»Nach der Ukraina, zu den Hetmans durchzudringen, wird nicht möglich sein. Meiner Meinung nach müssen wir nach Warschau, – den König retten.«
»So gehen wir nach Warschau, aber schnell!« sagte Zagloba. »Doch, was ich sagen wollte; wenngleich unsere Namen dem Feinde Furcht einjagen werden, so werden wir drei allein nicht viel ausrichten können. – Ich würde daher raten, einen Aufruf zu erlassen, damit wir dem König wenigstens eine kleine Schar Freiwilliger zuführen können.«
»Wundern Sie sich nicht über meine Worte,« erwiderte Stanislaus, »aber nachdem, was geschehen, fühle ich einen solchen Abscheu vor Landwehrleuten, daß ich es vorziehen würde, allein zu gehen, als mit einer Menge von Leuten, die vom Krieg keine Ahnung haben.«
»Jan, du kannst wohl bezeugen, daß ich meiner guten Einfälle wegen eng mit dem Fürsten Jeremias befreundet war. Du weißt ja, wie oft dieser große Feldherr meinem Rate folgte, und er kam immer auf seine Kosten dabei.«
»Sagen Sie nur schnell, was Sie meinen, Väterchen, die Zeit eilt,« sagte Jan.
»Was ich sagen wollte? Wozu sollen wir aufs Geratewohl nach Warschau gehen? Vielleicht ist Seine Majestät der König schon nach Krakau, Lemberg oder Litauen abgereist. Ich rate, daß wir uns ohne Zögern unter die Fahnen des Groß-Hetmans von Litauen, des Fürsten Janusz Radziwill, stellen. Er ist ein guter und kriegerischer Pan. Dort werden wir auch Pan Michail Wolodyjowski finden. Wenn mein Rat schlecht ist, so soll mich irgend ein Schwed' an den Haaren in die Gefangenschaft schleppen.«
»Wer weiß,« antwortete lebhaft Jan, »vielleicht wird es wirklich so besser sein.«
»Dann können wir auch die Kinder und Helene begleiten, da wir doch so wie so durch die Heide müssen.«
»Und wir werden in einem richtigen Heere dienen, nicht mit Landwehrsoldaten zusammen.« fügte Stanislaus hinzu.
»Und kämpfen werden wir, nicht brüllen, wie auf dem Landtage.«
»Du, Stanislaus, wirst in Wolodyjowski den tapfersten Ritter der Republik kennen lernen, meinen besten Freund. Und jetzt wollen wir zu Helene; Ich muß ihr sagen, daß sie alles zur Reise bereit halten soll.«
»Weiß sie vom Kriege?« fragte Pan Zagloba.
»Sie weiß schon. Stanislaus hat in ihrer Gegenwart alles erzählt. Die Arme weinte bittere Tränen. Als ich ihr aber sagte, daß die Pflicht fordert, daß ich gehe, da sprach sie: »So gehe mit Gott!«
»Am liebsten möchte ich schon morgen reisen,« rief Zagloba.
»Morgen bei Tagesanbruch soll auch die Reise losgehen. Heute schon werden wir Wagen mit Proviant vorausschicken. Es ist ein Jammer, wenn man so aus seinem schönen, warmen Nest heraus muß! Aber es ist Gottes Wille. Wir wollen nur gleich unsere Vorbereitungen treffen.«
An demselben Abend verließen mehrere Proviantwagen den Hof, und am nächsten Morgen folgte ihnen eine Kalesche, in der Helene, die Kinder und eine alte Wirtschafterin saßen. Die beiden Skrzetuskis, Zagloba und fünf Diener ritten neben dem Fuhrwerk.
Am sechsten Tage erreichten die Reisenden die Heide. Damals nahm die Bialowiczer Heide mehrere Quadratmeilen ein und verschmolz auf der einen Seite mit zwei anderen Heiden, auf der anderen mit den preußischen Wäldern.
Nicht viele betraten diese finstere Wildnis, in der ein Fremder sich verlaufen und umherirren konnte, bis er vor Müdigkeit niederfiel und ein Opfer der wilden Tiere wurde. Nachts erscholl hier das Gebrüll der Auerochsen und Bären zugleich mit dem Geheul der Wölfe und dem heiseren Schreien der Luchse. Durch das Dickicht führten kaum betretene Fußwege an Abhängen, Sümpfen und toten Seen vorbei zu den vereinzelt liegenden Häusern der Bienenzüchter und Teersieder, die oft ihr ganzes Leben lang die Heide nicht verließen. Nur einen breiten Weg gab es hier, der nach Bialowicz selbst führte, und den die Könige zu ihren Jagdfahrten benutzten. Auf diesem Wege gelangten auch die Skrzetuskis nach Bialowicz.
