Sternberg verhalf ihre Untreue und seine daraus resultierenden Leiden zu Höchstleistungen als Regisseur.
Er machte sieben Filme mit ihr, die alle von ihrer Untreue und seinem Leiden an dieser Untreue inspiriert waren.
Josef von Sternberg brachte es in Hollywood vom Cutter zum Regisseur. Als er den Blauen Engel drehte, war er ein Regisseur, der einen kommerziell erfolgreichen Gangsterfilm und einen weiteren Film gedreht hatte, in dem der große Schauspieler Emil Jannings, für seine Darstellung einen Oskar bekam.
Spannende an Sternberg, ähnlich wie bei Hitchcock, ist sein Verhältnis zu seinen Schauspielerinnen.
In seinen Memoiren erwähnt er ein Bild von Goya mit dem Titel El Pelele, das sein Verhältnis zu Frauen zeigt. In diesem Bild sieht man vier Frauen, die eine männliche Puppe aus Stroh, mit einem Sprungtuch, hochwerfen (zu finden unter “Goya El Pelele“. Die Strohpuppe verdreht schmerzvoll den Kopf und lässt die Arme hängen.
Fünf Jahre vor dem Blauen Engel veröffentlichte Sternberg eine kurze Geschichte mit dem Titel “The Waxen Galatea“, darin geht es um einen schüchternen Mann, der sich in eine Puppe, im Schaufenster eines Modegeschäfts, verliebt. Er steht jeden Tag vor dem Geschäft und starrt die Puppe voller Leidenschaft an. Eines Tages begegnet ihm eine Frau, die der Puppe atemberaubend ähnlichsieht. Er folgt ihr, aber sie trifft einen Mann. Auf Verlangen der Frau, demütigt der Mann den Verfolger. Er stört die Frau bei ihrem Rendezvous.
Erschüttert gelobt der Gedemütigte nie wieder etwas anderes zu lieben als eine Wachsfigur.
Beide Selbstzeugnisse lassen es uns ahnen, Sternheim und seine Schauspielerinnen, das ist eine komplizierte Geschichte.
In seinem Verhältnis zu seinen Schauspielerinnen ähnelt Sternberg Hitchcock, der drehte Filme mit blonden kühlen Schönheiten wie Grace Kelly, Ingrid Bergmann und Tippi Hedren, und war jedes Mal in seine Hauptdarstellerin verliebt. Tippi Hedren, die Darstellerin aus den “Vögeln“ und aus “Marni“ berichtet in ihren Memoiren, wie Hitchcock sich bei einer Autofahrt auf sie geworfen hat.
Interessant ist wie Sternberg in den 7 Filmen, die er mit Marlene drehte, die unterschiedlichen Facetten ihres Wesens, in einer Art Huldigungsepos dargestellt hat.
Schauen wir uns die Filme an.
Der blaue Engel
Der Film, der Marlene und Josef zusammenbrachte, war der “Blaue Engel“, in Berlin gedreht. Vorlage für den Film ist Heinrich Manns Roman “Professor Unrat“. Josef von Sternberg macht daraus eine sehr persönliche Umsetzung in einen Film. Er konzentriert sich ganz auf die Selbstzerstörung eines Mannes durch seine Leidenschaft für eine verkommene Kabarettsängerin und lässt Manns gesellschaftspolitische Kritik bei Seite.
Während Sternheim noch am Drehbuch feilte, war die Rolle der Lola noch unbesetzt.
In seinen Memoiren beschreibt Sternheim die Rollenbesetzung der Lola Lola wie folgt:
In einem Berliner Kabarett sah er Marlene auf der Bühne und hatte seine Lola gefunden. Marlenes natürliche Erotik und betörende Gleichgültigkeit war es, die ihn sicher machte, dass sie einen Mann ruinieren konnte.
Er stellte seine Entdeckung seinem Produzenten und seinem Hauptdarsteller vor.
Diese verlangten Marlene solle den Hut abnehmen und ein paar Schritte gehen.
Sie tat das betont lustlos und lässig, prompt lehnten beide sie ab. Sie fanden sie auch zu mollig für die Rolle, Marlene hatte 20 Pfund Übergewicht.
Sternberg musste mit seiner Abreise aus Berlin drohen, um von Marlene Probeaufnahmen machen zu dürfen.
Bei den Probeaufnahmen war Marlen noch gelangweilter als bei ihrem ersten Auftritt, sie dachte sie würde wieder nur eine winzige Rolle bekommen und verstand das gewichtige Gebaren der Männer nicht. Sie war in einem weiten Kleid gekommen, das ihr Übergewicht verbarg, unbeirrt von ihrer Nachlässigkeit, steckte Sternberg mit ein paar Nadeln den Stoff geschickt ab, richtete ein paar Scheinwerfer auf sie und Marlene wurde zu Marlene, lebendig, sinnlich und lässig.
