Jürgen die Angel klar machte und den Köder anbrachte.
Dann fuhr ich langsam auf das andere Ende des Sees zu. Das Brummen des
Motors und das Glucksen der Bugwelle waren die einzigen Geräusche, die zu
hören waren, als ich auf die Mitte des Sees zu steuerte. Dann stellte ich den Motor
ab und Jürgen befestigte die Angel an der Bordwand. Ich lehnte mich zurück und
machte ein Nickerchen.
Was für eine Wohltat. Diese Stille, die ich aus Deutschland kaum kannte. Sogar in
unseren heimischen Wäldern hört man irgendwelche Geräusche. Entweder von
einem nahen Ort, den Spaziergängern oder Autos. Hier in Kanada kann man die
Stille förmlich hören.
Ab und an öffnete ich die Augen und sah, dass auch mein Freund ein Nickerchen
machte.
Einige Zeit später wurde ich durch ein Poltern geweckt. Jürgen hatte die Angel in
der Hand und warf die Leine einige Meter weiter ins Wasser. Er grinste und sagte:
„Bis jetzt hat noch keiner angebissen. Lass uns fahren, es ist schon später
Nachmittag!“
Ich warf den Motor wieder an und langsam fuhren wir zurück.
Jürgen machte die Angel fest und ließ den Haken hinter dem Boot herziehen.
Vielleicht klappt es ja auf dem Rückweg.
Ich wollte aber mal sehen, was das Boot so hergab und gab Gas. Mit schäumender
Bugwelle zogen wir durchs Wasser.
Es ging auch ganz schön ab und Jürgen lachte: „Wenn jetzt noch ein Fisch an den
Haken will, muss er sich aber beeilen.“
Erst wenige Meter vor dem Landungssteg nahm ich Gas weg und drosselte den
Motor.
Da rief auch schon Jürgen. Die Angelleine hatte gezuckt und spannte sich. Er nahm
sie schnell in die Hand und holte den Fisch aus dem Wasser.
Naja, nicht das tollste Exemplar, doch für uns beide reichte es zum Abendbrot.
Er nahm in an Ort und Stelle aus und tütete ihn ein.
Müde und glücklich kamen wir am frühen Abend von unserem Trip zurück und
Brigitte bereitete uns den Fang zu, der leckerer schmeckte, als wir es ihm ansahen.
Dann saßen wir noch lange auf der Veranda und ließen den Tag bei einem guten
Tropfen ausklingen.
Endlich war es so weit.
Schon lange wollten wir in Kanada mal eine Kanu-Tour auf einem der Seen
machen. Der Tatla Yoko Lake war für den Anfang gut geeignet dafür. Der etwa 23
Kilometer lange und bis zu zwei Kilometer breite See, war zwar eine Pfütze
verglichen mit anderen Seen in Kanada, doch für eine Drei-Tage-Tour sollte er
reichen.
Man brachte uns mit dem Pic Up und der Ausrüstung bis hinunter zum See.
Eigentlich wollten wir noch am Nachmittag losfahren. Doch schon bei der
Vorbereitung zu unserer Tour bemerkten wir, wie der Wind auffrischte.
Bald schon sichteten wir auch die ersten leichten Schaumkronen auf den höher
werdenden Wellen.
„Na, das wird wohl heute nichts mehr werden“, knurrte Jürgen. Für ihn als
überzeugten Kanuten ein Graus. In Deutschland hatte er ein Schild an seinem
Wagen, worauf stand Vorsicht Kanufahrer. Er hält an jeder Pfütze“.
So zogen wir also das Boot wieder ans Ufer und blickten zum Himmel. Einzelne
dunkle Wolken zogen über uns hinweg und der Wind nahm an Stärke zu. Wie wir
später erfuhren, konnte man dieses Schauspiel fast jeden Tag zur gleichen Zeit
erleben. Immer um die Mittagszeit fegten starke Winde vom Pazifik her durch die
Berge und machten die Seen für kleine Boote unbefahrbar.
Der Steg, der hinaus in den See führte, wurde von den Wellen schon überspült und
auch das kleine Motorboot, das am Ufer lag, wurde vom Sturm hin und her
gerissen und bewegte sich wie von Geisterhand.
Na, Mahlzeit. Wir konnten uns also auf einen langen Abend und eine einsame
Nacht einrichten. Und so entfachten wir erst mal ein Feuer. Das ist übrigens das
Wichtigste in diesem Land. Ohne ein gutes Feuer läuft hier nichts. Zum Wärmen,
Kochen und nasse Klamotten trocknen ist es unentbehrlich. Und Holz dazu lag hier
am Ufer genug herum.
