»Zahlen!«
Phil sprang von seinem Sitz auf und griff nach den Einkaufstüten. Auf dem Heimweg sprachen die Drei kein Wort miteinander.
Zuhause studierten Thruda und Gabriel die gekauften Bücher und Phil surfte durch diverse Foren und Chaträume.
»Hier, das ist ein Thread von einem gewissen Leichenfledderer, angeblich Anthropologie Student. Hier geht es darum, dass deutsche Archäologen zur Kaiserzeit tonnenweise Sarkophage und Knochen aus Kaschmir nach Berlin gebracht haben. Leichenfledderer schreibt gerade seine Diplomarbeit über Bandscheibenvorfälle nach Kreuzigungen oder so ähnlich. Ich werde ihm mal eine Mail schicken, vielleicht kann er uns helfen.«
»Gute Idee!«, meinte Thruda.
»Hier in dem Buch steht, dass die Katholische Kirche die Leichen von jeder Menge Märtyrern zerstückelt und die Einzelteile in verschiedenen Tempeln verteilt hat. Wie barbarisch!«
Gabriel blickte etwas verschnupft.
»Das nennt man Reliquien und diese Tempel heißen Kirche!« »Moment, die Idee ist doch gar nicht so abwegig.«
Unterbrach Phil
»Angenommen jemand von der Kirche war schon schneller und hat die Knochen schon vor Jahrhunderten gefunden...« »...dann ist Jesus über dutzende verschiedene Kirchen verteilt!«, ergänzte Thruda
»Was bedeutet, dass wir gar nicht so weit reisen müssten um fündig zu werden. Vielleicht haben wir das Gesuchte direkt vor unserer Nase! Thruda, Gabriel! Ihr durchforstet die Bücher, ich hänge mich ins Internet und übernehme noch eine unangenehme Aufgabe!«
Phil seufzte und biss in den sauren Apfel seinen Bruder anzurufen, dieser zeigte sich hocherfreut, dass das »verlorene Schaf« nun doch endlich seinen Weg zum rechten Glauben gefunden hatte und gab sich höchst Auskunftsfreudig. Thruda und Gabriel hörten heimlich über Lautsprecher mit, aber Gabriel schüttelte bei fast jeder Antwort nur verständnislos den Kopf. Nicht ganz unwichtig war der Tipp von Phils Bruder, dass nicht nur Knochen, sondern auch Kleidung, Blut und Ähnliches als Reliquien aufbewahrt wurden.
»Das könnte vielleicht für einen DNA-Test ausreichen, immerhin genügt ja angeblich eine kleine Hautschuppe oder Körperzelle um so einen Test durchzuführen.«, stellte Phil fest. Phil und Thruda begannen eine Liste darüber zu erstellen, in welcher Kirche welche Teile von wem lagen und was davon eine heiße Spur sein könnte.
»Hier, im Aachener Dom soll es die Windeln von Jesus geben...«, meinte Thruda.
»Igitt!«, Gabriel verzog das Gesicht.
»Die sind doch nach 2000 Jahren bestimmt schon längst gewaschen! Da finden wir nichts Brauchbares mehr.«
»Was ist mit einem Nagel vom Kreuz? Da sind doch sicher noch Blutreste dran!«, Phil blickte die beiden fragend an. »Negativ, von diesen Nägeln gibt es so viele, dass man damit locker den Kölner Dom bauen könnte.«, warf Thruda ein.
»Aber in Wien gibt es die angebliche Lanze des Longinus, das ist das Ding, was er Jesus am Kreuz in die Seite gerammt hat und hier steht, dass ein echter Nagel eingearbeitet sein soll!«
»Super, die kommt auf unsere Liste!«, meinte Phil ohne vom Notebook aufzublicken
Auf die Liste kamen vorerst auch diverse Haare, etliche Milchzähne und sogar Tränen.
Gabriel ergänzte: »Dann wären da noch zwei Schweißtücher. Eines von einer Veronika und eines von Oviedo, knapp 20 Grabtücher, davon eines in Turin. Eine Dornenkrone, von der aber laut diesem Buch sämtliche Dornen fehlen. Also gibt es wohl keine Blutreste daran.«
»Da wäre dann noch der Gral, aber den können wir laut Dan Brown ja auch knicken.«, Phil rieb sich die Augen und streckte sich. Thruda hatte die nächste Idee: »Und was ist hiermit: im Ort Prüm gibt es Reste seiner Sandalen«
»Wo ist das denn?«
»Landkreis Bitburg«, antwortete Thruda.
»Na wenigstens gibt es dort Bier. Aber wenn Jesus keine Schweißfüße hatte, dann helfen die uns wohl auch nicht weiter.«, Phil angelte drei Dosen Bier aus dem Kühlschrank. Er warf Thruda und Gabriel je eine Dose zu, welche Gabriel etwas irritiert betrachtete. Gekonnt öffnete Phil seine Dose und nahm einen großen Schluck: »Also ich habe jetzt Hunger. Was haltet ihr von Pizza?«.
Der Pizzamann lies wie immer eine Stunde auf sich warten. Als es endlich an der Tür klingelte und Thruda öffnete, stand Loki als Pizzamann verkleidet vor ihr und überreichte ihr drei Kartons mit heißen, duftenden Pizzen. Thruda sah Loki verwundert an: »was tust du denn hier? Und was soll die Verkleidung?«
»Ich wollte nur aus erster Hand wissen ob es schon Neuigkeiten gibt. Immerhin ist das ja auch meine Wette, ob der Bengel die Richtige DNA hat oder nicht!«
»Wir kommen voran. Aber das müsstest Du eigentlich wissen. Gabriel und ich erstatten schließlich ständig Bericht an Euch. Also Loki, was willst Du wirklich?«
»Mit unserem Auserwählten reden...darf ich?«, Loki setzte seinen Dackelblick auf.
