„Logisch“ sagte Dietmar Dietrich lässig „gib’ mir die Technik mit, übermorgen kannst du mithören.“
Dann ging er.
Wie er es geahnt hatte war das Haus des Ganoven eine elektronisch gesicherte Festung. Mit dem Keylogger hatte er gute Erfahrungen gemacht und schickte diesen als selbstinstallierende exe Datei auf den PC von Hartmut Keller (seine Mailadresse stand in Internet), wo sich das kleine Programm in Dickicht der vielen Dateien verbarg, und weil er den Unsichtbar-Modus aktiviert hatte, auch nicht aufzufinden wäre. Wenn der Mann an dem PC arbeiten sollte würden alle seine Eingaben auf der Tastatur in einer Log-Datei gespeichert werden, die Dietmar mit dem Log Viewer auf seinem Rechner ansehen könnte. Jedes Zeichen würde protokolliert werden, auch unsichtbare Eingaben wie Passwörter und zudem würde die Software regelmäßig Bildschirmkopien anfertigen. Jetzt musste er nur noch warten.
Kurze Zeit später meldete sich sein Laptop mit einem Piepen, an dem PC des anderen wurde gearbeitet. Hartmut Keller hatte Outlook geöffnet und schrieb an einen „Crystal.Jack@arcor.de“:
„Mir gefällt das gar nicht, dass die Lieferungen jetzt immer so große Mengen haben, sie sind schlecht zu verstecken und ich habe das Gefühl, dass die Bullen einen Verdacht haben. Wir werden für die nächste Aktion ein anderes Transportmittel nutzen. Ich rufe dich aus dem Auto an.“
Dann sah Dietmar Dietrich, dass der andere ein Programm öffnete, mit dem er die Alarmanlage des Hauses und der Garage überprüfte und als er 17.05 und 17.20 eingab ahnte er, dass dies das Zeitfenster für das Öffnen der Garage war. So weit so gut, er hätte eine Viertelstunde Zeit um die Wanze zu installieren aber höchstwahrscheinlich wurde das Fahrzeug bewacht. Im Kopf bastelte er sich einen Plan zusammen und verließ seine Wohnung. Wenig später betrat er den „Beauty Store“, nickte der Verkäuferin zu und klopfte mit einem bestimmten Zeichen an eine Tür, die vom Verkaufsraum abging.
Ein Mann von schätzungsweisen dreißig Jahren öffnete, bat ihn hinein, und schloss die Tür sofort wieder.
Thomas Freitag war vor einem Jahr auf einen dubiosen Internetanbieter hereingefallen und knapp der Pleite entgangen. Als Dietmar Dietrich die Spur aufnahm hatte er innerhalb von 48 Stunden sein Geld wieder und war ihm seit dem zur Dankbarkeit verpflichtet.
Der Meister begab sich in die zunächst liegende Stadt. Dort kaufte er einer alten Bauerfrau die Kleider ab und zog sie an. Dann färbte er sich das Gesicht braun und malte sich noch Runzeln hinein, so daß ihn kein Mensch wiedererkannt hätte. (17)
„Wie heute“ fragte er jetzt.
„Ganz klassisch, Typ Geschäftsfrau, Hosenanzug, blondes langes Haar, dezentes Make Up, Sonnenbrille“ antwortete Dietmar Dietrich.
Gut dreißig Minuten später verließ eine attraktive Frau den „Beauty Store“ und stieg in ein BMW Cabrio (das Verdeck war geschlossen). Jetzt war Timing erforderlich, denn in exakt 12 Minuten würde der Motor absterben. Dies geschah genau vor dem Haus von Hartmut Keller, auf Höhe der Garage. Der Mann, der dort herumlungerte, sah der Frau interessiert zu, die immer wieder versuchte den Motor zu starten, allerdings ohne Erfolg. Schließlich ging er zu ihr, sie stieg aus und er setzte sich in das Fahrzeug, um sein Glück zu versuchen. Der Anlasser drehte sich aber plötzlich wurde er bewusstlos, denn das aus den Lüftungsdüsen strömende Gas hatte ihn betäubt. Die Frau ging lässig zu der Garage, es war jetzt 17.07 Uhr, öffnete das Tor und verschwand in dem Bau. Nach circa vier Minuten erschien sie wieder, ging zu dem Cabrio zurück und betätigte einen Schalter, so dass sich das Verdeck jetzt öffnete. Der Mann schlug die Augen auf.