Sie sang dann noch, erinnerte sich Sternheim, nicht schön, aber herausfordernd und mit lockendem Charm, ein Lied über das Ende einer Liebesaffäre, damit war der Widerstand von Hauptdarsteller und Produzent gebrochen.
Der Film erzählt dir Geschichte des sittenstrengen Gymnasialprofessors Rath, der bei seinen Schülern eine Postkarte findet, die für die Vorstellung eines Wanderzirkus wirbt, auf der eine Frau mit Zylinder, kurzem Rock, nackten Schenkeln und schwarzen Strumpfbändern zu sehen ist. Er sucht den Wanderzirkus auf, um der auf der Postkarte sich schamlos zur Schau stellenden Frau, wegen ihres schlechten Einflusses auf die Jugend, ins Gewissen zu reden und betritt mit dieser Absicht Lolas Garderobe.
Rath wird bei diesem Besuch von seinen, lange unterdrückten Trieben, überwältigt. Lola ist gerührt und amüsiert über den Gelehrten und verbringt die Nacht mit ihm.
Am Morgen macht Rath Lola einen Heiratsantrag, den sie trotz böser Vorahnungen annimmt. Rath gibt seinen Beruf auf und wird Mitglied im Wanderzirkus und tritt als Clown auf. Lola wendet sich unbekümmert anderen Männern zu. Als der Wanderzirkus in die Stadt zurückkehrt, in der Rath gelebt hat, kommt es zum Showdown. Rath wird von seinen ehemaligen Mitbürgern verspottet, trifft Lola in den Armen eines Mannes an und versucht sie zu erwürgen, außer sich und wahnsinnig vor Schmerz, sucht er die Schule auf, in der er Lehrer war, stolpert in sein altes Klassenzimmer, umklammert das Pult, das einst sein ganzer Stolz war und stirbt.
Von den vier Liedern, die Marlene singt, ist das provozierendste das Lied mit dem Titel “Kinder, heut abend“.
Frühling kommt, der Sperling piept,
Duft aus Blütenkelchen!
Bin in einen Mann verliebt
Und weiß nicht in welchen!
Ob er Geld hat, ist mir gleich,
denn mich macht die Liebe reich!
Kinder, heute abend, da such ich mir was aus
einen Mann, einen richtigen Mann!
Kinder, die Jungs häng'n mir schon zum Halse raus,
einen Mann, einen richtigen Mann!
Einen Mann, dem das Herze noch in Lieb' erglüht
einen Mann, dem das Feuer aus den Augen sprüht!
Kurz: einen Mann, der noch küssen will und kann
einen Mann, einen richtigen Mann!
Männer gibt es dünn und dick
Groß und klein und kräftig
And're wieder schön und stolz
schüchtern oder heftig
Wie er aussieht, ist mir egal
irgendeinen trifft die Wahl!
Einen Mann, einen richtigen Mann.
.
Der Song erschien auch als Platte und wurde zu Hymne der lebenslustigen Frauen im Berlin der 20er Jahre.
Sternberg benutzt in seinem Film eine ausgeklügelte Symbolik für freiwillige Unterwerfung, der Professorentalar wird zur Zwangsjacke, aus Manschetten werden Handschellen, in der Rolle des Clowns trägt Rath einen Kragen, der dem Halsband eines Sklaven ähnelt.
In seinen Memoiren schreibt Sternheim:
„Bei den Dreharbeiten war sie wunderbar. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich nur auf mich. Sie verhielt sich, als sei sie mein Dienstmädchen; es entging ihr nie, wenn mir ein Bleistift fehlte; sie brachte mir einen Stuhl, wenn ich mich setzen wollte. Sie wehrte sich nicht im Geringsten, wenn ich ihre Lola gestaltete. Ich musste selten eine Szene wiederholen.“
Marlenes Gehorsam gab Sternheim die Kontrolle über alle Facetten ihrer Erscheinung, ihre Stimme, ihr Gang, ihre Gesten, ihre Garderobe.
Sehr schnell wurde Marlene die Geliebte von Sternheim, ihr Ehemann Rudi, war traurig darüber, aber fand sich in sein Schicksal, er hatte ja auch seine Geliebte Tamara und auch noch andere Frauen, Berlin war in den dieser Zeit, besonders in Künstlerkreisen, offen für die freie Liebe.
Es gibt eine Klatschgeschichte über Marlene, die ihre Liebespraxis deutlich macht.
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