Katharina zuckte mit den Schultern: »Stimmt. Zur Fischer-Lause kann ich gehen. Aber Henthen kennt mich.«
»Mich nicht.« Frauke grinste. »Und ich glaube, ich höre meine biologische Uhr gerade ganz laut ticken. Da wäre doch Henthen genau der Richtige, nicht wahr?«
»Würdest du das wirklich tun?«
»Klar. Wir Schwesterhexen von Polizei und Justiz müssen doch zusammenhalten«, sagte sie ernst, nur um dann laut loszulachen. »Das ist zumindest der offizielle Grund.«
»Und der inoffizielle?«
»Was tut man nicht alles, wenn man verliebt ist.«
»In wen?« Katharina wollte es eigentlich gar nicht wissen.
»In dich natürlich, Dummchen.«
Das fehlte jetzt gerade noch!
»Du weißt aber …?«, begann Katharina vorsichtig.
Die Staatsanwältin legte ihr die Hände auf die Schultern. »Katharina, ich bin zweiundvierzig. Keine sechzehn. Du bist halt hetero. Schade. Und träumen wird man doch noch dürfen. – Nun mach nicht so ein Gesicht und setz dich wieder hin. Sonst bekomme ich noch den Eindruck, du hast Vorurteile. Dein erstes lesbisches Liebesgeständnis?«
Katharina nickte. Ihr erstes Liebesgeständnis überhaupt. Bisher hatte sie sich Menschen immer gut vom Hals halten können.
»Andreas Amendt?«, fragte Frauke.
»Was ist mit ihm?«
»Habt ihr was –?«
»Nein!«
»Schade.«
Katharina fühlte sich elend für das, was sie jetzt tun würde: »Frauke? Kannst du mir noch einen Gefallen tun?«
»Klar. Immer.«
»Kannst du herausfinden, woher Andreas Amendt und Polanski sich kennen? Irgendwie werde ich den Verdacht nicht los, dass Polanski Amendt mal verhaftet hat.«
»Ich tue mein Bestes.«
»Danke.« Katharina beugte sich vor und gab der Staatsanwältin einen Kuss auf die Wange. Warum auch immer.
»So, Laura schläft jetzt. – Oh, Verzeihung, ich wollte nicht …«
Andreas Amendt stand im Türrahmen. Katharina war so verdattert, dass sie vergaß, Frauke loszulassen.
»Ich glaube, ich mache mich dann mal auf den Heimweg.« Amendt drehte sich ruckartig um und ging nach draußen.
Katharina war immer noch sprachlos. Frauke beugte sich zu ihr: »Keine Sorge, ich kläre das.«
Dann rief sie laut: »Doktor Amendt, können wir uns ein Taxi teilen?«
***
Katharina war froh, als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel. Sie wusste aber nicht recht, was sie mit sich anfangen sollte. Um ins Bett zu gehen, war es noch zu früh. Außerdem hatte sie das Gefühl, ihre beiden Fälle sträflich vernachlässigt zu haben.
Was hätte Thomas jetzt gemacht? Erst mal alles aufgeschrieben. Sie holte sich ihr Notebook. Die Fakten zu Henthen und Alexandra Taboch waren rasch geordnet. Eigentlich eine ganz klare Sache. Wenn die Annahmen, die sie, Andreas Amendt und Paul Leydth entwickelt hatten, richtig waren. Fehlten nur noch die Beweise.
Sie speicherte die Datei ab. Zu Melanie Wahrig hatte sie sehr viel mehr Material. Sie notierte erst einmal alles, was sie über den Täter wusste. Dann legte sie ein Dossier zu den Verdächtigen an. Im rechten Licht betrachtet, waren es gar nicht so viele:
Thomas Hartmann, der Architekt – unwahrscheinlich. Dann die männliche Belegschaft von stop!. Und natürlich die Unbekannten. Da der Täter das Adressbuch von Melanie Wahrig hatte verschwinden lassen, würde es schwer werden, weitere Namen zu finden. Also erstmal auf die konzentrieren, die sie schon kannte.
Sie kopierte die Bilder, die sie bei stop! gemacht hatte, von ihrer Kamera auf den Rechner und begann, sie in die einzelnen Profile einzubauen.
***
»Ich kann nicht schlafen.«
Katharina sah auf. Laura stand neben ihr, im Schlafanzug, mit ihrem grünen Plüschbären im Arm.
Was jetzt? Heiße Milch mit Honig? Honig hatte Katharina nicht im Haus. Aber … »Magst du einen Kakao?«
Laura zögerte: »Dann muss ich danach aber noch mal Zähneputzen.«
»Das wirst du wohl müssen«, sagte Katharina mit gespieltem Bedauern.
