Pan Wolodyjowski wurde dadurch von neuem ermuntert. »Zur Sache, Michail,« sagte er zu sich selbst, und dann begann er laut:
»Ich muß Ihnen noch mehr gestehen, Panna. – Ich zolle Kmicic' Handlungsweise keinen Beifall: aber ich finde es begreiflich, daß er so danach strebte, Sie zu besitzen, Sie, in deren Gegenwart alle Reize der Welt verblassen. Die Verzweiflung trieb ihn zu dieser Tat, und sie wird ihn wieder dazu bringen, wenn die Verhältnisse günstiger liegen. – Und dann – wie können Sie mit Ihrer Schönheit einsam und ohne Schutz bleiben? – In der Welt gibt es viele Kmicic'. Sie, Panna, werden viele Herzen entzünden, Sie werden vielen Gefahren ausgesetzt sein. Gott helfe mir, Sie vor diesen Gefahren zu retten. Aber die Kriegstrompete kann mich stündlich ins Feld rufen, und wer will Sie dann hüten? O, Panna! Man sagt uns Soldaten nach, daß wir unbeständig sind; aber es ist nicht wahr, Panna. – Mein Herz ist nicht von Stein; es konnte nicht still bleiben beim Anblick all Ihrer Schönheit!«
Pan Wolodyjowski fiel vor Alexandra in die Knie.
»O, Panna!« rief er, »ich habe das Banner nach Ihres Großvaters Tode geerbt, lassen Sie mich auch seine Enkelin besitzen. Schenken Sie mir die schöne Pflicht, Sie zu behüten und zu beschützen, und Sie werden unbesorgt und glücklich leben. Selbst wenn ich in den Krieg ziehe, so wird Ihnen mein Name schon genügend Schutz geben.«
Alexandra sprang von ihrem Platze auf und hörte verständnislos der Rede Pan Wolodyjowskis zu. Er aber fuhr fort:
»Ich bin nur ein armer Soldat; aber ein Edelmann. Und ich schwöre Ihnen, Sie werden weder in meinem Wappen noch auf meinem Namen je einen Fleck finden. Es ist vielleicht nicht recht, daß ich Sie jetzt schon bestürme; – aber Sie wissen, mich ruft das Vaterland, und ich darf es selbst Ihretwegen nicht im Stiche lassen. Geben Sie mir nur eine kleine Hoffnung; – sagen Sie mir wenigstens ein gutes Wort!«
»Sie fordern Unmögliches von mir! – Mein Gott! – Niemals, – niemals kann das geschehen!« antwortete die ganz verwirrt gewordene Panna.
»Von Ihnen allein hängt doch alles ab!«
»Und deshalb sage ich Ihnen auch: »Nein!«
Alexandra runzelte die Brauen und fuhr fort:
»Pan Wolodyjowski, ich weiß, ich bin Ihnen sehr verpflichtet – ich verstehe das wohl. – Verlangen Sie von mir alles, was Sie wollen, – nur nicht meine Hand!«
Wolodyjowski stand auf.
»Sie wollen also meinen Antrag nicht annehmen?«
»Ich kann nicht.«
»Panna, ist das Ihr letztes Wort?«
»So ist es; mein letztes, entschiedenes Wort.«
»Vielleicht mißfällt es Ihnen, daß ich mir meinen Lohn so schnell einfordere? – Lassen Sie mir doch eine Hoffnung!«
»Pan Wolodyjowski, – ich kann nicht, – kann wirklich nicht!«
»So habe ich wirklich kein Glück hier, wie nirgend auf der Welt! – Gebe Gott, daß Sie keinem schlechteren als ich es bin, in die Hände fallen. Ich werde Sie natürlich nie wieder belästigen. – Werden Sie glücklich! – Meinetwegen auch mit jenem Kmicic. – Es scheint mir fast, als zürnten Sie mir, daß ich ihn verwundete.«
Alexandra preßte ihre Hände gegen die Schläfen und rief mehrmals: »Gott! Gott! Gott!«
Aber ihr Schmerzensruf besänftigte Pan Wolodyjowski nicht. Er verbeugte sich schweigend, ging böse und zornig hinaus, bestieg sogleich sein Pferd und ritt fort.
»Mein Fuß wird nie wieder diese Schwelle betreten. – So werde ich bis an mein Lebensende Soldat bleiben müssen. Zum Teufel mit solch einem Schicksal! Was konnte sie an mir Schlechtes finden?« Pan Wolodyjowski zog die Brauen zusammen und strengte seinen ganzen Verstand an: »Ich hab' es!« schrie er plötzlich auf. »Sie liebt noch immer jenen, – natürlich, natürlich! Desto schlimmer für mich! Sie wird nie aufhören, ihn zu lieben.«
Bald störte ein Ausruf eines Dieners Pan Wolodyjowski in seinen Grübeleien.
