»Wie wunderbar schön!« dachte er, »eine wahre Fürstin! Ich habe ihr ihren Ruf gerettet, – vielleicht auch ihr Leben. – Sie müßte mir doch eigentlich dankbar sein. – Wer aber kann ein Weiberherz begreifen?« –
Solche Gedanken ließen Wolodyjowski die ganze Nacht nicht schlafen. Mehrere Tage dachte er nur an Panna Alexandra, und er begriff, daß er sie tief in sein Herz geschlossen hatte. Und die Laudaer Edelleute wollten sie doch gern mit ihm vermählen. Es ist wahr, sie hatte ihn entschieden ausgeschlagen; aber damals kannte sie ihn noch nicht. Jetzt stand die Sache doch anders. Er hatte sie ritterlich aus den Händen des Entführers befreit. – Ihretwegen setzte er sich einer Lebensgefahr aus; hatte er sie nicht erobert wie eine Festung? – Wem gehörte sie sonst, wenn nicht ihm? – Darf sie ihm ihre Hand verweigern? Konnte sich das Gefühl der Dankbarkeit nicht plötzlich in Liebe gewandelt haben? Wie oft kommt es im Leben vor, daß ein gerettetes Mädchen ihrem Erretter Herz und Hand schenkt! – »Was aber, wenn sie doch jenen liebt? Kann nicht sein!« so redete zu sich selbst Wolodyjowski. »Wenn sie ihn nicht von sich gewiesen, so hätte er sie nicht mit Gewalt entführen dürfen. – Freilich, sie stützte ihm so liebevoll seinen Kopf; aber gute Frauen haben stets Mitleid mit Verwundeten, auch mit ihren Feinden. – Was also soll ich zögern?« dachte er weiter. »Eine bessere Gelegenheit kann ich nicht abwarten. – Ich muß mein Glück versuchen.«
Für langes Courmachen war jetzt nicht die Zeit; es mußte schnell gehandelt werden. Hinfahren, sich erklären und entweder schnell Hochzeit machen oder den Korb herunterschlucken.
»Ist nicht zum erstenmal,« brummte Wolodyjowski, »und wenn schon, ist auch kein Unglück.«
Nur eins quälte Pan Wolodyjowski. War es ritterlich, für geleistete Dienste so schnell den Lohn einzufordern? Hatte er aber nicht eine genügende Entschuldigung, wenn er ihr antwortete: »Panna, ein ganzes Jahr würde ich um Sie geworben haben, aber ich bin Soldat, und jeden Augenblick kann mich die Kriegstrompete ins Feld rufen.«
Alle diese Gedanken quälten Pan Wolodyjowski unablässig; schließlich wußte er gar nicht, was er tun sollte. In den vier Wänden des Hauses wurde es ihm zu enge; er nahm seine Mütze und ging ins Freie, um frische Luft zu schöpfen.
Unterwegs sah er über sich eine Schar wilder Enten fliegen. Er begann zu zählen: »Gerade oder ungerade. Fahren oder nicht fahren.« Es kam »fahren« heraus.
»Ich fahre, es geht gar nicht anders!«
Er kehrte um und trat unterwegs in den Pferdestall ein. Zwei seiner Diener spielten am Eingang des Stalles Würfel.
»Ist die Mähne meines Pferdes geflochten?« fragte Pan Wolodyjowski.
»Ja, Herr Oberst.«
Wolodyjowski ging in den Stall. Sein Pferd begrüßte ihn mit frohem Wiehern. Der Ritter streichelte ihm den Rücken und begann die Haarwickel an seiner Mähne zu zählen.
»Fahren, – nicht fahren, – fahren.«
Auch hier war das Orakel günstig.
»Sattelt die Pferde und kleidet euch auf das Beste an,« befahl Wolodyjowski.
Er eilte ins Haus und begann, Toilette zu machen. Er zog hohe, gelbe Stiefel mit vergoldeten Sporen und einen neuen, roten Waffenrock an. Seinen Degen steckte er in eine blinkende Stahlscheide. Seine Brust bedeckte ein Halbpanzer, und auf seinem Kopfe trug er einen schwedischen Helm.
So bekleidet stieg Pan Wolodyjowski zu Pferde und ritt mit seinen Dienern nach Wodokty. Es war ein schöner Tag; die Sonnenstrahlen spielten auf Pan Wolodyjowskis Helm und Panzer, so daß es aus der Ferne hinter den Weiden schien, als ob eine zweite Sonne des Weges daherzog.
Bei seiner Ankunft erkannte ihn Panna Alexandra nicht gleich, er mußte erst seinen Namen nennen. Dann empfing sie ihn höflich, aber sehr förmlich und kühl.
