»Wenn Sie kein Feigling sind, so ist es möglich!«
»Ihr Ritterwort, daß ich ungehindert abziehen kann?«
»Mein Ritterwort.«
»Das darf nicht sein!« hörte man aus der Mitte der Butryms.
»Still doch! zu tausend Teufeln!« donnerte Pan Wolodyjowski. »Soll er sich und euch in die Luft sprengen?«
Die Butryms wurden still.
»Nun, wie ist es?« fragte höhnisch Kmicic. »Sind die Bastschuhträger einverstanden?«
»Ja, sie werden es auf ihr Schwert beschwören, wenn Sie es wollen.«
»So laßt sie schwören.«
»Kommt her alle!« rief Wolodyjowski den Edelleuten zu, die rings an den Wänden das ganze Haus umzingelten. Bald hatten sich alle vor der Tür versammelt. Die Absicht Kmicic', das ganze Haus in die Luft zu sprengen, hatten alle gehört. Sie standen stumm und starr wie versteinert. Es herrschte eine Grabesstille, und Pan Wolodyjowski rief mit erhobener Stimme:
»Alle hier Versammelten rufe ich zu Zeugen, daß ich Pan Kmicic, den Bannerträger von Orsza, zum Duell aufgefordert habe. Ich habe ihm zugeschworen, daß er, wenn er mich besiegt, frei, ohne jedes Hindernis von unserer Seite, abziehen kann. Das alles sollt ihr durch einen Schwur auf euren Säbelgriff bestätigen.«
»Wartet!« rief Kmicic, »schwört, ich werde ungehindert mit allen Leuten und der Panna abziehen.«
»Die Panna bleibt hier!« erwiderte Wolodyjowski, »und Eure Leute werden zu Gefangenen der Edelleute gemacht.«
»Das kann nicht sein.«
»So sprenge das Haus! Die Panna haben wir sowieso schon betrauert!«
Wieder erfolgte ein längeres Schweigen.
»Mag es so sein,« meinte dann Kmicic. »Wenn ich sie nicht heute entführe, so hole ich sie in einem Monat. Ihr werdet sie vor mir nicht verstecken, und wenn ihr sie unter der Erde verbergt. – Schwört also!«
»Schwört!« wiederholte Pan Wolodyjowski.
»Wir schwören im Namen Gottes und des heiligen Kreuzes. Amen!«
»Nun, kommen Sie heraus! Kommen Sie!« rief Pan Michail.
»Ihnen gelüstet es Wohl, sehr schnell ins Jenseits befördert zu werden?«
»Schon gut! schon gut! Nur macht schnell!«
Der eiserne Riegel der Tür knarrte. Pan Wolodyjowski und die Edelleute traten zurück, um Platz zu machen. Plötzlich tat sich die Tür auf, und in ihr erschien Pan Andreas, groß und schlank gewachsen wie eine Pappel. Die ersten Strahlen des anbrechenden Tages fielen auf sein schönes, stolzes Gesicht. Er blieb stehen, ließ mutig seine Augen über die Reihen der Schlachta gleiten und sagte:
»Ich habe euch vertraut, – Gott weiß, ob ich recht daran getan habe. – Doch schon gut. – Wer von euch ist Pan Wolodyjowski?«
Der kleine Oberst trat vor.
»Ich bin es,« sagte er.
»Oho! wie ein Riese sehen Sie nicht aus,« lächelte Kmicic. »Ich habe erwartet, einen ganz anderen zu sehen, obgleich man, ich muß es bekennen, in Ihnen gleich den erfahrenen Soldaten sieht.«
»Von Ihnen kann ich ein gleiches nicht behaupten. Sie haben sogar vergessen, Wachen aufzustellen. Wenn Sie ebenso geschickt mit dem Säbel sind wie mit dem Kommando, so werde ich nicht viel Arbeit mit Ihnen haben.«
»Wo wollen wir uns aufstellen?« fragte Kmicic.
»Hier, – der Hof ist eben wie ein Tisch.«
»Einverstanden, – bereiten Sie sich zum Tode vor.«
»Sind Sie Ihrer Sache so sicher?«
»Ich bin meiner Sache nicht nur sicher, ich bemitleide Sie sogar. Ich habe oft Gelegenheit gehabt, von Ihnen viel Gutes zu hören. Deshalb sage ich Ihnen, lassen Sie mich in Ruhe. Wozu wollen wir, die wir uns gegenseitig nicht kennen, uns schlagen? Warum verfolgen Sie mich? – Das Mädchen gehört mir kraft des Testamentes, ich strecke meine Hand nur aus nach dem, was mir zukommt. Es ist wahr, ich habe die Wolmontowiczer Edelleute niedergemetzelt, aber Gott wird darüber zu Gericht sitzen, wer der Schuldige ist, ich oder sie? – Wes Geistes Kinder meine Offiziere waren, das tut hier nichts zur Sache; es genügt, daß sie hier niemandem Böses getan haben, aber sie haben sie wie tolle Hunde niedergeschlagen. Blut für Blut! – Ich schwöre zu Gott, ich bin hierher gekommen ohne jede böse Absicht. Wie aber hat man mich empfangen? Gewalt gegen Gewalt! – Ich werde euch alles heimzahlen, schuldig bleibe ich nichts!«
»Und was sind das für Leute, mit denen Sie hierher gekommen sind? Woher haben Sie solche Gehilfen genommen?« fragte Pan Wolodyjowski.