Dann packte ich mein Kochgeschirr aus und machte mich daran, einen Kaffee zu
kochen. Einen anderen Topf benutzten wir, um ein kräftiges Süppchen
zuzubereiten. Das nötige Wasser dazu holte ich einfach aus dem See. Vom Steg
aus schöpfte ich schnell zwischen zwei hohen Wellen das kristallklare Nass. Doch
nicht schnell genug. Eine hohe Welle rollte heran und ehe ich flüchten konnte, hatte
sie mich erfasst und ich stand knietief im Wasser. Jürgen, der das mit ansah, lachte
schallend und auch ich musste grinsen.
Naja, wir hatten beide unsere wasserdichten Überhosen an und so blieb alles
trocken. Nur in meine Trekking-Schuhe war etwas Wasser eingedrungen.
Ich stellte den Topf mit Wasser auf den Rost über dem Feuer und schüttete eine
gute Portion Kaffee dazu, den ich mit dem Esslöffel umrührte.
Jürgen sah grinsend zu und meinte trocken: „So kocht man Teer.“
Ich erwiderte: „Soll ja auch nach Kaffee schmecken und nicht nach Wasser.“
Dann saßen wir auf unseren Camping Hockern am Ufer und schlürften genüsslich
unseren Teer.
Ab und an fegten Sturmböen über uns hinweg und ich musste meinen Hut
festhalten.
Jürgen machte ein Nickerchen und ich blickte nachdenklich auf den See hinaus.
Weiße Schaumkronen tanzten auf den Wellen. Sie sahen aus, wie die wilden
Mähnen galoppierender Pferde. Ich zog meinen Flachmann aus der Jackentasche
und goss einen guten Schluck Golden Wedding in meinen Kaffee.
Die Nacht würde noch lang und Zelte wollten wir nicht aufstellen, wegen der paar
Stunden.
Beim Rauschen der Brandung dachte ich über die vergangenen Tage nach. Wir
waren wirklich in Kanada und erlebten zum ersten Male die echte Wildnis. Ich
konnte es immer noch nicht richtig glauben. Es kam mir vor wie ein süßer, weit
entfernter Traum. Doch es war Wirklichkeit.
Schnell kam der Abend und damit die Dunkelheit. Nur der flackernde Schein des
Feuers erhellte wenige Meter die Umgebung. Ich versuchte, ein wenig zu schlafen,
setzte mich an einen dicken Baum, der etwas windgeschützt hinter einem Gebüsch
stand, und zog meinen Hut tief ins Gesicht.
Doch das Rauschen der Brandung und das Knacken der Äste ließen nur kurze
Nickerchen zu.
Und so verbrachten wir die Nacht.
Ich muss doch eingeschlafen sein, denn Jürgen klapperte mit dem Geschirr und
hatte schon wieder irgendetwas auf dem Feuer.
Es gab Eier mit Speck und Bohnen aus der Dose.
Mir knurrte auch schon wieder der Magen. Ich hatte hier in Kanada dauernd
Kohldampf - was ich von zuhause gar nicht so kannte. Da bin ich eher ein
mittelmäßiger Esser.
Mampfend saßen wir am Feuer und Jürgen meinte zwischen zwei Bissen: „Heute
geht’s los. Der See ist wieder ruhig“.
Und tatsächlich: Wie ein Spiegel lag der See vor uns. Kein Lufthauch regte sich.
Und zudem kam auch die Sonne langsam durch die sich auflösenden dunklen
Wolken. Es schien ein guter Tag zu werden.
Nach dem kräftigen Frühstück beluden wir unser Kanu und stachen endlich
gutgelaunt in See.
Von den nächsten Tagen ist nicht viel zu berichten. Wir durchfuhren den See bis zu
seinem Ende und waren bereits wieder auf dem Rückweg, als das Wetter abermals
umschlug und der Wind zunahm.
Wir sahen uns an und Jürgen schüttelte den Kopf. So was kann es doch einfach
nicht geben. Wir schauten auf die Uhr. Ja, fast dieselbe Zeit wie das letzte Mal.
Man konnte wirklich die Uhr nach dem Wetter stellen.
Aber was soll´s! Wir hatten ja Zeit und es war für heute auch genug. Wir wollten ja
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