Titelseite Henryk Sienkiewicz Sintflut Historischer Roman
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Henryk Sienkiewicz
Sintflut
Historischer Roman
Erster Band
Erstes Buch
Einleitung
In Smudien lebte das Adelsgeschlecht der Billewicz', das in der ganzen Gegend von Rosien sehr geachtet wurde und mit dem höchsten Adel des Landes eng verwandt war. Im Staatsdienste hatten die Billewicz' nicht die ersten Stufen erklommen, aber auf dem Kriegsfelde leisteten sie dem Vaterlande große Dienste und erhielten dafür freigiebig viele Auszeichnungen. Ihr Stammsitz, der noch heutigen Tages unversehrt ist, hieß auch Billewicze, aber sie besaßen außerdem noch viele Güter; in der Gegend von Rosien, auf dem Wege nach Krakinowo, längs der Lauda, Szoja, Niewiaza, bis hinter Poniewiez erstreckten sich ihre Besitztümer. Die Billewicz' waren so reich und nahmen eine so angesehene Stellung ein, daß selbst die in Litauen und Smudien lebenden Radziwills mit ihnen rechnen mußten.
Das Familienoberhaupt aller Billewicz' war Heraklus Billewicz, der zur Zeit Johann Kasimirs Oberst und Kammerherr von Upita war. Er wohnte nicht auf seinem Stammgute, das damals im Besitz von Tomasz Billewicz war. Heraklus gehörten die an der Lauda liegenden Domänen Wodokty, Lubicz und Mitruni. In der ganzen Umgegend des Flusses wimmelte es von kleinen Besitzungen des in der Geschichte Smudiens berühmt gewordenen Laudaer Adels.
Alle Laudaer Adligen dienten im Banner des alten Heraklus je nach ihrem Vermögen mit ein oder zwei Pferden. Sie liebten alle das Kriegshandwerk und interessierten sich sehr wenig für die Verhandlungen des Landtages. Es genügte ihnen zu wissen, daß der König in Warschau, Pan Radziwill und Pan Hliebowicz, der Starost, in Smudien und Pan Billewicz in Wodokty lebten. Sie stimmten, wie Pan Billewicz es wünschte, da sie überzeugt waren, daß er ein gleiches wolle wie Pan Hliebowicz, der wiederum mit Pan Radziwill übereinstimmte, der in Litauen und Smudien Vertreter des Königs war; der König aber ist der Gatte der Republik, der Vater des Adelsstandes.
An der ganzen Ostgrenze der Republik entbrannte im Jahre 1654 ein furchtbarer Krieg. Pan Billewicz zog seines hohen Alters wegen nicht mehr in den Kampf, aber alle Laudaer zogen ins Feld. Und da, als die Nachricht kam, daß Hetman Radziwill bei Szklow eine schreckliche Niederlage erlitten und das ganze Laudaer Banner beim Angriff der französischen Söldner fast völlig vernichtet worden war, gab der alte Oberst, vom Schlage gerührt, seinen Geist auf.
Niedergeschlagen, abgemattet und ausgehungert kehrten die Reste der Laudaer in die Heimat zurück, geführt von einem jungen, aber schon berühmt gewordenen Krieger, Pan Michail Wolodyjowski, der an Stelle Pan Heraklus' die Leute von Lauda geführt hatte. Alle waren erbittert über den Hetman, der, blindlings dem Ruhme seines Namens trauend, sich mit ungenügenden Kräften auf den so zahlreichen Feind geworfen und dadurch das ganze Heer und das ganze Land ins Verderben gestürzt hatte.
Gegen den jungen Oberst Michail Wolodyjowski aber erhob sich keine Stimme. Im Gegenteil, diejenigen von Lauda, die der Vernichtung entgangen waren, hoben ihn bis zum Himmel und erzählten wahre Wunder von seinen Heldentaten und seiner Kriegskunst. Mit Trauer, aber zugleich mit Stolz, hörten alle die, die erst bei Einberufung des Landsturmes sich stellen mußten, diese Erzählungen, und man war entschlossen, falls der Landsturm einberufen werden sollte, wie man allgemein erwartete, einstimmig Pan Wolodyjowski zum Rittmeister des Laudaer Heeres zu wählen. Man wußte, daß man keinen besseren Führer finden konnte. Ganz Lauda trug ihn auf Händen, man riß sich um die Ehre seines Besuches. Von Gut zu Gut mußte er wandern, bis er sich endlich bei Pakocz Gasztowt in Pacunele häuslich niederließ.
Nachdem Heraklus Billewicz beigesetzt worden war, wurde sein Testament eröffnet. Der alte Oberst hatte seine Enkelin Panna Alexandra Billewicz zur Universalerbin all seiner Güter, ausgenommen des Gutes Lubicz, ernannt, und sie selbst bis zu ihrer Verheiratung der Vormundschaft des gesamten Laudaer Landadels unterstellt.
»... Alle, die mich liebten, – so lautete sein Testament, – und die Gutes mit Gutem vergelten wollen, möchte ich bitten, ebenso der Waise gegenüber zu handeln und sie in meinem Namen vor jeglichem Unglück zu behüten. Da in dieser gegenwärtigen Zeit sich niemand vor menschlicher Gewalt sicher fühlen kann, so sollen alle danach trachten, daß meine Erbin ungehindert die Nutznießung aller der ihr vermachten Güter behält. Ausgenommen ist das Landgut Lubicz, das ich Pan Kmicic, dem jungen Bannerherrn von Orsza, vermache. Damit sich aber niemand über mein Wohlwollen dem Pan Andreas Kmicic gegenüber wundere, so wisse jeder, daß ich seit langen Jahren bis zum Tode die brüderliche Liebe des alten Kmicic genossen habe. Seite an Seite focht er mit mir und rettete mir mehrmals das Leben. Vor vier Jahren ging ich, Heraklus Billewicz, Kammerherr von Upita, der jetzt vor dem schrecklichen Richterstuhle Gottes steht, zum alten Pan Kmicic, um ihm meine Dankbarkeit und herzliche Zuneigung zu bezeugen. Wir beide kamen dort überein, den alten christlichen und Adelstraditionen folgend, daß unsere Kinder, sein Sohn Andreas und meine Enkelin Alexandra, sich ehelichen sollten. Dies wünsche ich von Herzen und erwarte, daß sich meine Enkelin Alexandra meinem hier kundgetanen Willen unterwerfen werde. Es sei denn, was Gott verhüten möge, daß der Fahnenträger von Orsza seinen Ruf durch schändliche Taten beflecke und für ehrlos erklärt worden sei. Falls er aber seiner Güter verlustig ginge und auch auf Lubicz verzichtete, so muß ihn trotzdem meine Enkelin heiraten. –
Einzig und allein, wenn meine Enkelin durch besondere Gnade Gottes und zu seinem Ruhme ihre Jungfräulichkeit bewahren und Nonne werden will, so soll man ihr keine Hindernisse in den Weg legen; denn Gottesdienst steht vor Menschendienst.«
So hatte Pan Heraklus Billewicz über sein Hab und Gut und seine Enkelin verfügt, und niemand wunderte sich darüber. Panna Alexandra wußte schon lange, was ihrer harrte, und auch der Landadel kannte die Freundschaft zwischen Billewicz und Kmicic. Endlich waren auch die Gemüter in dieser Zeit durch ernstere Dinge beschäftigt, so daß man bald aufhörte, vom Testamente zu reden.
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