Erwin Schröder
Der Heiligenschein im Vollwaschgang
Achims Pleiten, Pech und Pannen im Gemeindealltag
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Erwin Schröder Der Heiligenschein im Vollwaschgang Achims Pleiten, Pech und Pannen im Gemeindealltag Dieses ebook wurde erstellt bei
Wie ein Entertainer zum Bruder wird und ich auf einer Leiter die enge Pforte entdecke.
Wie vier Brüder in Einmütigkeit beisammen sind und Leonardo da Vinci zu einer Badehose kommt.
Wie ich meine ersten Gehversuche mache und meine Ausdauer zum Liebesbeweis wird.
Wie die Ewigkeit in die Fußgängerzone kommt und ich zur kommunistischen Urzelle werde.
Wie ich über meine eigene Courage stolpere, und warum ein gelbes Auto doch schöner ist als ein blaues.
Wie Bruder Johannes zur roten Rose kommt und ein Abend im Höllenfeuer endet.
Wie mir die Gemeinderoutine abhandenkommt und ich mich zum armen Spinner mache.
Wie mir mein Einkaufswagen abhandenkommt und Pastor Wilhelm Busch auf Edgar Wallace trifft.
Wie die große Freiheit zur kleinen Zelle wird und ein Arm in die Tiefkühltruhe kommt.
Wie ein Weckglasgummi für Chaos sorgt und der Jubel des Volkes Israel darüber keine Grenzen kennt.
Wie eine Reise in die Vergangenheit in den Zeichen der Endzeit stecken bleibt und ein Fußball zum Lichtblick wird.
Wie sich ein Gummistiefel mit Wasser füllt und ich die Gemeinde im Regen stehen lasse.
Wie Manna vom Himmel regnet und mein Tempel eine Rundumsanierung bekommt.
Wie Johannes der Täufer auf den Hund kommt und ein pädagogisches Experiment zum hygienischen Problem wird.
Wie eine Predigt zu Herzen rührt und ein Satz Messer unter den Küchenschrank kommt.
Wie ich meine persönliche Bestzeit laufe und das größte Geheimnis des Pietismus lüfte.
Wie ich für die Vielfalt der Gemeinden werbe und Jesus mich an meinen Worten messen will.
Wie sich ein Porsche überschlägt und mein Gesprächskonzept aus den Fugen gerät.
Wie ich mit Fürbitten für ein langes Leben überschüttet werde und mein Kleingeld zum Prüfstein der Nächstenliebe wird.
Wie ich in die Tiefen der Gemeindestruktur eingeführt werde und die Effizienz eines Unternehmens gemessen wird.
Wie unsere Katze zur Therapiekatze wird und sich ein Nachbar daneben benimmt.
Wie ein Blitz meine Rettung werden könnte und ich den Tag auch ohne ihn überstehe.
Wie ein Krimi entsteht und Bruder Seidler gegen seine ehernen Grundsätze kämpfen muss.
Wie ich die Stimme meines Herrn höre und Makowiz seinen größten Coup landet.
Wie ich versuche, einen Berg zu versetzen und eine Thermoskanne in den Abgrund führt.
Wie Judith zu Frau Renate wird und ich mir Jonny im Himmel vorstelle.
Wie ich das göttliche Postverteilzentrum kennen lerne und mein Weg nach Emmaus in der Wüste endet.
Wie eine Pommes rot-weiß zu Johann Sebastian Bach führt und sich der Knoten in meinem Kopf löst.
Impressum neobooks
Wie ein Entertainer zum Bruder wird und ich auf einer Leiter die enge Pforte entdecke.
Da hockte ich nun in drei Metern Höhe auf dieser wackeligen Leiter und versuchte, mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Man hatte mich gebeten, einen Bibelvers in großen Lettern an die Wand zu malen. Die Wand gehörte zu einem großen Saal, in dem sonntags die Gottesdienste zelebriert wurden. Und der Saal gehörte zu einem alten Fabrikgebäude, das als eine Art Kirchenersatz diente.
Wie ich in diese seltsame Situation hinein geraten war, hätte ich zwei Wochen vorher selber noch nicht für möglich gehalten. Natürlich lag es an einer Frau, der wunderbarsten Frau des gesamten Kosmos, die ich jetzt mit meinem Arbeitseifer beeindrucken wollte.
