»Das ist recht!« rief Zagloba, »mehr wollen wir auch nicht.«
»Außerdem,« fügte Wolodyjowski hinzu, »ist anzunehmen, daß die Schlachta sich hier in großer Zahl einfinden wird. Ich habe den Befehl bekommen, mein Banner bereit zu halten und mich selbst nach Kiejdane zu begeben.«
Pan Wolodyjowski öffnete eine Schatulle, nahm den Befehl heraus und las ihn seinen Freunden vor:
»Pan Oberst Wolodyjowski! Mit großer Freude erhielten wir Ihren Bericht, daß Ihr Banner schon marschbereit sei. Seien Sie auf der Hut und stets in Bereitschaft. Kommen Sie selbst möglichst schnell nach Kiejdane, wo wir Sie mit Ungeduld erwarten. Sollten irgend welche Gerüchte zu Ihnen dringen, so schenken Sie ihnen keinen Glauben, als bis Sie alles von mir selbst gehört haben. Wir werden stets so handeln, wie wir es uns selbst, Gott und unserem Gewissen schuldig sind, ohne uns von der Bosheit und dem Haß unserer Feinde beeinflussen zu lassen. Zugleich trösten wir uns damit, daß eine Zeit heranbricht, in der es sich herausstellen wird, wer ein wirklicher Freund des Hauses Radziwill ist, und wer bereit ist, diesem Hause in »rebus adversis« zu dienen. Kmicic, Riewiarowski und Stankiewicz haben ihre Banner schon hierher geführt, das Ihrige möge in Upita verbleiben. Vielleicht werden Sie sich zu unserem Vetter, dem Fürsten Boguslaw, begeben müssen, der auch eine bedeutende Streitmacht zusammengezogen hat. Alle Einzelheiten hierüber werden Sie bei unserer persönlichen Zusammenkunft erfahren. Bis dahin überlassen wir Ihrem Eifer die persönliche Ausführung unserer Befehle und erwarten Sie in Kiejdane.
Janusz, Fürst Radziwill, Wilnaer Wojewod, Litauischer Groß-Hetman.«
»Es ist doch eigentümlich,« sagte Jan Skrzetuski, »daß er von einer Treue zum Hause Radziwill spricht, anstatt von einer zum Vaterlande. Das ist doch wirklich viel mehr wert als das Haus Radziwill, und es bedarf schneller Hilfe.«
»Das ist so einmal die Manier aller Magnaten,« antwortete Wolodyjowski, »obwohl auch mir das gleich nicht gefallen hat. Ich diene doch dem Vaterlande und nicht den Radziwills.«
»Wann hast du den Brief erhalten?«
»Heute früh. – Am Nachmittag wollte ich aufbrechen. Ruht ihr euch heute aus. Morgen kehre ich zurück, und dann könnt ihr mit dem Banner zusammen abmarschieren, wohin man uns befiehlt.«
»Vielleicht zum Fürsten-Stallmeister?«
»Fürst-Stallmeister Boguslaw ist augenblicklich auch in Kiejdane. Ein interessanter Mensch ist das! Ein guter Soldat, ein Ritter im wahrsten Sinne des Wortes. Polnisches hat er nicht für einen Pfifferling an sich. Er spricht immer nur deutsch oder französisch. Seine ganze Umgebung ist seines Lobes voll. Übrigens ist seine Vorliebe für das Deutsche ja ganz erklärlich; er ist der Sohn der brandenburgischen Kurfürstin.«
»Ich habe auch schon vom Fürsten Boguslaw gehört,« sagte Stanislaus Skrzetuski. »Ich erinnere mich, daß mein verstorbener Vater erzählte, daß, als Fürst Radziwills Vater die Tochter des brandenburgischen Kurfürsten heiratete, alle sehr unzufrieden waren, weil eine solch vornehme Familie, wie die der Radziwills, mit Fremden in verwandtschaftliche Beziehungen trat. Und jetzt kann uns das sehr zustatten kommen. Der Kurfürst, als ein Verwandter der Radziwills, muß der Republik zu Hilfe kommen; er hat ein stehendes Heer von 20 000 Mann und kann getrost mit ihnen gegen die Schweden ziehen. Als Lehnsmann der Republik ist er sogar dazu verpflichtet, wenn er an Gott glaubt und sich auf die Wohltaten besinnt, die die Republik seinem Hause angedeihen ließ.«
»Es ist schlecht, sich auf die Dankbarkeit anderer zu verlassen, besonders auf die eines Ketzers,« sagte Zagloba. »Er ist wie der schwedische König lutherisch, und wir wollen Gott danken, wenn sie sich nicht gegen die Republik verbinden.«
»Weißt du was, Michail,« sagte plötzlich Jan, »ich will mich lieber heute nicht ausruhen und gleich mit dir zusammen nach Kiejdane gehen. Erstens reist man bei Nacht besser, es ist nicht so heiß, und dann möchte ich so schnell wie möglich aus der Ungewißheit herauskommen. Ausruhen wird man sich ja dort auch können. Der Fürst wird doch nicht morgen schon aufbrechen.«
»Das ist ein guter Gedanke,« meinte Zagloba. »Ich komme auch gleich mit.«
»Dann gehen wir alle zusammen,« fügte Stanislaus hinzu. »So sind wir morgen früh in Kiejdane; man kann ja auch unterwegs im Sattel ein bißchen schlafen.«
Zwei Stunden später, nach dem Mittagessen, brachen unsere Ritter nach Kiejdane auf.
