»Ich habe doch nur Ihr Bild gekannt! Ich werde diesen Taugenichts von Maler mit Teer begießen und dann mit Federn beschütten und auf dem Markt zu Upita herumführen lassen. – Ich werde ganz aufrichtig zu Ihnen sein: Wollen Sie mir vergeben? Vergeben Sie? – Nein? – So reißen Sie mir den Kopf herunter. – Als ich Ihr Bild sah, dachte ich, häßlich ist sie nicht; aber solche laufen eine Menge in der Welt umher, – es hat also keine Eile. Mein seliger Vater drängte, ich solle herreisen. Ich aber blieb dabei, es hat Zeit. Die Pannas gehen nicht in den Krieg und kommen um. Gott ist mein Zeuge. Ich widersetzte mich nicht ganz dem väterlichen Willen, aber ich wollte erst an der eigenen Haut den Krieg spüren. Jetzt erst sehe ich, wie dumm ich war! Konnte ich nicht auch verheiratet in den Krieg ziehen! Und welch ein Glück hier meiner harrte! – Gott sei Dank, daß man mich nicht hingeschlachtet hat! Gestatten Sie, Panna, daß ich Ihnen die Hand küsse.«
»Ich werde es lieber nicht gestatten.«
»So werde ich erst gar nicht fragen. Bei uns in Orsza sagt man: Bitte, und gibt man nicht, so nimmt man von selbst.«
Pan Andreas drückte auf Alexandras Hand einen langen Kuß, und die Panna, um nicht unliebenswürdig zu scheinen, sträubte sich nicht.
In der Tür erschien Panna Kulwiec, und als sie sah, was vorging, schlug sie die Augen gen Himmel. Diese Vertrautheit gefiel ihr nicht, aber sie fürchtete, ihre Unzufriedenheit zu zeigen. Sie bat die beiden zum Abendessen zu kommen.
Im Speisezimmer brach der Tisch fast unter der Last der verschiedenen Gerichte und der mit Schimmel bedeckten Flaschen. Die jungen Leute waren in guter Stimmung, froh und glücklich. Die Panna hatte schon vorher zu Abend gegessen. Pan Kmicic aber aß jetzt mit demselben Eifer, mit dem er zuvor von seiner Liebe gesprochen.
Alexandra sah ihn von der Seite an; sie freute sich, daß es ihm so gut schmeckte.
»Kommen Sie jetzt aus der Gegend von Orsza?« fragte sie.
»Weiß selbst nicht woher. – Heute bin ich hier, morgen dort. Ich schlich mich so dicht an den Feind heran, wie der Wolf an die Schafherde. Und was ich ihr entreißen konnte, das habe ich ihr entrissen.«
»Und Sie haben es gewagt, mit einer Macht zu kämpfen, der selbst der Groß-Hetman weichen mußte?«
»Natürlich habe ich das gewagt. Ich gehe auf alles drauf los. Das ist so meine Natur.«
»Dasselbe erzählte mir auch der selige Großvater.... Es ist nur ein Glück, daß Sie dabei nicht umkamen.«
»Ha, mit Mütze und Helm hat man mich zugedeckt, wie den Vogel im Netz. Heidi! weg war ich. – Ich habe ihnen so mitgespielt, daß sie auf meinen Kopf einen Preis setzten! – Was für einen großartigen Met Sie hier haben!«
»Im Namen des Vaters und des Sohnes!« rief Alexandra mit Schrecken aus und sah voll Bewunderung den Jüngling an, der in einem Atem von dem Preise auf seinen Kopf und dem Met redete. »Sie hatten wohl tüchtige Kräfte zur Seite?« fuhr sie fort.
