Der dicke Mann nahm den Hut ab, trocknete sein rotes Gesicht und fügte hinzu:
»Trubeckoi und Dolgoruki in Litau, Chmielnicki in der Ukraina, und wir marschieren in Groß-Polen ein. – So weit hat es die Regierung Jan-Kasimirs gebracht!«
Wittemberg warf einen zweifelhaften Blick auf ihn und fragte:
»Und Sie freut das alles?«
»Ich freue mich, daß die mir zugefügte Beleidigung gerächt werden wird.«
Der Mann, der sich mit Wittemberg unterhielt, war Jeronimus Radziejowski, der frühere Unter-Kanzler Polens.
»Oxenstiern ist noch immer nicht zu sehen,« sagte Wittemberg, »Wer weiß, ob Ihr Rat gut war, ihn als einfachen Trompeter verkleidet nach Ujscie zu senden.«
»Er war gut,« entgegnete Radziejowski. »Er wird sich das Lager und die Führer ansehen und erfahren, was man dort über uns denkt. – Ein einfacher Soldat konnte das doch nicht leisten.«
»Was aber, wenn man ihn erkennt?«
»Auch dann wird ihm nichts Böses zustoßen, – man wird ihm noch was auf den Weg mitgeben. – Ich kenne die Polen; sie sind zu allem bereit, wenn sie sich vor anderen von der guten Seite zeigen können, um von Fremden gelobt zu werden.«
»Und was denken Sie, werden unsere Briefe Eindruck machen?«
Radziejowski lachte.
»Wenn Sie mir gestatten, Prophet zu sein, so werde ich Ihnen genau voraussagen, wie es da beim Empfang Ihrer Briefe zugehen wird. – Der Pan Wojewod von Posen, ein politischer und gelehrter Mann, wird Ihnen Ihren Brief fein und sehr höflich beantworten. Er wird schreiben, daß er bereit wäre, für sein Vaterland den letzten Tropfen Blut zu vergießen, daß der Tod besser als Unehre sei, und noch andere Redensarten mehr. Im Ernst aber denkt er gar nicht daran, für sein Vaterland zu sterben; denn er liebt nur, es mit der Feder zu verteidigen. Zum Schluß wird er Ihnen Gesundheit und gute Erfolge wünschen; er wird Ihnen seine Ergebenheit versichern, und Sie bitten, seine und seiner Verwandten Güter zu verschonen, wofür er Ihnen seine und seiner Verwandten Erkenntlichkeiten versprechen wird.«
»Nun wohl, aber welches praktisches Resultat werden unsere Briefe haben?«
»Daß alle dort ganz den Kopf verlieren, daß die Pans und Senatoren mit uns in Unterhandlung eintreten werden, und daß wir nach einigen Schüssen in die Luft ganz Groß-Polen besetzen.«
»Hoffen wir, daß Sie ein guter Prophet sind!«
»Ich bin überzeugt, daß alles so sein wird. – Bei uns stellt jeder die eigenen Interessen höher als die Integrität der Republik. Der Boden, auf dem wir jetzt stehen, ist Eigentum der Opalinskis, Grudzinskis und Czarnkowskis, und da diese gerade bei Ujscie stehen, so werden sie unwillkürlich sehr nachgiebig sein bei den Verhandlungen.«
»Sie erweisen dem Könige durch Ihre Kenntnis des Landes und der Leute unschätzbare Dienste, die Ihnen sicherlich nicht unbelohnt bleiben werden.« – – –
Einige Tage, bevor die schwedischen Truppen die Grenze überschritten hatten, war im polnischen Lager der schwedische Trompeter mit den Briefen von Wittemberg und Radziejowski erschienen. Man führte ihn zum Wojewod von Posen.
Nachdem dieser den Brief gelesen hatte, begann man zu beratschlagen. Den Trompeter überwies man den Adligen mit dem Befehl, ihn nach echt ritterlicher Art zu bewirten. Und die Schlachta trank demgemäß mit ihm auf Leben und Tod.
Pan Skoraszewski, dem das Benehmen des Trompeters zu ritterlich vorkam, äußerte den Verdacht, daß der Schwede ein verkleideter, höherer Offizier sei; aber der Wojewod wollte nichts von der Gefangennahme des Trompeters wissen.
Der Trompeter unterhielt sich unterdessen in gebrochenem Deutsch mit dem Teil der Schlachta, der durch seine Beziehungen mit preußischen Städten ihn verstand. Er sprach von Wittembergs Siegen in den verschiedenen Ländern, von der großen Streitkraft, die geradeswegs auf Ujscie zu marschierte und von den ungewöhnlich weittragenden Geschützen, denen nichts widerstehen konnte. Die Schlachta war äußerst betroffen. Im Lager erzählte man bald von den Schweden Geschichten, eine ungeheuerlicher als die andere.
