Es gibt auch solche, die vor allem Medien „herbeikonditionieren“. Beispielsweise wenn bei Kritikern der offiziellen 9/11-Version direkt an Spinner und Verschwörungstheoretiker gedacht wird; wenn bei Euro-Kritikern direkt an rückständige Nationalisten gedacht wird oder wenn bei Israel-Kritikern direkt an Antisemiten gedacht wird. George Orwell hätte dieses Phänomen wohl „Gedankenverbrechen“ genannt.
Ferner gibt es die durch eigene voreilige Schlüsse verschuldeten Vorurteile. Zum einen wäre die induktive Logik bzw. Verallgemeinerung zu nennen - man schließt vom Einzelnen auf das Allgemeine (oft in Bezug auf Gemeinschaften und Gesellschaften). Zum anderen gibt es Vorurteile, die aus vermeintlich Offensichtlichem geschlossen werden; Hintergründe und Zusammenhänge, die nicht sofort erkenntlich sind, werden völlig außer Acht gelassen (oberflächliches Denken). So kann man aus einigen Puzzleteilen ein ganzes Bild herbeidichten, abenteuerliche Schuldzuweisungen können entstehen usw.
Ein unmündiger Mensch gibt sich aber nicht alleine mit Vorurteilen zufrieden, sie sollen noch ständig bedient werden. Das erwartet er vor allem von der Berichterstattung in den Medien, um ja keine wertvolle Hirnleistung zu verschwenden. Was nicht dem Weltbild entspricht, dem wird aus dem Weg gegangen. Schubladendenken und Vorurteile - nieder damit! Tipp: Analyse statt Oberflächlichkeit.
Der eigene Glauben an eine bestimmte Ideologie, dazu zähle ich Religionen, ist äußerst emotionsgeladen, bedingungslos und nicht verhandelbar. Ob Liberalismus, Konservatismus, Kommunismus, Nazismus, die westliche Demokratie oder Religionen, die Anhänger sind an einer sachlich-kritischen Auseinandersetzung nicht interessiert und sorgen regelmäßig für Feindschaften und Konflikte aller Art, anstatt gemeinsam mit Argumenten der Wahrheit näher zu kommen.
Ideologien sind in sich geschlossene Systeme von Anschauungen, erheben einen Absolutheitsanspruch und sind dementsprechend nicht mit Pendants vereinbar. Der Absolutheitsanspruch bedeutet, dass die Ideologien statische Konstrukte sind und kaum durch neue Erkenntnisse weiterentwickelt werden. Da die Anhänger Ihre Ideologie(n) als vollkommen erachten, wenn auch unbewusst, sind sie nicht mit Verstand zu überzeugen. Nicht nur das: Sie entwickeln außerdem eine Intoleranz oder zumindest eine starke Abneigung gegen Andersartigkeit bzw. Widerspruch. Und mit der Zeit wird ein Ausstieg immer unwahrscheinlicher, weil die Anhänger ihr Gesicht wahren wollen (indem sie keine Eingeständnisse machen).
Wenn es an die Durchsetzung solcher Ideologien geht, müssen diese fast zwangsläufig gewaltsam durchgesetzt werden, da Argumente keine Rolle spielen und Kompromisse nicht möglich sind (Absolutheitsanspruch). Und genau das zeigt die Geschichte - Ideologiewechsel finden in der Regel nach Umstürzen, Zusammenbrüchen und Eroberungen statt. Auf der anderen Seite geben Ideologien vorgefasste Antworten auf schwierige Fragen, was eine ernsthafte Auseinandersetzung mit ihnen erspart, außerdem geben Ideologien den Leuten Halt und ein Gefühl der Zugehörigkeit sowie das Gefühl, für das einzig Wahre einzustehen. Doch dieses unreflektierte Unterwerfen führt erfahrungsgemäß zu nichts Gutem. Ideologien sind und waren rückblickend schon immer brandgefährlich; sie haben viel Leid über die ganze Welt gebracht, ganz einfach, weil sie dogmatisch und gegen die Vernunft gerichtet sind. Doch muss jeder letztlich selbst entscheiden, ob er frei denken will oder sich mit einem beschränkten Horizont zufriedengibt. Tipp: Frei statt befangen denken, indem man seine Grenzen im Denken aufspürt und überwindet.