„Sie sind plötzlich weggeklappt“ sagte sie besorgt zu ihm „soll ich vielleicht einen Arzt rufen?“
„Nein, nein, vielleicht ist der Auspuff defekt, irgendwie hat es komisch gerochen, fahren Sie mal lieber in der Werkstatt, dass sich die Leute das dort ansehen. Ich probier’s noch mal“, er drehte den Zündschlüssel und plötzlich sprang die Maschine an.
„Vielen, vielen Dank“ sagte die Frau lächelnd „Sie haben mir sehr geholfen.“
Der Mann bezog wieder Posten vor der Garage, um 17.13 schob sich das Tor hoch und der große A8 fuhr heraus, am Steuer saß Hartmut Keller.
Stiefmütter können nerven
Es war einmal mitten im Winter, und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel herab, da saß eine Frau an einem Fenster, das einen Rahmen von schwarzem Ebenholz hatte, und nähte. Und wie sie so nähte und nach dem Schnee aufblickte, stach sie sich mit der Nadel in den Finger, und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee. Und weil das Rote im weißen Schnee so schön aussah, dachte sie bei sich ‚hätt ich ein Kind so weiß wie Schnee, so rot wie Blut, und so schwarz wie das Holz an dem Rahmen.’ Bald darauf bekam sie ein Töchterlein, das war so weiß wie Schnee, so rot wie Blut, und so schwarzhaarig wie Ebenholz. Und wie das Kind geboren war, starb die Königin. (18)
Bettina Hauswald hatte schon immer Interesse am Sticken gehabt. Wenn der Arbeitstag allzu stressig gewesen war setzte sie sich gern ans Fenster und bewegte die Nadel flink und geschickt und die Deckchen, die sie anfertigte, fanden auf dem Wochenmarkt immer schnell ihre Käufer. Diese entspannende Tätigkeit half ihr auch über die Schwangerschaftsbeschwerden hinweg zu kommen, sehr oft war ihr jetzt übel und nicht selten erbrach sie sich und von ihrer Gynäkologin wusste sie auch, dass die Geburt nicht einfach werden würde und sie als Risikopatientin galt. Diese Gedanken gingen ihr im Kopf herum als sie wieder einmal an einem Deckchen arbeitete. Sie stach sich mit der Nadel in den Finger, nicht tief, aber drei Tropfen Blut fielen auf ihre helle Jeans. Ach, wie wünsche ich mir ein Kind, das schöne helle und makellose Haut hat, schöne rote Wangen und schwarze Haare und gesund ist dachte sie sich und klebte ein Pflaster auf die winzige Wunde.
Olaf Hauswald fuhr seine Frau in die Klinik und ahnte nicht, dass er diese wenige Stunden später zwar als Vater einer Tochter, aber auch als Witwer verlassen sollte. Die Ärztin im Praktikum war total überfordert gewesen und die erfahrene Hebamme traute sich nicht, die junge Frau auf die drohenden Anzeichen einer Gefährdung der Gebärenden hinzuweisen. Bettina Hauswald starb, nachdem Anja, ihre Tochter auf der Welt war, an inneren Blutungen. Olaf Hauswald haderte mit seinem Schicksal und die ersten Tage kam er nur mit viel Alkohol über die Runden, seine Freunde indes fingen ihn auf und nach drei Monaten hatte er diese Krise überstanden und widmete sich neben seiner Arbeit ganz der kleinen Anja, die jetzt den Mittelpunkt seines Lebens bildete. Das Mädchen wuchs heran und Olaf wollte nicht mit Mitte Zwanzig ohne Frau bleiben, so dass er sich umsah.
Seine Eltern nahmen Anja an den Wochenenden zu sich, so dass er Zeit hatte, zum Tanz zu gehen. Er war groß gewachsen und schlank, die runde Brille gab ihm etwas Intellektuelles und seine Umgangsformen waren ordentlich, so dass er sich nie einen Korb holte. Da er immer das gleiche Lokal besuchte fiel ihm bald eine zierliche und sehr gut aussehende Frau mit blonden Haaren auf, die er nach dem Tanz gern zu einem Cocktail einlud. Sie kamen sich schnell näher. Heidrun, wie die junge Frau hieß, übernachtete nach kurzer Zeit bei ihm und auch im Bett harmonierten sie, so dass sie ein gutes Jahr nach dem Tod von Bettina Hauswald bei ihm einzog. Heidrun hatte die Angewohnheit, bevor sie mit ihm schlief, sich nackt vor den großen Spiegel im Schlafzimmer zu stellen und sich darin zu betrachten, sie drehte sich davor und begutachtete sich.
Über ein Jahr nahm sich der König eine andere Gemahlin. Es war eine schöne Frau, aber sie war stolz und übermütig, und konnte nicht leiden, daß sie an Schönheit von jemand sollte übertroffen werden.
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