Das Beraten der Antwort dauerte bis zum Tagesanbruch. Inzwischen brachte Stanislaus Skrzetuski die Nachricht, daß die Schweden nur einen Tagesmarsch weit entfernt seien. Die Unordnung, die nun entstand, war unbeschreiblich. Alle Bemühungen der Rittmeister, Ruhe zu schaffen, waren umsonst. In diesem Augenblicke hätte ein einziger feindlicher Kanonenschuß genügt, um eine fürchterliche Panik hervorzurufen.
Allmählich fing man an sich zu beruhigen, und zur Mittagszeit bot das Lager einen wirklich imposanten Anblick.
Infanterie und die Reiterei nahmen regimenterweise Aufstellung, die Kanonenlunten waren angezündet und rauchten.
Endlich war man auch mit der Antwort fertig, die mehr oder weniger der Voraussagung Radziejowskis entsprach. Der Posener Wojewod befahl dem Skoraszewski und Skrzetuski, sich an die Spitze einer freiwilligen Schar zu stellen und die Umgegend zu rekognoszieren. Nach einigem Zögern boten sich fünfhundert freiwillige Reiter dazu an. Mit Skoraszewski und Skrzetuski an der Spitze überschritten die Reiter den Fluß und verschwanden bald aus dem Gesichtskreise der anderen. Gegen Abend kehrten sie zurück brachten einige Dutzend gefangene Infanteristen mit sich. Die Schlachta lief den Reitern entgegen und rief: »Vivat Skrzetuski! Vivat Skoraszewski!«
Eine dichte Menge umringte bald die Gefangenen.
Man besah sie sich, man fragte, wie man sie gefangen genommen hatte; einige stießen auch Drohungen gegen sie aus.
»Brave Kerle sind's,« erzählte einer der Freiwilligen, »haben sich tapfer verteidigt. Aber schließlich sind sie doch nicht aus Eisen; einem Säbelhieb widerstehen sie auch nicht.«
»Sie konnten euch also nicht widerstehen?«
Dieser Vorgang ermutigte sichtlich die Schlachta; wenn man ihr jetzt befohlen hätte, sich auf den Feind zu stürzen, so wäre sie mutig drauf losgegangen. – Noch war aber der Feind nicht da, und anstatt seiner kam ein zweiter Gesandter Wittembergs mit einem Briefe. Wittemberg forderte die Schlachta auf, sich freiwillig zu ergeben. Als die Truppen dies erfuhren, wollten sie sich vor Zorn darüber an den Boten vergreifen, aber die Wojewoden hielten den Inhalt des Briefes doch einer Beratung wert.
Der schwedische General teilte unter anderem mit, daß Karl-Gustav seinem Verwandten Jan-Kasimir Hilfstruppen gegen die Kosaken sende, und daß sich die Schlachta deshalb ohne Widerstand zu ergeben habe. Pan Grudzinski schlug vor Empörung mit der Faust auf den Tisch. Der Posener Wojewod aber besänftigte ihn sogleich durch die Frage:
»Glauben Sie denn an einen Sieg? Wieviel Tage, meinen Sie, können wir Widerstand leisten?«
Nach einer langen Beratung beschloß man, gar nicht zu antworten und sich abwartend zu verhalten.
Bald kam die Nachricht, daß das schwedische Heer sich nahe. Im Lager ging es zu wie in einem Bienenstock vor dem Schwärmen.
Skoraszewski ritt mit mehreren hundert Freiwilligen voraus, um sie an den Anblick des Feindes zu gewöhnen. Als sie den Fluß überschritten hatten, sahen sie die Schweden wie eine schwarze Linie am Horizont; sie tauchten vor ihnen auf wie ein plötzlich aus dem Boden gewachsener Wald. Der Feind kam naher und näher und nahm eine immer größere Fläche der Ebene ein.
Die Schlachta vermutete, daß die Schweden ihnen Freiwillige entgegenschicken würden; statt dessen bemerkte sie auf den naheliegenden Hügeln Gruppen von je zehn Menschen, die irgend etwas vornahmen. Skoraszewski kommandierte deshalb:
»Linksum kehrt!«
Kaum verhallten die Kommandoworte, als ein Schuß fiel, gleichzeitig vernahm man Geschrei und Gestöhn der Verwundeten.
»Halt!« rief Pan Wladislaw Skoraszewski.
Die Schweden feuerten weiter, und jeder Schuß rief neues Geschrei hervor. Die Schlachta verweigerte den Gehorsam, wich zurück und flehte Gott um Hilfe an. Schließlich zerstreuten sich die Reiter und sprengten vereinzelt dem Lager zu.
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