»Na gut.«
Das Mädchen tappte neben Katharina in die Küche. Die Leibwächterrunde war inzwischen bei seligen Erinnerungen an ihre Heldentaten angekommen. Laura musterte die drei kritisch.
»Wo ist denn Lutz?«, fragte sie.
»Ach, Lutz ist bei Elfie«, antwortete Hans vergnügt.
»Mag der Lutz die Elfie?«
Hans und Katharina zuckten mit den Schultern. Schwer zu sagen, wirklich.
***
Das kleine Mädchen saß auf dem Sofa und ließ die Beine baumeln. Sie nippte vorsichtig an ihrer Tasse Kakao. Schließlich sagte sie: »Ich finde das gut, wenn der Lutz die Elfie mag. Dann braucht die Elfie keine Angst mehr zu haben.«
»Wie kommst du darauf, dass Elfie Angst hat?«
»Weiß nicht. – Bin oft die Letzte im Kindergarten. Und wenn ich gehe, dann guckt sie sich immer so um und schließt ganz schnell ab. Und dann war da mal so ein Mann.«
»Was für ein Mann, Laura?«
»Weiß nicht. Aber er hat die Elfie ganz doll angebrüllt. Und die Elfie hat uns alle ins Haus geholt, als er weg war.«
Das Exmann-Phänomen. Katharina kannte das aus ihrer Arbeit nur zu gut.
Laura konnte Menschen offenbar recht gut einschätzen. Verflixt, warum hatte sie nicht gleich daran gedacht? Das Mädchen war doch eine Zeugin.
»Laura, magst du mir mit was helfen?«
»Klar.«
»Ich möchte, dass du dir ein paar Fotos ansiehst und mir sagst, ob du die Menschen kennst.«
»Klar.« Laura rutschte neben Katharina auf den Boden. Katharina rief die Bilder auf, die sie eben überspielt hatte.
»Das ist der Papa von Torben«, sagte sie zu dem Bild von Thomas Hartmann.
»War der schon mal bei euch?«
»Nö. Ich glaub, Mama hat den nicht so gemocht. – Die ist ganz schnell mit mir weg, als der mal in den Kindergarten kam.«
Katharina begann zu tippen.
»Was schreibst du denn da?«
»Das, was du gesagt hast.«
»Ist das denn wichtig?«
»Vielleicht.«
Katharina zeigte ihr das nächste Bild.
»Das ist der Wigo. Mama hat mit dem gearbeitet. Der ist immer lustig.« Katharina tippte wieder. Und zeigte Laura Bild um Bild.
»Das ist Sven. Der macht viele Fotos. War mal bei uns, aber nicht oft.«
Hasko Beyer: »Das ist der Chef von Mama. Der spricht immer so komisch. Hat mir mal ein Malbuch geschenkt.«
»Magst du ihn?«, fragte Katharina.
»Weiß nicht.«
André Meyer: »Das ist auch ein Chef von Mama. Hat Angst vor Flecken. Und redet auch so seltsam. – Den mag ich nicht.«
»Warum?«
»Hab Angst vor dem. Irgendwie.«
Aha. Katharina tippte wieder.
Hartmut Farber: »Der macht das Gleiche wie Mama. Hat sich deswegen mal mit Mama gestritten, als ich im Bett war. Ich hab sie aber ganz genau gehört.«
Ernesto Langmann, der Halbbrasilianer: »Der ist doof. Wollte immer bei uns übernachten, aber Mama wollte das nicht.«
Doch dann zeigte Laura erfreut auf die Frau, die neben Ernesto Langmann stand. »Das ist ja Tante Sandra. – Die war ganz oft bei uns. Die ist total nett und kann klasse Pfannkuchen backen.«
Katharina betrachtete das Foto. Tante Sandra? Hatte Laura nicht schon mal von ihr erzählt?
»Sie war mit deiner Mama befreundet?«
»Ja. Die hatten sich ganz doll lieb.«
Lieb, lieb … Da war doch was.
»Ist das die, die Frauen lieber mag?«
»Genau. Das ist aber nicht schlimm.«
Katharina lachte leise auf: »Nein, wirklich nicht.«
Laura sah grübelnd zu Katharina: »Mag die Frauke auch Frauen lieber?«
»Wie kommst du darauf?«
»Sie ist so mit dir, wie Tante Sandra mit Mama.«
***
Mr. PC
Donnerstag, 29. November 2007
»Elfie hat mich geküsst.«
Lutz war spät von seinem Rendezvous zurückgekommen und hatte sich sofort schweigend auf seine Matratze zurückgezogen. Am nächsten Morgen war er nicht viel gesprächiger. Am liebsten hätte er sich wohl sofort in den Wälzer versenkt, der vor ihm auf dem Küchentisch lag, doch Hans ließ nicht locker: »Und? Wie war’s?«
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