Unterwegs erzählte Pan Michail von der berühmten Laudaer Schlachta, von Kmicic und vielen anderen. Er sprach auch von seiner Liebe zur Panna Billewicz, die wie alle seine früheren nicht erwidert wurde.
»Gut, daß der Krieg losbricht, sonst würde ich vor Kummer vergehen. Manchmal fürchte ich, es wird mir wohl beschert sein, ledig zu sterben.«
»Das ist doch gar nicht so schlimm,« sagte Zagloba. »Ich habe mir gelobt, bis an mein Lebensende ledig zu bleiben. Manchmal tut es mir jetzt auch leid, daß niemand meinen Ruhm und meinen Namen erben wird. Zwar liebe ich Jans Kinder wie die eigenen, aber sie heißen doch nicht Zagloba.«
»Wirklich, Sie haben Ihr Gelübde zur rechten Zeit getan,« lachte Wolodyjowski hell auf. »Gerade wie der Wolf, der abschwur, Schafe zu würgen, als er seiner sämtlichen Zähne ledig war.«
»Das ist nun nicht wahr! Es ist noch gar nicht so lange her, Pan Michail, daß wir beide in Warschau zur Königswahl waren. Und an wem konnten sich die Warschauerinnen gar nicht satt sehen? An mir doch! Wissen Sie nicht mehr, daß alle jammerten, als ich ihnen keine Beachtung schenkte? Übrigens, wenn Sie eine so große Liebe zum Eheleben hegen, so brauchen Sie noch nicht zu verzagen. – Jetzt ist Krieg, wieviele Ritter kommen da jährlich um? Dauert der Krieg lange, so werden die Mädchen sehr im Preise sinken, und wir können sie zu Dutzenden auf dem Markte kaufen.«
»Vielleicht ist es mir auch von Gott bestimmt, umzukommen, seufzte Pan Michail. »Ich habe es eigentlich schon recht satt, mich so in der Welt herumzutreiben. Ach, und wie schön und klug Panna Billewicz ist, das kann ich euch gar nicht beschreiben! – Ich hätte sie auf Händen getragen und wie meinen Augapfel behütet. – Da führt der Teufel diesen Kmicic in die Gegend! – Er muß sie rein durch Zauberei an sich gefesselt haben, sonst würde sie mich doch nicht so abweisen; das kann ja gar nicht anders sein. – Der Bär hat seine Höhle, der Wolf seine Grube, – ich habe nur den Gaul und den Sattel, auf dem ich sitze.«
»Man sieht, sie hat es Ihnen wirklich sehr angetan,« meinte Zagloba. »Aber, was hilft's, Sie werden sich schon eine andere suchen müssen. Eine so kleine, wie Sie selbst sind. Wie wär's mit der Hofdame der Fürstin Wisniowiecka, die Pan Podbipienta heiraten wollte? Gott hab' ihn selig! Die paßte gerade zu Ihnen.«
»Anna Borzobohata meinen Sie,« sagte Jan Skrzetuski. »In die waren wir dazumal alle verliebt, auch Pan Michail. Gott weiß, wo die jetzt ist.«
»Ja, wenn ich das erfahren könnte!« rief Pan Michail. »Schon wie Sie ihren Namen erwähnten, wurde mir leichter ums Herz. Das war ein gutes Mädchen! Möchte ich ihr doch noch einmal begegnen!«
Allmählich begann es zu dunkeln: die Nacht brach herein. Die Ritter schliefen auf ihren Sätteln ein.
Bei Tagesanbruch erwachte als erster Pan Michail.
»Panowie! Seht dort Kiejdane!«
»Was? Wo?« fragte Zaglova. »Kiejdane, wo?«
»Dort! Die Türme sind zu sehen.«
»Was für eine schöne Stadt!« sagte Stanislaus Skrzetuski.
»Ja, sehr schön!« bestätigte Wolodyjowski »Sie können sich heute davon selbst überzeugen.«
»Ist sie Eigentum des Fürsten Wojewoden?«
»Ja, der Vater des jetzigen Fürsten erhielt sie als Mitgift. – Ein ausgezeichneter Met wird dort gebraut.«
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