Zagloba rieb sich die Augen. »Müssen kluge Leute drin leben. Und was ist das für ein ungeheures Gebäude, das da auf dem Hügel?«
»Das ist das neue Schloß.«
»Ist es befestigt?«
»Nein; aber es ist mit einem riesigen Luxus ausgestattet. Es wurde von einer Befestigung abgesehen, weil sich nach den Kreuzrittern hier kein Feind sehen ließ.«
Die Edelleute hatten bereits die ersten Häuser der Vorstadt erreicht. Die Sonne begann sich am Horizont zu zeigen: es war schon ganz hell geworden. Die Ritter betrachteten neugierig die ihnen fremde Stadt, und Pan Wolodyjowski erklärte ihnen alles.
»Das da ist die Judengasse; nur die Juden, die eine besondere Erlaubnis dazu haben, dürfen hier wohnen. – Dort weiter ist der alte Marktplatz. Seht nur die Uhr auf dem Rathause! So eine gibt's nicht mal in Danzig. Das Gebäude mit den vier Türmen ist die Schweizer Kathedrale. Hier liegt die lutherische Kirche. Sie meinen wohl, daß hier Polen und Litauer wohnen? Durchaus nicht! Viele Deutsche und noch mehr Schotten. Das sind alles ausgezeichnete Infanteristen, die vorzüglich mit der Hellebarde umzugehen verstehen. Der Fürst hat sich ein ganzes schottisches Regiment aus Kieijdaner Freiwilligen gebildet. – Was für eine Menge Wagen auf dem Markte stehen. Es wird gewiß eine Versammlung hier sein! Ein Gasthaus gibt's in der ganzen Stadt nicht. Ein jeder sucht hier nur seinen Bekannten auf. Für die Schlachta werden im Schloß zwei Flügel bereit gehalten. Der Fürst nimmt jeden sehr gastfreundlich auf, bliebe er auch ein ganzes Jahr. Es gibt Edelleute, die fast ihr ganzes Leben hier verbringen.«
»Sonderbar, daß nicht ein Blitz diesen Schweizer Tempel zerschmettert!« rief Zagloba aus.
»Das, geschah auch wirklich einmal. In der Mitte zwischen den vier Türmen war ursprünglich eine Kuppel. Der Blitz schlug in sie ein und zerschmetterte sie in viele Stücke.«
»Und was ist das für eine Scheune?«
»Das ist eine Papierfabrik, daneben liegt die Druckerei. Dort druckt man ketzerische Schriften.«
»Pfui!« spie Zagloba aus. »Hier könnte der Satan ebensogut Herrscher sein wie Radziwill!«
»Schelten Sie nicht auf den Fürsten,« sagte Wolodyjowski ruhig. »Vielleicht verdankt das Vaterland demnächst dem Fürsten seine Rettung.«
Hinter dem Markte und der Schloßstraße bot sich den Reitern der herrliche Anblick des fürstlichen Schlosses. Es stand oben auf einem Hügel und schaute hinab auf die Stadt, die zu seinen Füßen lag. An das Hauptgebäude schlossen sich zu beiden Seiten zwei Seitenflügel an, die einen ungeheuren Hof begrenzten, dessen Vorderseite von einem eisernen Gitter eingezäunt war. Die Mitte des Gitters bildete ein Portal mit den Wappen der Radziwills. Hinter dem Tore stand ein Gebäude für die Wache, und schottische Trabanten bewachten den Eingang zum Schlosse.
Trotz der frühen Morgenstunde herrschte auf dem Schloßhofe reges Treiben. Vor dem Hauptgebäude exerzierte ein Dragonerregiment in hellblauen Reitjacken und schwedischen Helmen. Die langen Reihen der Soldaten standen unbeweglich mit gezogenen Rapieren in den Händen. Ein Offizier ritt langsam das Regiment entlang und sprach zu den Soldaten. Ringsherum an der Schloßmauer stand die Dienerschaft und sah neugierig zu.
»Bei Gott!« rief Pan Michail, »dort reitet Charlamp bei seinem Regiment.«
Auch Charlamp erkannte Wolodyjowski und trabte den Rittern entgegen.
»Wie geht's?« schrie er schon von weitem. »Gut, daß du herkommst.«
»Noch besser ist es, daß ich dich als ersten hier treffe. Dies hier ist Pan Zagloba, den du schon kennst, und das ist Pan Skrzetuski, Rittmeister des königlichen Husaren-Banners, ein Zbarazer.«
»Ein in ganz Polen berühmter Ritter! Meine Hochachtung,« sprach Pan Charlamp.
»Und hier steht Pan Stanislaus Skrzetuski, Rittmeister von Kalisz; er kommt direkt von Ujscie,« fuhr Wolodyjowski fort.
