Erwin Schröder
Neues vom Heiligenschein
Achims abenteuerliches Glaubensleben in vier Episoden
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Inhaltsverzeichnis
Titel Erwin Schröder Neues vom Heiligenschein Achims abenteuerliches Glaubensleben in vier Episoden Dieses ebook wurde erstellt bei
Die Adoption
Der Gepard im Hausbibelkreis (5 Jahre später)
Jacqueline, ohlala ... (wieder fünf Jahre später)
Warum gibt es Gott? (noch einmal sieben Jahre später)
Impressum neobooks
Wie uns der Klapperstorch boykottiert und Jesus die Vertrauensfrage stellt
„Jesus“, fragte ich, „warum können wir unser Kind nicht bekommen wie andere Leute auch?“
„Glaubst du, ein selbst geborenes wäre besser als das, was jetzt auf euch wartet?“, erwiderte Jesus.
„Nein, das nicht unbedingt, aber beim selbstgeborenen wäre alles mehr wie ein Geschenk aus deiner Hand, und jetzt … ähh, ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll …“
„Du weißt, dass du Unsinn redest“, sagte Jesus. „Es wäre ehrlicher, du würdest dir deine Angst vor dieser Reise eingestehen.“
„Na hör mal, so ganz ohne ist eine Auslandsadoption wirklich nicht. Man weiß ja nie, was für ein Kind … also, wie der später mal einschlägt.“
Jesus schmunzelte; das tat er öfters bei mir. Ich konnte es natürlich nicht sehen, diese ganzen Gespräche mit ihm waren ja nur fiktiv, in meinem Kopf gewissermaßen; aber doch wieder so real, dass ich mir seine Gemütsregungen gut vorstellen konnte. Und dass er in letzter Zeit so oft schmunzeln musste, behagte mir gar nicht.
„Vielleicht beruhigt es dich ein wenig“, fuhr er fort, „wenn ich dir sage, dass euer Kind eine Mischung aus Tante Leni und Onkel Ludger geworden wäre.“
Das war nun gerade die Aufmunterung, die ich gebraucht hatte. Judiths Tante Leni, glühende Verehrerin von Marcel Lefèvre. Das war dieser Erzbischof, der sich seinerzeit mit dem Papst überworfen hatte, weil er dieses ganze moderne Zeug in der Kirche nicht mochte und seine Messen lieber lateinisch gehalten hatte. Und dann mein Onkel Ludger. Für den waren alle Pfaffen Lügner und Verbrecher. Die kamen direkt nach den Politikern, und die wiederum direkt nach den Handwerkern. Es hatte einige wenige Familienfeiern gegeben, auf denen sich die beiden begegnet waren. Und wir waren inzwischen alle froh, wenn sie sich nur mit Missachtung straften. Es war mir absolut unvorstellbar, wie sich so unterschiedliche Veranlagungen in einem Menschen vereinigen könnten. Bei der Befruchtung im Mutterleib würde es wahrscheinlich schon zur ersten großen Auseinandersetzung kommen.
„Jesus“, begann ich wieder, „willst du damit sagen, dass Judith und ich Träger dieses familiären Erbgutes sind?“
„Wenn du in die Tiefen deiner Seele blicken könntest“, sagte Jesus, „wärest du erschrocken, was du alles zu sehen bekommst. Aber wir kommen vom Thema ab, Achim. Warum kannst du denn der Adoption nicht mit der gleichen Zuversicht entgegenblicken wie einer Geburt?“
„Herr, hast du eine Ahnung, was da alles schiefgehen kann?“
„Hast du denn gar kein Vertrauen zu mir?“
„Ja … eigentlich schon.“ Da war sie wieder, diese Vertrauensfrage. Natürlich, eigentlich hatte ich schon Vertrauen, aber was hieß das schon? Hatte ich von Jesus etwa die Gewähr, dass alles gut gehen würde? Hatte er mir versprochen, dass wir alle Formalitäten erfolgreich abwickeln würden? Konnte ich mir sicher sein, dass das Kind bei unsrer Ankunft überhaupt noch da war? Und welche Zusagen hatte ich über die Gesundheit und die Entwicklung des Kindes? Vielleicht war der Vater Alkoholiker, die Mutter drogenabhängig, das Kind im Mutterleib schon vorgeschädigt. Vielleicht gab es schlimme Erbschäden, die erst im Teenie-Alter zu Tage treten würden. Und dann die soziale Integration. Worauf konnte ich mich denn da verlassen bei Jesus? Vielleicht würde das Kind gehänselt und geärgert. Vielleich würde die dunkle Hautfarbe doch mehr auffallen, als wir uns dachten. Vielleicht gab es jetzt schon so ein paar superblonde Säuglinge in unsrer Stadt, die nur darauf warteten, unserem Kind später in der Schule irgendwas Gemeines nachzurufen. Und da fragte Jesus mich so einfach, ob ich denn kein Vertrauen hätte!