Überlegenheitsglaube, Feindbilder und Intoleranz
Es gibt zwei Arten des Überlegenheitsglaubens - das der persönlichen Überlegenheit und das der Überlegenheit der eigenen Gemeinschaft. Im Wesen unterscheidet sich beides kaum. „Ich habe Recht, du nicht“, „wir sind besser“ usw. Der ich-bezogene Überlegenheitsglaube bezieht sich auf das eigene Wissen, die eigene Meinung, Weltanschauung, die Ideale, den Lebensstil etc. Das führt oft zu dem Glauben, man hätte Ahnung von etwas, ohne die geringste Ahnung zu haben. Zwei oder drei Berichte im Fernsehen und schon hält sich der „Überlegene“ für einen Experten und ist nicht mehr zu belehren. Der gruppenbezogene Überlegenheitsglaube, der Chauvinismus, wird fast nur im nationalistischen Kontext verwendet, faktisch gibt es ihn in verschiedenen Bereichen. Es gibt beispielsweise den politischen, kulturellen, religiösen und den sozialen Chauvinismus. Teilweise nimmt der Chauvinismus völlig absurde Züge an, wie beim Sportchauvinismus.
Der Glaube an die eigene Überlegenheit geht oft einher mit Feindbildern. Sei es eine Regierung, bestimmte Personen, Anhänger bzw. Feinde von etwas oder eine ganze Nation. Es ist aber wichtig zwischen „Feind“ und „Feindbild“ zu unterscheiden. Während es echte Feinde gibt, erschaffen Feindbilder nur den Anschein eines Feindes. Alles Mögliche wird zum „Feind“, nur der wahre Feind nicht, was nur der Ablenkung dient. Aktuell das wohl größte Beispiel: Westen gut, Russland böse.
Ein weiteres typisches Merkmal unmündiger Menschen, nicht nur im Zusammenhang mit Feindbildern oder Ideologien, ist die Intoleranz. Dabei lassen sie alles, was nicht zu den eigenen Vorstellungen von richtig und falsch passt, nicht gelten. Diese Geisteshaltung führt früher oder später immer zu Konflikten. Sogar die, die sich als liberal und tolerant präsentieren, unterscheiden sich darin oft nicht von ihren rechten Widersachern: Was außerhalb des eigenen Weltbilds liegt, wird ebenfalls nicht toleriert. Die Wurzeln dafür liegen im Schwarz-Weiß-Denken - es gibt nur richtig (eigene Meinung) und falsch (andere Meinungen). Also: Einfach mal Gleichheit und Toleranz für alle walten lassen, sogar für Andersdenkende. Tipp: Auf dem Boden der Tatsachen bleiben.
Die unmündigen Menschen haben weder ein echtes Interesse, ihren Verstand zu nutzen noch gegen den Strom zu schwimmen. Lieber bleibt man in der grauen Masse, passt sich an, um bloß nicht aus dem Rahmen zu fallen. Nach dem Motto: „Sag mir, was in Mode ist, und ich sage dir, was mir gefällt.“ Das ist der Weg des geringsten Widerstands. Konformismus, Denkverweigerung, Gleichgültigkeit, Ignorantentum, Prinzipienlosigkeit, Mitläufer- und Duckmäusertum - das alles bezeichne ich als Gleichschrittkultur. Es muss nicht einmal der Mainstream sein, es können ebenso alle möglichen politischen, religiösen und sonstigen Strömungen und Gemeinschaften sein (es kann sogar die eigene Familie sein). Die Angepassten hören auf - überspitzt gesagt - als Individuen zu existieren und werden zum Kollektiv, gehen in ihm auf. Sie denken nicht selbstständig - ganz zu schweigen vom Hinterfragen - und Auffassungen und Urteile entnehmen sie blind ihrer, nennen wir es Wertegemeinschaft. Ja sogar ihr Geschmack für Mode, Film, Musik, Literatur usw. ist fremdbestimmt. Kurz gesagt: Sie leben das, was man ihnen vorgibt. Der Mensch ist ein soziales Wesen, braucht also ein Zugehörigkeitsgefühl und Anerkennung, insofern ist dieses Verhalten auf psychologischer Ebene nachvollziehbar. Man möchte kein Ausgestoßener oder Außenseiter werden und das erreicht man durch Nachahmung garantiert. Für eine Diktatur genau das Richtige, doch eine Demokratie kann mit einer solchen Mehrheit nicht so existieren, wie es sich für eine Demokratie gehört. Leider sind heute die Menschen, die sich empört fragen, wie man damals Hitler unterstützen konnte, gleichzeitig meist die Menschen, die an vorderster Front für die Interessen der aktuellen Machthaber kämpfen, aber verbal und unbewusst. Tipp: Selbstbestimmte Individualität statt fremdbestimmter Einheitsbrei.
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