»Und wie steht es jetzt mit Ihrer Gesundheit?«
»Sie wundern sich wohl, daß ich nach Ihrer Bewirtung noch lebe? – Ich wundere mich selbst darüber.« Pan Kmicic lächelte. »Nun, Ihre Sache ist noch nicht verloren, Sie können Ihr Werk, wenn es Ihnen beliebt, zu Ende führen.«
»Mit dieser Absicht bin ich nicht hierher gekommen.«
»Wahrhaftig, ich glaube, Sie haben Ihre Seele dem Teufel verschrieben oder besitzen sonst irgend welchen Talisman,« unterbrach ihn Kmicic. – »Bei Gott, ich bin kein Prahlhans, aber bisher glaubte ich immer, ich sei, wenn nicht der erste, so doch der zweite Fechtmeister in der Republik. Und jetzt –, ich hätte nicht 'mal Ihren ersten Hieb parieren können, wenn Sie es gewollt hätten. – Wo haben Sie denn das gelernt?« »Einesteils durch meine natürlichen Anlagen, dann aber spornte mich mein Vater dazu an. Er sagte: »Gott hat dich durch den kleinen Wuchs benachteiligt, die Welt wird sich über dich lustig machen, wenn du sie nicht zwingst, dich zu fürchten.« Nachher, als ich beim Wojewoden diente, habe ich mich noch in der Kunst vervollkommnet. Dort gab es Leute, die es getrost mit mir aufnehmen konnten.«
»Konnte es solche geben?«
»Ja, gewiß. – Ein Herr Podbipienta, ein Litauer Adliger, der bei Zbaraz gefallen ist. – Gott gebe seiner Seele Ruhe! – Das war ein Mann von Hünenkraft. Dann war noch ein Skrzetuski, mein Freund, von dem Sie wohl schon gehört haben?«
»Natürlich! Er schlich sich aus Zbaraz mitten durch das Heer der Kosaken. – Wer sollte von ihm nicht gehört haben! – Diese Herren also waren Ihre Kameraden! – Sie selbst waren Wohl auch in Zbaraz? Meine Hochachtung! Ach ja! Ich habe von Ihnen auch schon durch den Wilnaer Wojewoden gehört. – Ihr Vorname ist doch Michail? Nun, von so einem eins über den Kopf zu kriegen, das ist keine Schmach. – Ich möchte wohl Ihre Freundschaft gewinnen. Aber Sie haben mich Verräter genannt, doch hatten Sie unrecht damit.« – Kmicic runzelte die Brauen, als wenn seine Wunde ihn von neuem schmerzte.
»Ich gestehe, ich habe mich geirrt,« erwiderte Wolodyjowski, »aber ich erfahre dies nicht erst jetzt, Ihre Leute haben mir das selbst schon gesagt. Sie müssen wissen, sonst wäre ich nicht hierher gekommen.«
»Und wie hat man mich verleumdet!« sagte Kmicic bitter. »Mag sein, mehr als eine Sünde bedrückt mein Gewissen; aber bedenken Sie, wie hat man mich hier empfangen?«
»Am meisten haben Sie sich durch das Inbrandstecken von Wolmontowicze und durch die Entführung der Panna geschadet.«
»Dafür droht man mir schon mit Prozessen. Bei mir liegen schon einige Gerichtsvorladungen. Es ist wahr, ich habe Wolmontowicze niedergebrannt, auch Menschen sind dabei umgekommen; aber Gott möge mich richten, wenn ich das aus Blutgier getan habe! – In der Nacht vor dem Brande habe ich mir zugeschworen, mit allen in Eintracht zu leben, die hiesige Schlachta für mich zu gewinnen, ich wollte mich sogar mit den Leuten von Upita aussöhnen, denn denen habe ich wirklich unrecht getan.– Ich kehre nach Hause zurück, und was finde ich da? Meine Kameraden alle tot, abgeschlachtet wie Vieh! Als ich erfuhr, daß es die Butryms getan hatten, erfaßte mich blinde Wut, der Teufel nahm mich in seine Krallen, – und ich nahm furchtbare Rache! – Und wissen Sie auch, warum man sie ermordet hat? Ich habe es später erfahren. Weil sie in der Schenke mit den Frauen der Edelleute tanzen wollten. Wer an meiner Stelle hätte da nicht Rache genommen!«
»Pan Kmicic,« erwiderte Wolodyiowski, »ich muß zugeben, an Ihren Kameraden hat man schlecht gehandelt; aber die Schuld an allem liegt in dem schlechten Ruf, den Sie aus weiter Ferne mit hierher brachten.«
»Diese Unglücklichen!« fuhr Kmicic, hingerissen von seinen Erinnerungen, fort, »als ich im Fieber lag, kamen sie alle Abende zu mir, – da aus jener Tür. Sie stellten sich um mein Bett, blau, blutüberströmt, stöhnend: »Laß für unsere armen Seelen beten; wir leiden große Pein!« Glauben Sie mir, das Haar stand mir zu Berge bei ihrem Anblick. – Was die Entführung des Fräuleins anbetrifft, so wissen Sie wohl nicht, daß sie mir das Leben rettete, als sie mich vor der mich verfolgenden Schlachta versteckte. – Dann aber hieß sie mich fortgehen mit dem Befehle, nie wieder unter ihre Augen zu kommen. – Was blieb mir da zu tun übrig?«
»Trotzalledem haben sie gehandelt wie ein Tatar.«
»Sie sprechen, als wüßten Sie nicht, was Liebe heißt, und bis zu welchem Grade von Verzweiflung man kommen kann, wenn man sein teuerstes Wesen verliert.«
»Ich weiß nicht, was Liebe heißt!« brauste Wolodyjowski auf. »Seitdem ich einen Säbel zu tragen begann, war ich immer verliebt. – Leider in sehr viele, das ist wahr; denn meine Liebe wurde nie erwidert.«
»Eine schöne Liebe, die immerzu die Person wechselt,« warf Kmicic ein.
