem Internat für Hochbegabte. Denken Sie mal drüber nach.“
Olaf Hauswald dachte in dieser Nacht darüber nach.
Ein ganz gewöhnlicher Tag im Altersheim
Seltsamer weise waren die Klagen der Bewohner über fehlendes Bargeld vollständig verstummt und die Wachsamkeit des Personals ließ deutlich nach, es ging also alles wieder seinen geregelten Gang. Frieda Wackerstein, die Großmutter von Britta Friedrich, schob sich auf ihren Rollator gestützt über den Gang Richtung Fernsehraum, wo einige ihrer Mitbewohner saßen und mehr oder weniger aufmerksam eine Sendung über Probleme der Quantenphysik verfolgten. Sie machte auf dem Fuße kehrt und sich auf den Weg zum Speisesaal, denn es war Mittagszeit. Mit Else Baumann, die mit an ihrem Tisch saß, verband sie eine Art Hassliebe. Die andere Frau verfügte über ein loses Mundwerk und zog fortlaufend über andere Heimbewohner her, aber Frieda Wackerstein wusste, dass sich unter dieser rauen Schale ein sehr unsicherer Mensch verbarg. Else Baumann war nicht einmal in der Lage, ihre Einkäufe in der hauseigenen Verkaufsstelle selbst vorzunehmen so dass sie Frieda Wackerstein stets um Begleitung dabei bat. Selbst das Taschengeld der Frau musste Frieda Wackerstein (mit Zustimmung des Heimleiters) für sie verwalten und grübelte fortlaufend darüber, welches dunkle Geheimnis sie dazu veranlasste, vielleicht konnte sie mit Geld nicht umgehen.
Damit lag sie nicht ganz falsch, denn Else Baumann war in ihrem Berufsleben Hauptbuchhalterin gewesen, allerdings auf einen Heiratsschwindler hereingefallen, der sie nach Strich und Faden ausnahm, so dass sie schließlich in Größenordnungen in die Kasse griff, bei einer Revision aufflog und für drei Jahre im Knast Quartier nehmen musste. Jetzt hatten sich die Rollen geändert: die ehemalige Fleischerin schlüpfte in die Funktion des Buchhalters und legte Else Baumann monatlich ihre penible Abrechnung vor.
„Kuck mal, der Rappmann, der macht der Naumann schon wieder schöne Augen, dabei ist seine Frau grade mal zwei Monate unter der Erde“ sagte Else Baumann giftig.
„Lass ihn doch“ erwiderte Frieda Wackerstein „man kann auch noch in unserem Alter sein Glück finden, mich stört das nicht.“
Else Baumann wollte weiter diskutieren aber das Essen kam, es gab Makkaroni und Gulasch. Die beiden Frauen aßen und Frieda Wackerstein nickte anerkennend.
„Schmeckt gut seit der neue Koch da ist und „ImmerLecker“ die Zutaten liefert ist das viel besser geworden, bloß bisschen knapp manchmal“ sagte sie.
„Hast du übrigens gehört“ fragte Else Baumann kauend „dass die Habermaus den jungen Mann von „ImmerLecker“ verdächtig hatte, ein Dieb zu sein?“
„Wirklich“, Frieda Wackerstein schaute sie erstaunt an, „diesen zuvorkommenden, netten und lustigen Mann, das kann nicht sein! Und ich glaube der ist sogar ein Doktor, solche Leute klauen doch nicht!“
„Hast du eine Ahnung“ erwiderte Else Baumann griesgrämig, denn der Heiratsschwindler auf den sie damals reingefallen war hatte sie mit seinem gefälschten Professorentitel so beeindruckt, dass sie vollkommen die Beherrschung verlor und für ihn das Geld veruntreute.
Sie schwatzten noch eine Weile miteinander, dann machten sie sich auf dem Weg in ihre Zimmer und Frieda Wackerstein meinte einen Mann in einem Anzug in einem der Zimmer verschwinden zu sehen. In der Eile bekam sie die Brille nicht schnell genug auf die Nase, blieb noch einige Zeit auf dem Gang stehen aber dann sagte sie sich, dass es wohl an ihren schlechten Augen liegen musste und sie sich einfach geirrt hatte. Sicherheitshalber kontrollierte sie ihren Safe, aber nichts fehlte. Dann legte sie sich zum Mittagsschlaf.
Britta Friedrich war sauer auf die Wollmann Brüder, denn der Umweg den sie wegen ihnen nehmen musste, kostete sie schon Zeit und zusätzlichen Weg. Da der Tag aber schön war verflog ihr Ärger bald und sie lief mit offenen Augen durch den Wald, hier fand sie während des Marsches auch Entspannung von ihrer Arbeit als Krankenschwester. Wenn sie Dienst hatte versuchte sie immer etwas vom Kauderwelsch der Ärzte aufzuschnappen, und da sie ihren letzten Freund vor gut drei Wochen rausgeschmissen hatte, weil er nach ihrer Ansicht zu träge war, nur vor dem Fernseher herum hing und sie ständig ins Bett zerren wollte (sie war Sex keineswegs abgeneigt, aber bitte nicht täglich !) fand sie wieder Zeit, im Pschyrembel, dem klinischen Wörterbuch zu lesen. Es war eigenartig, obwohl sie nie Latein gelernt hatte gingen ihr Begriffe wie Skrotalhernie, Myasthenia gravis, Chorea Huntington, Nucleus-Pulposus-Prolaps, Trochanter major und minor und Hallux valgus locker von den Lippen und da sie über ein ausgesprochen gutes Gedächtnis verfügte konnte sie schon ganz gut verstehen, was die Ärzte meinten. Auch ihre Großmutter Frieda Wackerstein kam in den Genuss dieses Wissens.
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