»Von Ujscie? So waren Sie Zeuge dieser unerhörten Schandtat? Wir haben hier schon alles gehört.«
»Nun, wir sind ja auch hierher gekommen in der Hoffnung, daß so etwas hier nicht geschehen kann.«
»Des können Sie versichert sein. Radziwill ist nicht Opalinski.«
»So sagten wir auch gestern in Upita.«
»Ich begrüße Sie im Namen des Fürsten. Der Fürst wird hoch erfreut sein, solche Ritter bei sich zu sehen; denn er kann tüchtige Soldaten gebrauchen. Kommen Sie zu mir ins Zeughaus; denn dort ist mein Quartier. Wahrscheinlich wollen Sie sich ein wenig ausruhen und etwas genießen. Ich komme gleich mit, mein Dienst ist zu Ende.«
Pan Charlamp ritt wieder zum Banner und kommandierte laut: »Linksum kehrt!«
Laut schallte das Aufschlagen der Pferdehufe im Hofe. Die Reihen teilten sich in zwei Teile, dann wieder in zwei Teile und ritten im Schritt nach dem Zeughaus.
»Ausgezeichnete Soldaten!« sagte Skrzetuski, indem er die Bewegungen der Dragoner mit Kennerblick verfolgte.
Charlamp kehrte zu den Rittern zurück.
»Kommen Sie, bitte, das Zeughaus liegt dort hinter dem Schlosse.«
Eine halbe Stunde später saßen alle fünf bei einer Kanne Warmbier und unterhielten sich über den neuen Krieg.
»Und was gibt es Neues hier?« fragte Pan Wolodyjowski.
»Bei uns gibt es alle Tage Neues. Die Leute haben vollständig den Kopf verloren,« antwortete Pan Charlamp. »Eigentlich ist der Fürst der einzige, der weiß, um was es sich handelt. Er schmiedet unentwegt Pläne. Und wenn er sich auch fröhlich gibt und mit jedermann freundlich ist wie sonst nie, so ist er in Wirklichkeit doch sehr besorgt. Man sagt, er schläft des Nachts nicht, sondern geht unruhig in den Zimmern umher und hält Selbstgespräche. Am Tage beratschlagt er sich stundenlang mit Harasimowicz.
»Wer ist dieser Harasimowicz?«
»Er ist ein Gutsverwalter des Fürsten, aber allem Anscheine nach weiß er alle Geheimnisse des Fürsten. Meiner Meinung nach stehen wir am Vorabende eines ungeheuren Krieges mit den Schweden, eines Krieges, wie wir ihn alle herbeisehnen. Der Fürst erhält viele Briefe vom kurländischen Herzog, von Chowanski und vom Kurfürsten. Einige sagen, der Fürst stehe mit Moskau in Unterhandlungen, um vereint gegen die Schweden loszuziehen, andere sagen umgekehrt. Ich glaube aber, es wird zu gar keinem Bündnisse kommen, und es wird Krieg geben mit den Moskovitern und Schweden. Wo Fürst Radziwill ins Feld zieht, da wird kein Friede geschlossen.«
»Das ist recht, das ist recht,« sagte erfreut Zagloba und rieb sich die Hände. »Viel schwedisches Blut klebt schon an meinen Händen und noch mehr wird hinzukommen.«
»Und Fürst Boguslaw, ist der auch hier?« fragte Pan Wolodyjowski.
»Selbstverständlich! Wir erwarten außerdem noch heute sehr vornehme Gäste. Die oberen Gemächer des Schlosses werden schon zum Empfang fertig gemacht. Abends gibt es im Schlosse ein Bankett. Ich zweifle, Michail, daß du heute beim Fürsten vorgelassen wirst.«
»Er selbst aber hat mich doch hierher bestellt.«
»Das tut nichts. Er ist jetzt fürchterlich beschäftigt. – Und dann,– doch ich weiß nicht, ob ich euch davon etwas erzählen darf, – übrigens, in einer Stunde würdet ihr ja ohnedies alles erfahren, – es gehen hier nämlich merkwürdige Dinge vor.«
»Was denn? Was denn?« fragte Zagloba.
»Sie müssen wissen, daß vor zwei Tagen Pan Judycki, ein Malteser Ritter, hier eintraf. Sie haben wahrscheinlich schon von ihm gehört?«
»Gewiß,« sagte Jan, »ein berühmter Ritter.«
»Ihm auf dem Fuße folgte der Feldhetman Gosiewski. Wir waren alle starr vor Staunen, denn es ist ja weithin bekannt, in welcher Feindschaft der Fürst und der Feldhetman leben. Der Fürst schloß sich mit seinen Gästen ein, und niemand durfte hören, was sie miteinander sprachen. Pan Krepsztul, der vor der Tür Wache hielt, erzählte, daß drinnen sehr laut gesprochen wurde, besonders der Feldhetman schien sehr erregt gewesen zu sein. Später begleitete der Fürst die Herren selbst in ihre Schlafgemächer; und in der Nacht, stellt euch nur vor,« Pan Charlamp dämpfte seine Stimme, »sandte er vor die Tür eines jeden eine Wache.«
Читать дальше