»Meinetwegen. Phil kannst Du mal kurz kommen?«, Thruda winkte Phil herbei.
»Was gibt es. Stimmt etwas nicht mit den Pizzen?« Thruda deutete mit den Pizzapackungen auf Loki.
»Darf ich vorstellen, das ist Loki.« »Angenehm, müsst ihr Götter jetzt schon Pizza ausfahren?« »Loki ist hier, weil er dich sprechen will.« »Na dann schieß mal los. Thruda, esst ihr schon mal, sonst wird’s kalt – meine Pizza kannst Du in der Schachtel lassen!« Loki musterte Phil, schmunzelte, wobei er teuflischer aussah als Luzifer, und meinte: »Phil, lieber Junge. Warum tust du dir das alles an? Was springt für dich dabei anschließend heraus? Na? Siehst Du, man hat dir nichts versprochen! Und deine Goldene Kreditkarte wird sich auch in Luft auflösen, wenn du deine Aufgabe erfüllt hast. Luzifer und ich dagegen bieten dir Reichtum, Macht, Frauen! Was du willst!« »Frauen?«
Phil wurde neugierig.
»Und was soll ich dafür tun?«
»Nichts weiter als dafür zu sorgen, dass der DNA-Test eindeutig negativ ausfällt. Eine Vaterschaft ausgeschlossen werden kann!«, Loki sah Phil direkt in die Augen. Phil schluckte und ihm gingen die Filme »der Pate«, »Faust« und »der Exorzist« durch den Kopf, aber auch »die Maske«. Plötzlich begann sein Thorshammer in der Hosentasche heiß zu werden und vibrierte leicht.
»Denk darüber nach, Phil!«, hauchte Loki.
Phil steckte die Hand in die Hosentasche, umklammerte fest den Thorshammer, zischte Loki ein zynisches »das habe ich schon!« entgegen und knallte dem Gott die Tür vor der Nase zu. Im selben Moment gab auch der Thorshammer wieder Ruhe. Inzwischen hatte Thruda die Pizzen auf Teller verteilt und die drei versuchten sich irgendwie in der winzigen Wohnung hinzusetzten um einen guten Blick auf den Fernseher zu haben.
»Was wollte Loki von Dir? Ich hoffe Loki hat dir nicht ein Angebot gemacht, damit er die Wette gewinnt. Für so etwas ist er bekannt.«, Thruda sprach mit vollem Mund und verschluckte sich fast an einer Olive.
»Hat er, aber ich habe ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen!«, Phil zuckte mit den Achseln und bekam ein anerkennendes Kopfnicken von Thruda.
Um unnötige Reisen zu vermeiden entschieden sie zuerst die Klöster und Kirchen in der Umgebung abzuklappern. Immerhin hieß die Gegend nicht umsonst »Pfaffenwinkel«. Ihr erster Weg führte sie nach Kloster Ettal. Dort soll der Legende nach einst der Heilige Gral aufbewahrt worden sein. Phil nutzte seine Goldene Karte um ein Auto zu mieten. So blieben die Drei unabhängig von Bahn und öffentlichen Verkehrsmitteln. Phil hatte den Fehler gemacht und Ettal von der Tal-Seite her angesteuert. Bereits nach der dritten Kurve musste er rechts ranfahren und Gabriel kam gerade noch rechtzeitig aus dem Wagen und übergab sich. Thruda kramte in Phils Rucksack und trichterte Gabriel einen großen Schluck Mjød-XXL ein. Nach ein paar Minuten konnten sie den Weg fortsetzten, mit einem stöhnenden Gabriel auf dem Beifahrersitz. Endlich in Ettal angekommen konnte Gabriel es gar nicht abwarten, bis das Auto eingeparkt war. Er riss die Beifahrertür auf, sprang heraus und atmete hysterisch ein und aus. Phil und Thruda sahen sich nur an und schüttelten den Kopf. Kurz darauf trat das Trio durch die Tür zur Kloster Kirche. Phil hatte auch ein schales Gefühl im Magen, aber das kam nicht von der Autofahrt. Das Klosterinternat hatte einen handfesten Skandal an der Backe. Statt »lasset die Kindlein zu mir kommen« machten die Klosterbrüder daraus: »lasset mich beim Kindlein kommen!«. Für solche Leute hatte Phil nur Verachtung übrig und nicht erst seit seiner Zeit im Internat. Innen erschlug sie der Barocke Pomp fast. Gabriel machte ein Gesicht, das entfernt an Spock erinnerte und so viel wie »faszinierend« bedeuten sollte. Thruda dagegen entfuhr irritiert ein lautes: »Oje!«. Phil konnte das alles nicht beeindrucken, er war davon überzeugt, dass man mit dem ganzen Gold etwas anderes hätte anfangen können als Kirchen anzumalen. Im Eingangsbereich angelte er einen Reiseführer aus der Auslage und begann zu lesen. »Mist!«, entfuhr es Phil, »Die originale Kirche wurde abgerissen und dieses Monster auf den Grundmauern erbaut! Wir sind mal wieder auf einer falschen Spur!«. Frustriert verließen sie die Kirche.
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