Und wie in Gedanken murmelte ich erneut meine Antwort: „Ja … eigentlich schon, aber …“ Dieses Aber – es saß einfach drin in meinem Kopf.
„Vertrauen ist mehr“, sagte Jesus, „mehr als die Gewissheit, dass sich alles nach deinen Wünschen entwickeln wird.“
„Ich weiß“, sagte ich leise, aber eigentlich wusste ich gar nichts. Im Moment hätte mir diese kleine Stück Gewissheit auf jeden Fall sehr gut getan.
Wie wir mit guten Ratschlägen überschüttet werden und ein Toyota uns göttliche Weisung geben soll
Unser Weg bis zur Adoption war schon lang und steinig gewesen. Bereits vor zwei, drei Jahren war der Kinderwunsch bei uns gewachsen, und wir hatten mit viel Elan und Fantasie versucht, auf natürliche Art zu einem Kind zu kommen; Tage zählen und Candle-Light-Dinner inklusive. Aber all unsere Bemühungen hatten nicht gefruchtet … im wahrsten Sinne des Wortes. Dabei waren Judiths mütterliche Ambitionen immer stärker geworden, nicht zuletzt beim Anblick des Kindersegens in unserer Gemeinde. Und bei mir lagen schon umfangreiche Pläne für eine Modelleisenbahn in der Schublade, die nur darauf warteten, endlich in Produktion gehen zu dürfen. Doch Monat um Monat verging, ohne dass sich der gewünschte Erfolg einstellen wollte.
„Kinder sind eine Gabe des Herrn, so etwas muss erbeten sein“, war der erste gute Ratschlag, den wir erhielten. Es erschien auch mir absolut logisch, dass so ein elementarer Lebensabschnitt durch ein Gespräch mit Gott Unterstützung finden sollte.
„Jesus, du weißt schon, warum ich mit dir reden muss“, fing ich eines Tages an. „Das mit unserem Kind, beziehungsweise, dass wir kein Kind … Wo wir doch jetzt alles tun, damit endlich … Du verstehst, was ich meine.“
Ich lauschte in die Stille, lauschte in mich hinein, konnte jedoch keine spontane Reaktion Jesu erkennen.
„Schau mal: Wie viele Paare kriegen Kinder und wollen gar nicht! Wie viele Frauen werden mit Kindersegen überschüttet, ohne dich ein einziges Mal zu konsultieren. Und wir, wir möchten liebend gerne, und nichts tut sich! Du musst zugeben: Das ist nur schwer zu begreifen.“
Ich machte eine kurze Pause und schob dann schnell hinterher: „… aus menschlicher Sicht, meine ich natürlich.“
Da ich Jesu Stimme immer noch nicht hörte, wurde ich etwas offensiver.
„Jesus, ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, warum du uns den Kinderwunsch abschlagen solltest. Schließlich bieten wir doch gute Voraussetzungen für ein Kind … Judith als Pädagogin und dann bei all ihrer Mutterliebe. Es kommt mir manchmal so vor, als verteilst du deinen Segen nach dem Gießkannenprinzip.“
Ich hielt wieder inne. Warum antwortete Jesus mir nicht? Wenn ich gar nichts von ihm hörte, war das weitaus schlimmer, als wenn er schmunzelte. Natürlich, ich konnte mir seiner Nähe sicher sein, auch wenn ich seine Stimme nicht direkt hörte. Die Sonne scheint auch, wenn der Himmel bewölkt ist, man kennt das ja … rein theoretisch wenigstens.
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