»Ich werde Ihnen 'mal erzählen, was ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe. – Es war zu Anfang des Aufstandes von Chmielnicki, da entführte Bohun, derselbe, der nach Chmielnicki den größten Einfluß unter den Kosaken hatte, Skrzetuskis Braut, die junge Fürstin Kurcewicz. Sie müssen wissen, was das für eine Liebe zwischen den beiden war. Skrzetuski war verzweifelt, die ganze Armee wurde angesichts seiner Verzweiflung mit fortgerissen. Skrzetuski ergraute vor Gram in seinem siebenundzwanzigsten Lebensjahre. – Und wissen Sie, was er tat?«
»Woher soll ich das wissen?
»Weil das Vaterland in Not war, weil Chmielnicki triumphierte, verzichtete er darauf, das Mädchen zu suchen. Er brachte seine Liebe dem Vaterlande zum Opfer und vertraute sie Gott an. Er kämpfte unter dem Fürsten Jeremias in allen Schlachten und erwarb sich einen Ruhm, daß sein Name noch heute weithin gepriesen wird. – Und jetzt vergleichen Sie Ihre Handlungsweise mit der seinigen, – sehen Sie den großen Unterschied?«
Kmicic schwieg und biß auf seinen Schnurrbart. Wolodyjowski fuhr fort:
»Gott belohnte Skrzetuski, er gab ihm die Braut zurück. Bald nach der Schlacht von Zbaraz heiratete er, jetzt hat er schon drei Kinder, aber er hat nicht aufgehört, dem Vaterlande zu dienen. – Sie aber haben noch mehr Unruhe ins Land gebracht und dadurch dem Feinde geholfen. Kaum sind Sie selbst dem Tode entronnen, und das Fräulein konnten Sie vor mehreren Tagen ganz verlieren.«
»Wieso?« fragte Kmicic, sich im Bette aufrichtend. »Was ist mit dem Fräulein geschehen?«
»Geschehen ist ihr nichts, – nur, es fand sich ein Mann, der das Fräulein zum Weibe begehrte.«
Kmicic wurde ganz blaß, in seinen eingesunkenen Augen entzündete sich ein unheimliches Feuer, er sprang hoch und rief:
»Wer war dieser Hundsfott? Um Gottes willen, sagen Sie es mir!«
»Ich,« sagte Pan Wolodyjowski.
»Sie? – Sie?« fragte erstaunt Kmicic.
»Ja, ich.«
»Treuloser! Das wird Ihnen vergolten werden! – Und sie, die Panna? Sagen Sie doch schon alles! Hat sie Ihren Antrag angenommen?«
»Behüte Gott, – ohne zu überlegen, wies sie mich sehr entschlossen ab.«
Wieder wurde es still im Zimmer. Kmicic atmete schwer und sah fest in Wolodyjowskis Augen.
»Warum nennen Sie mich einen Treulosen? Bin ich Ihr Freund, Ihr Bruder? Ich habe Sie im Zweikampf besiegt, es stand mir frei zu tun, was mir beliebte! – – Doch wissen Sie eigentlich, warum die Panna meinen Antrag abgelehnt hat?«
»Warum?« wiederholte Kmicic wie ein Echo.
»Darum, – weil sie Sie liebt.« Das war mehr als die schwachen Kräfte des Kranken ertragen konnten. Kmicic' Kopf fiel in die Kissen zurück, seine Stirn bedeckte sich mit Schweiß. Er lag mehrere Minuten ganz ruhig.
»Ich fühle mich furchtbar schwach, sagte er etwas später. »Aber, sagen Sie nur, – woher wissen Sie denn, – daß sie – mich liebt?«
»Weil ich Augen habe und sehe, – und weil ich Verstand habe und denke. – Nachdem ich meinen Korb weg hatte, ist mir im Kopfe alles klar geworden. Als ich nach dem Zweikampf zu ihr ging, ihr zu sagen, daß sie frei sei, und daß ich Sie verwundet habe, runzelte sie die Augenbrauen, und anstatt mir zu danken, würdigte sie mich keines Blickes. Dann später stützte sie Ihren Kopf so liebevoll wie eine Mutter bei ihrem Kinde, und als ich ihr meinen Antrag machte, nahm sie ihn so auf – kurz gesagt, – sehr schlecht auf, – Das alles sollte Ihnen als Beweis genügen.«
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