Pan Stabrowski, ein alter Junggeselle, empfing seine Gäste mit offenen Armen. Die Nachricht von dem Kriege betrübte ihn sehr; denn noch hatte Stabrowski nichts Bestimmtes davon gehört. Es kam vor, daß ein Krieg in der Republik wütete, daß ein König starb, ohne daß die Heidebewohner davon Kunde erhielten.
»Es wird dir hier fürchterlich langweilig werden,« sagte Pan Stabrowski zu Helene, »aber nirgends seid Ihr sicherer aufgehoben, als wie hier. Es ist leichter, die ganze Republik zu erobern, als diese Heide. Schon zwanzig Jahre lebe ich hier; aber noch heute kenne ich sie nicht ganz. Viele Stellen sind undurchdringlich; nur wilde Tiere und böse Geister hausen in ihnen.«
Jan Skrzetuski war ungeheuer froh, daß er für seine Familie eine so sichere Zufluchtsstätte gefunden hatte. Vergebens versuchte Stabrowski die Ritter zu einem kürzeren Aufenthalt in der Heide zu bewegen. Nachdem sie übernachtet hatten, traten sie ihre weitere Reise durch das Waldlabyrinth an, von einem Führer, den ihnen der Jagdmeister mitgegeben hatte, geleitet.
Als Jan Skrzetuski mit seinem Vetter und dem Pan Zagloba in Upita anlangte, verlor Pan Michail Wolodyjowski fast den Verstand vor Freude, um so mehr, da er schon lange von seinen alten Waffengenossen nichts gehört hatte und geglaubt hatte, daß Jan Skrzetuski sich mit seinem königlichen Banner irgendwo in der Ukraina befände.
Er umarmte die Ankommenden der Reihe nach, drückte ihnen die Hände und fiel ihnen wieder um den Hals. Als sie ihm dann erzählten, daß sie unter dem Fürsten Radziwill kämpfen wollten, hatte Michails Freude keine Grenzen.
»Gott sei Dank, daß die alten Zbarazer wieder beisammen sind!« wiederholte er immer. »Es kämpft sich besser, wenn man seine Freunde um sich weiß!«
»Das war mein guter Gedanke,« sagte Pan Zagloba. »Sie wollten zum Könige ziehen, aber ich sagte zu ihnen: Warum sollten wir und Pan Michail nicht die alten Zeiten wieder heraufbeschwören? Wenn es uns alles so glückt wie im Kriege gegen die Kosaken und Tataren, so werden wir bald mehr als einen Schweden auf dem Gewissen haben.«
»Gott allein hat Ihnen die Idee eingegeben,« sagte Pan Michail. »Seit zwei Monaten werden auf Befehl des Fürsten Wojewoden, der anscheinend von dem Kriege seit langem unterrichtet ist, Regimenter gebildet. Außer mir sind mit diesem Amte noch Stankiewicz und ein gewisser Kmicic, Fahnenträger von Orsza, betraut. Kmicic ist bereits fertig und ist schon mit seinem Banner in Kiejdane eingetroffen.«
»Kennst du den Fürsten Wojewoden von Wilna?« fragte Jan.
»Wie sollt' ich den nicht kennen? Ich habe die ganzen Feldzüge unter seiner Führung mit durchgemacht. Er ist ein berühmter Kriegsmann und fast der beste Anführer in der Republik nach dem Tode des Fürsten Jeremia. Ich glaube, er wird nicht erst lange auf die Schweden warten, sondern er wird ihnen entgegengehen.«
»Ja,« sagte Zagloba, wir besuchten beide dieselbe Schule. Ich habe ihm oft seine Aufsätze gemacht. Er liebte schon damals vor allem den Krieg und zog meine Gesellschaft jeder anderen vor, weil auch mir Pferd und Lanze besser gefielen, als die lateinischen Verben.«
Wolodyjowski begann Pan Stanislaus Skrzetuski über alles auszufragen, was sich bei Ujscie zugetragen hatte. Er hörte eifrig zu und strich mit der Hand nachdenklich durch seine Haare. Schließlich, als Stanislaus geendet hatte, sagte er:
»Zu so etwas ist unser Radziwill nicht fähig. Stolz ist er wie der Satan, und anscheinend hält er kein Geschlecht in der ganzen Republik dem seinigen für ebenbürtig. Widerspruch verträgt er überhaupt nicht. – Es ist wahr, er zürnt dem Könige, weil er ihm nicht gleich den Hetmansstab für Groß-Litauen verliehen hat. Er hält treu an der calvinistischen, gottlosen Lehre; er unterdrückt die Katholiken, wo er kann; er beruft ketzerische Zusammenkünfte, – das ist ja alles wahr. Aber ich bin bereit zu schwören, daß er seinen letzten Blutstropfen opfern wird, ehe er eine solche Kapitulation, wie die bei Ujscie, unterzeichnen würde. Wir werden einen langwierigen Krieg zu führen haben; doch kein Bücherwurm wird uns befehligen, sondern ein echter Krieger.«
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