Die Gemeindeleitung hatte sich für den Vers „Gehet ein durch die enge Pforte“ entschieden, was mir sehr gelegen kam. Sechs Wörter, 26 Buchstaben, das müsste in einer Stunde zu schaffen sein. Mir zur Seite stand der Gemeindeleiter, ein gutaussehender, braungebrannter Mittvierziger, der wahrscheinlich früher mal als Entertainer in einer amerikanischen Vorabendshow gearbeitet hatte. Er stand unter der Leiter und erklärte mir, dass ebenfalls die sogenannte „Waffenrüstung des Paulus“ zur Debatte gestanden hätte. „Ergreifet den Harnisch Gottes ... den Panzer der Gerechtigkeit ... den Schild des Glaubens ... und noch dies und das“. Ich schaute diese Stelle einige Tage später in meiner alten Schulbibel nach und zählte 88 Wörter oder 444 Buchstaben … da hätte ich aber mächtig zu tun gehabt. Da gefiel mir die enge Pforte doch schon wesentlich besser.
Der Entertainer stellte sich dann als Bruder Dornstett vor. Wieso er sich jetzt „Bruder“ nannte, war mir nicht direkt klar. Ich hatte immer gedacht, Brüder und Schwestern gäbe es nur im Kloster. Aber nein: „Bruder“ - die Anrede war hier so selbstverständlich wie „Genosse“ bei den Roten.
Während ich vorsichtig mein „Gehet“ pinselte, fragte ich ihn nach der Gemeinde aus, nach diesem Haus, nach der Anzahl der Mitglieder, nach allem, was mir so einfiel. Es war ja doch beeindruckend, wenn man nur den normalen Kirchenbetrieb kannte. Dieses Autonome, dieses Bewusste … Hier war niemand ein Mitläufer oder eine Karteileiche. Bruder Dornstett gab mir bereitwillig Auskunft, und als ich mein „Gehet ein“ fertig hatte, war ich tief beeindruckt von der Vielzahl der christlichen Gemeinschaften, die neben den beiden großen Kirchen existierten.
Als ich mit „durch“ begann, fragte mich Dornstett unvermittelt: „Ihre Wiedergeburt, liegt die schon länger zurück?“
„Meine Wiedergeburt?“, fragte ich und überlegte, was er gemeint haben könnte.
„Ja, Ihre Wiedergeburt, ich meine, Ihre Bekehrung, wann war die?“
Ich konzentrierte mich mit meinem Pinsel auf den Bogen im „u“ und überlegte, was ich antworten sollte. Wieso wollte er jetzt ein Datum meiner Wiedergeburt haben? Brauchte man so etwas?
„Ich glaube schon länger an Gott“, sagte ich nur und war mir selber nicht sicher, ob ich meinen eigenen Worten trauen konnte.
Um das Gespräch wieder auf handfestere Dinge zu lenken, fragte ich: „Wie finanziert sich diese Gemeinde eigentlich?“
„Wir geben den Zehnten“, sagte Dornstett und griff nach der Leiter, um sie festzuhalten.
Der Zehnte, was hatte das wieder zu bedeuten? Die Fachsprache der Freikirchler schien mir ebenso umfangreich wie die der Juristen und Mediziner. Vielleicht war ja Zahltag am 10. jeden Monats.
„Welchen Zehnten?“, fragte ich.
„Die Bibel spricht davon, dass wir zehn Prozent unserer Güter dem Herrn geben sollen.“
Ich überflog im Kopf kurz mein Gehalt. Als ich zu Dornstett herabschaute, wurde mir schwindelig. „Das ist aber erheblich mehr als die Kirchensteuer“, sagte ich.
Dornstett wollte mich etwas beruhigen. Er umfasste die Leiter noch fester und sagte: „Alles ist ganz freiwillig, jeder gibt, wie es der Herr ihm aufs Herz legt.“ Da war ich ja froh, dass der Herr mir noch nichts aufs Herz gelegt hatte.
Meinen Schriftzug hatte ich schließlich fertig gepinselt. Nun standen wir davor und begutachteten das gelungene Ergebnis. Ich spürte, dass so eine Gemeinde nicht irgendein Verein war. Trotz aller Skurrilitäten war ich neugierig geworden und wollte das hier weiter kennen lernen. Und auch durch eine enge Pforte wollte ich mich nicht abschrecken lassen.
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