Wolodyjowski, der schon viel in der Welt herumgekommen war, verneigte sich mit größter Ehrfurcht, legte die Hand aufs Herz und begann:
»Panna, ich komme, um mich nach Ihrer Gesundheit zu erkundigen. Ich fürchtete, daß das letzte, traurige Ereignis ungünstig auf Sie eingewirkt hätte?«
»Es ist sehr liebenswürdig von Ihnen, daß Sie noch an mich gedacht, nachdem Sie mich aus einer solchen Gefahr befreit haben. – Doch, bitte, setzen Sie sich! Seien Sie willkommen!«
»Oh, Panna!« erwiderte Pan Michail, – »wenn ich Sie je vergessen könnte, so wäre ich Ihrer freundlichen Aufmerksamkeit nicht wert. Ich muß Gott danken, der mir erlaubt hat, Ihnen einen Dienst zu erweisen.«
»Dafür muß ich Gott danken, – denn Ihnen –«
»Wenn Sie so tun, so wollen wir beide danken. – Denn ich weiß nichts Schöneres, als Ihnen jeder Zeit nützlich zu sein.«
Pan Wolodyjowski war mit sich zufrieden. Er war gleich in das richtige Fahrwasser gekommen, er legte der Panna seine Gefühle sozusagen offen auf den Tisch. Sie saß verlegen und schweigend da und war reizend anzusehen. Auf ihren Wangen lag ein schwaches Rot, und ihre dichten Wimpern verdeckten fast ganz ihre Augen.
»Sie errötet, das ist ein gutes Zeichen,« dachte Wolodyjowski. Er räusperte sich und fuhr fort:
»Es ist Ihnen wohl bekannt, daß an Stelle Ihres Großvaters ich die Laudaer in den Kampf führte?«
»Ja, ich weiß. – Großvater war zu alt; er konnte an dem letzten Kriege nicht teilnehmen; aber er freute sich sehr, als er hörte, wem der Wilnaer Wojewod die Führung seines Banners anvertraut hatte. Er kannte Ihren Ruf als tüchtigen Krieger.
»So sprach er also von mir?«
»Ja, er sprach oft und stets sehr gut von Ihnen. Nach dem Feldzuge lobten Sie auch alle Laudaer Edelleute.«
»O, ich bin nur ein einfacher Soldat, ich verdiene es nicht, daß man mich höher als die anderen achtet. Aber in diesem Augenblicke freut es mich doch; so bin ich für Sie nicht der erste beste.«
»Ihr Name ist auch ohnehin hier bekannt. In Lubicz gibt es eine Adelsfamilie, die Ihren Namen führt.«
»Das ist eine ganz andere Familie. – Ich heiße Korczak Wolodyjowski – und stamme aus einem ungarischen Adelsgeschlecht.«
»Sie sind also nicht hier gebürtig?«
»Nein, Panna. – Ich stamme aus der Ukraina und besitze dort ein kleines Gut, das aber jetzt vom Feinde besetzt ist. Von Kind auf, kann ich behaupten, diene ich dem Heere. Meine eigenen Angelegenheiten interessieren mich bei weitem nicht so als die öffentlichen.«
»Ach, wenn doch alle Ihnen glichen!« seufzte die Panna.
»Sie denken wohl an jenen Elenden, der es wagte, Hand an Sie zu legen, Panna?«
Panna Alexandra senkte die Augen und antwortete mit keiner Silbe.
»Nun, er hat seinen Lohn erhalten,« fuhr Wolodyjowski fort. – »Man erzählt zwar, es ginge ihm besser, aber der gerechten Strafe wird er nicht entgehen. – Man sagt auch, er sei zum Feinde übergetreten, um von ihm Hilfe für seine Sache zu holen; doch das ist Unsinn, barer Unsinn. Die Leute, mit denen er Sie überfiel, hat er einfach von der Straße aufgelesen.«
»Woher wissen Sie das?« fragte Alexandra lebhaft und sah mit ihren blauen Augen Wolodyjowski an.
»Einer seiner Leute, die damals in die Gefangenschaft abgeführt worden sind, hat es mir erzählt. Ein merkwürdiger Mensch ist er doch, dieser Kmicic! – Und was für einen unbändigen Stolz er besitzt, Er hielt es unter seiner Würde, sich auf mein Wort »Verräter« zu verteidigen.«
»Und haben Sie auch den anderen erzählt, daß er kein Verräter ist?«
»Nein, das tat ich nicht, weil ich es bisher selbst nicht wußte. Aber ich werde es jetzt tun; auch dem schlimmsten Feinde darf man ungerecht solchen Schimpf nicht antun!«
Alexandras Augen sahen zum zweitenmal auf den kleinen Ritter mit einem unverkennbaren Ausdruck der Sympathie und Dankbarkeit.
»Was für ein ehrlicher, guter Mensch Sie sind!«
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