»Woher ich sie auch genommen habe, ich führe sie nicht gegen das Vaterland; ich brauche sie für meine eigenen Zwecke.«
»Und Ihrer persönlichen Angelegenheiten wegen haben Sie sich mit dem Feinde verbunden! Und womit anders wollen Sie ihm den Dienst zahlen als mit Verrat? – Ich hätte Sie nicht gehindert, mit den Edelleuten zu verhandeln, aber daß Sie den Feind gerufen, das ist eine andere Sache. Zögern Sie nicht, sich zu stellen, sonst werde ich Sie einen Feigling nennen!«
»Es sei, wie Sie wollen,« sagte Kmicic und stellte sich in Position.
Auf Pan Wolodyjowskis Befehl brachte man gegen fünfzig angezündete Fackeln. Wolodyjowski zeigte auf sie mit dem Säbel.
»Sehen Sie, eine förmliche Beisetzungsfeierlichkeit.«
»Nun wohl! einen Oberst trägt man zu Grabe, das geht nicht ohne Feierlichkeit,« erwiderte Kmicic lebhaft.
Die Laudaer Schlachta umringte die beiden Ritter. Die vorderen hoben ihre Fackeln hoch, die hinten Stehenden warteten gespannt auf den Ausgang. Es entstand eine tiefe Stille; nur dann und wann fielen knisternd Stückchen der glimmenden Holzkohle zu Boden.
Pan Wolodyjowski war heiter.
»Fangen Sie an!« sagte Kmicic.
Das erste Klirren der Waffen fand in den Herzen der Zusehenden einen Widerhall. Pan Wolodyjowski begann wie unwillig. Pan Kmicic parierte und machte seinerseits einen Ausfall. Pan Wolodyjowski parierte. Die Hiebe wurden immer heftiger; Kmicic attackierte wütend. Wolodyjowski, der seinen Arm auf den Rücken gelegt hatte, stand ruhig und parierte nachlässig mit seinem Säbel. Es schien, er wollte sich selbst nur decken und den Gegner zu gleicher Zeit verschonen. Von Zeit zu Zeit trat er einen Schritt zurück, ging aber bald wieder vor, augenscheinlich studierte er die Geschicklichkeit Kmicic'. Dieser ereiferte sich zusehends; der Oberst blieb kühl, wie ein Lehrer, der seinen Schüler unterrichtet. Schließlich fing er zum größten Staunen der Schlachta an zu sprechen:
»Laßt uns ein bißchen plaudern! Die Zeit wird uns dann nicht so lang. – Aha! das also ist Orszaer Methode! So werden Sie bald ermüden! – Dieser Stoß ist bei den Gerichtsschreibern Mode. – Dieser ist ein kurländischer – mit ihm kann man gut Hunde zurückschlagen, – Achten Sie auf die Säbelspitze! Biegen Sie die Hand nicht so stark, sonst – sehen Sie zu, was erfolgen wird. – Hebt auf!« –
Diese letzten Worte sprach Pan Michail mit besonderer Deutlichkeit. Dann zog er einen Halbkreis, und, ehe die Zuschauer begriffen hatten, was das »Hebt auf!« bedeutete, schoß Pan Kmicic' Säbel über Wolodyjowskis Kopf und fiel hinter seinem Rücken zu Boden. »Das nennt man einen Säbel ausschälen!« sagte er.
Kmicic stand bleich, mit wütenden Augen da. Er war selbst nicht weniger erstaunt als die Laudaer Schlachta. Der kleine Oberst trat zur Seite und auf den Säbel zeigend, wiederholte er: »Hebt auf!«
Einen Augenblick schien es, als ob Kmicic sich mit bloßen Händen auf ihn stürzen wollte. – Er machte sich schon sprungbereit, und Pan Wolodyjowski hielt ihm seine Säbelspitze entgegen. – Aber Pan Kmicic hob den Säbel auf und ging wieder auf den schrecklichen Gegner los.
Der Zuschauerkreis drängte sich fester zusammen, und hinter ihm bildete sich noch ein zweiter und dritter. Kmicic' Kosaken steckten ihre Köpfe zwischen die Schultern der Edelleute, als ob sie ihr Lebenlang mit ihnen in größter Einigkeit gelebt hätten. Alle erkannten in Pan Wolodyjowski den Meister aller Fechtmeister.
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