»Dort auf der Anhöhe kommt Pan Charlamp mit noch jemandem!«
In der Tat kamen dort zwei angeritten, und Wolodyjowski überzeugte sich bald, daß es wirklich Pan Charlamp war.
Dieser war ein Kavallerieleutnant des litauischen Heeres und ein alter Bekannter Wolodyjowskis.
Wolodyjowski sprengte ihm mit den Worten: »Wie geht es, Nazo? – Woher kommst du?« entgegen.
»Mich schickt der Fürst-Wojewod, unser Hetman, zu dir mit Geld und mit einem Auftrage. Er befiehlt dir, die Landwehr zu sammeln. Und dann habe ich noch einen Brief für Pan Kmicic, der sich doch irgendwo hier aufhalten soll.«
Pan Charlamp gab Wolodyjowski einen Brief mit dem kleinen Siegel des Fürsten Radziwill. Wolodyjowski las:
»Da ich Ihre heiße Liebe zum Vaterland kenne, schicke ich Ihnen den Befehl, die Landwehrtruppen einzuberufen, aber mit der allergrößten Sorgfalt; denn periculum in mora. Es ist von größter Wichtigkeit, daß das Banner Ende Juli kriegsbereit und mit guten Pferden versehen ist, was um so schwieriger sein wird, als wir Ihnen nicht viel Geld schicken können. – Die Hälfte des Geldes geben Sie dem Pan Kmicic ab, dem ich gleichzeitig durch Pan Charlamp meinen Befehl zugehen lasse. Wir hoffen, daß seine Dienste uns jetzt recht nützlich sein können. Da aber inzwischen Gerüchte über Kmicic' Missetaten in Upita uns zu Ohren gekommen sind, so stelle ich es Ihnen anheim, ob Sie es für gut halten, dem Pan Kmicic den Brief auszuhändigen. Wenn Sie finden, daß er durch seine Taten seine Ritterehre befleckt hat, so halten Sie den Brief zurück; wenn dies nicht der Fall ist, so übergeben Sie ihm mein Schreiben. Er mag sich bemühen, seine Vergehen gut zu machen. Sagen Sie ihm, daß er keine Strafverfolgungen zu befürchten hat; denn nur wir sind seine Richter, und wir allein werden ihn vor Gericht stellen. Nehmen Sie diesen Brief als ein Zeichen unseres Vertrauens, das wir zu Ihrer Treue und zu Ihren Fähigkeiten hegen.
Janusz Radziwill,
Der Fürst zu Birze und Dubno und Wojewod zu Wilna.«
»Pan Hetmann ist sehr besorgt darüber, ob Sie die nötigen Pferde beschaffen können,« sagte Pan Charlamp, als der kleine Oberst den Brief zu Ende gelesen hatte.
»Ja, das wird auch schwer halten,« erwiderte Wolodyjowski. »Ich werde mich gleich ans Werk machen. Gebt mir den Brief an Kmicic, ich werde ihn ihm selbst übergeben.«
Die ihm bevorstehende Aufgabe erleichterte Wolodyjowskis Herz so, daß, als er sich Pacunele näherte, er schon völlig seine mißglückte Werbung vergessen hatte. Bald verbreiteten sich im ganzen Dorfe Gerüchte von den Befehlen des Hetmans, und die Edelleute erschienen vor Wolodyjowski, um sich nach allem zu erkundigen. Alle versicherten ihm, daß sie selbst, wenn es auch vor der Ernte sein müßte, gern in den Krieg ziehen würden. Der Oberst sandte nach allen Gegenden Boten aus. Überall, wohin die Kunde drang, wurde reichlich auf den Feind geflucht; aber man schöpfte frischen Mut und sah glänzenden Siegen entgegen.
Für Pan Wolodyjowski brach eine mühevolle Zeit an. Er siedelte bald nach Upita über und leitete dort die Organisation der Landwehr. Seiner Geschicklichkeit und seinem Eifer gelang es allmählich, die notwendigen Pferde aufzutreiben. Während dieser Zeit stattete er auch in Lubicz einen Besuch ab. – Kmicic, obgleich er noch das Bett hütete, ging seiner Herstellung entgegen.
Pan Kmicic erkannte Wolodyjowski sofort bei seinem Eintreten. Er erblaßte unwillkürlich und griff mit seiner abgemagerten Hand zum Säbel, der über seinem Bette hing, dann zog er sie schnell wieder zurück und streckte sie seinem Gaste entgegen.
»Ich danke Ihnen für Ihren Besuch,« sagte er.
»Ich komme her, um zu fragen, ob Sie mir noch zürnen?« erwiderte Pan Michail.
»Keineswegs, – denn ich bin nicht vom ersten besten besiegt, mich hat ein Fechtmeister reinsten Wassers geschlagen. Kaum bin ich am Leben geblieben.«
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