»Natürlich, ich hatte tüchtige Dragoner; aber im Laufe eines Monats hat man sie mir alle getötet. Dann fing ich mit Freiwilligen an, die ich, ohne wählerisch zu sein, an allen Orten sammelte. Gute Jungens für den Krieg, aber Erzhalunken. Diejenigen, die mit heiler Haut aus dem Krieg kommen, werden alle früher oder später ein Leckerbissen für die Krähen.« Pan Andreas lachte laut und leerte seinen Becher. »Solche Galgenstricke haben Sie noch nie zu Gesicht bekommen. Die Offiziere sind alles Adlige aus guter Familie; was tut's, daß ein jeder von ihnen mit dem Strafrichter in Konflikt lebt. Jetzt habe ich sie in Lubicz gelassen. Meine Soldaten aber habe ich in Poniewiez und in Upita einquartiert.«
»Und wo trafen unsere Laudaer Leute Sie?«
»Ich wäre auch ohne diese hierher gekommen; denn ich war schon auf dem Wege nach Poniewiez.«
»Haben sie Ihnen von des Großvaters Tode und seinem Testament gesprochen?«
»Sei Gott ihm gnädig, meinem Wohltäter. Haben Sie mir die Boten geschickt?«
»Ganz und gar nicht. Ich lebte nur meinem Schmerze.«
»So erzählten sie mir. – Was für ein stolzes Völkchen diese Laudaer Bauern sind! Ich wollte ihnen ihre Bemühungen belohnen, da fuhren sie hoch und meinten: der Adel vom Orszagau nähme vielleicht Almosen, Laudaer Edle aber nicht! – Ich aber dachte bei mir, wollt ihr kein Geld, so werde ich euch hundert Stockschläge verabreichen lassen.«
Panna Alexandra schlug die Hände über den Kopf: »Jesus, Maria! Und haben Sie das getan?«
Kmicic sah sie verwundert an. »Beruhigen Sie sich, ich habe es nicht getan, obgleich mir die Galle überläuft beim Anblick solcher Edelleute, die sich dünken, uns gleich zu sein. Ich fürchtete aber, sie würden mich bei Ihnen verklatschen und anschwärzen.«
»Das ist ein großes Glück,« sagte Alexandra, tief Atem holend. »Sonst hätte ich Sie nie sehen mögen.«
»Und warum das?«
»Unser Adel ist nur klein, aber alt und berühmt. Mein Großvater liebte ihn und führte ihn in den Krieg sein Leben lang. In Friedenszeiten verkehrte er in seinem Hause. Auch Sie müssen diese alten Bande heilig halten. Sie werden nicht das Herz haben, die Eintracht, in der wir bisher lebten, zu zerstören!«
»Und ich Ahnungsloser, davon habe ich nichts gewußt. Ich muß Ihnen gestehen, dieser barfüßige Adel will mir nicht recht in den Sinn. – Bei uns ist Bauer eben Bauer. Die Adligen sind aus angesehener Familie, die nicht zu zweien das Roß besteigen. Bei Gott! Solche Habenichtse sollten sich nicht mit denen von Kmicic' und Billewicz' vergleichen, ebensowenig wie der Gründling mit dem Hecht, obwohl beide Fische sind.«
»Großvater sagte: »Reichtum bedeutet nichts im Vergleich zur Ehrlichkeit.« Und es sind alles würdige Leute. Großvater hätte sie sonst nicht zu meinen Vormündern bestellt.«
Pan Andreas riß vor Erstaunen die Augen weit auf.
»Die – hat der Großvater zu Ihren Vormündern ernannt!? – Die ganze Laudaer Schlachta?«
»Ja, und Sie haben durchaus keine Ursache, verdrießlich zu sein; des Verstorbenen Wille ist Gesetz. – Ich wundere mich nur, daß Ihnen die Boten dies nicht gesagt haben.«
»Ich würde sie! – Aber nein, es kann ja nicht sein; es gibt doch hier viele Adlige, und sie alle sollten Ihre Berater sein! Vielleicht der ganze Landtag auch! Und sie werden über mich zu Gericht sitzen, ob ich ihnen recht bin oder nicht. Ei, scherzen Sie nicht, Panna! Das Blut siedet in mir!«
»Pan Andreas, ich scherze nicht. Was ich sage, ist heilige, aufrichtige Wahrheit! Sie werden Ihretwegen nicht den Landtag einberufen, und wenn Sie sie nicht durch Ihren Stolz verletzen, so werden Sie zugleich ihnen und mir einen Gefallen tun. Sie und ich, wir werden Ihnen unser Leben lang dankbar sein.«
Ihre Stimme zitterte, ihre Brauen waren hochgezogen.
Er brach nicht in Zorn aus, obwohl es auf seinem Gesicht verräterisch zuckte. Schließlich sagte er hochmütigen Tones:
»Das habe ich nicht erwartet. Ich achte den Willen des Seligen, aber ich meine, der Herr Kammerherr hat diesen verbauerten Adel nur bis zu meiner Ankunft zu Ihren Vormündern bestimmt. Sobald mein Fuß aber diese Schwelle betreten hat, wird niemand außer mir Ihr Vormund sein. – Nicht nur diese Habenichtse, selbst die Fürsten Radziwill haben hier nichts zu suchen.«
Panna Alexandra wurde ernst; nach kurzem Schweigen sagte sie:
»Es ist nicht schön, daß Sie so hochmütig sind. – Ich sehe hier nur einen Weg: entweder Sie erkennen Großvaters Vermächtnis bedingungslos an, oder sie verwerfen es ganz, einen anderen Weg gibt es nicht! Die Laudaer werden sich Ihnen nicht aufdrängen. Es sind gute, ruhige Leute, die Ihnen nicht zur Last fallen werden. Ich denke, diese Vormundschaft wird uns nie bedrücken.«
Er schwieg einen Augenblick.
»Es ist wahr, die Hochzeit wird ja alledem ein Ende machen. Hier gibt's nichts zu streiten. Sie sollen mir nur nicht in die Quere kommen; denn ich schwöre, ich werde mir nicht auf der Nase herumtanzen lassen. Gestatten Sie mir nur, die Hochzeit zu bestimmen, das wird das beste sein.«
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