Carola hatte aus Hannover, für mein Bett eine Bettdecke mitgebracht, die 2 x 2 m groß war. Eine Decke für uns beide zusammen. Und ganz viele kleine passende Kissen hatte sie auch noch auf das Bett verteilt. Ich fand es toll. Carola hatte aus meinem Bett, nachdem ich dieses vor meiner Fahrt schon mit der neuen Matratze für uns beide gemütlicher gemacht hatte, ein kleines Liebesnest gebaut.
Als wir spät abends unter die große Decke krochen, sagte Carola, sich an mir kuschelnd: „Du bist der erste Mann, bei dem ich das Gefühl habe, mit ihm unter einer gemeinsamen Decke schlafen zu können.“
Wow, wenn das eine neununddreißigjährige Frau sagt, ließ das für die Zukunft doch viel hoffen. Eine große Matratze, eine gemeinsame große Bettdecke, und eine tolle Frau, die sich selig an mich schmiegte. Ich fühlte mich wie im siebten Himmel.
Statt im siebten Himmel zu schweben, hätten mal lieber einige Alarmglocken anschlagen sollen. Carola hatte das nämlich ernster gemeint, als es für mich klang. Sie hatte nämlich überhaupt Probleme, neben einem Mann in einem Bett zu schlafen.
„......., doch keiner verstand zu deuten die Flammenschrift an der Wand.“
Irgendwann in der Nacht grübelte ich, Carola war neben mir inzwischen eingeschlafen, über meine Zukunft nach. Langsam aber sicher kam ich zu dem Entschluss, mit der ARGE über mein Problem zu sprechen. Es war besser jetzt, bevor praktisch irgendetwas angeleiert wurde, mit den Leuten zu reden, als später mitten im Projektverlauf. Ich wollte nicht meine Zukunft, sondern unsere gemeinsame. Und zurzeit war ich noch derjenige, der über den Ort seiner Zukunft relativ flexibel entscheiden konnte. Carola war in Hannover gebunden. Daran war nichts zu ändern.
Am Montag sollte ich bei der ARGE das Abschlussgespräch haben, bevor es ins Eingemachte ging. Bei diesem Gespräch wollte ich die private Veränderung, von der ich, als ich mich für das Projekt beworben hatte, noch nichts geahnt habe, ansprechen. Vielleicht gab es ja eine Lösung. Zumindest konnte ich eher jetzt auf eine Lösung hoffen, als später.
Bevor wir uns am Montagvormittag trennen wollten, sprach ich das Thema bei unserem gemeinsamen Frühstück an. Carola war begeistert. Ich sollte unbedingt die Chance, einen Job in Hannover zu bekommen, sollte man sie mir geben, nutzen. Als wir uns vor meiner Haustür trennten, gab sie mir einen dicken Kuss.
„Viel Glück, und sorge dafür, dass du nach Hannover kommen kannst.“
Das Gespräch bei der ARGE verlief besser als ich gedacht hatte. Das Motto des Projektes: „Wir machen alles, was der Kandidat möchte, solange es sinnvoll erscheint“, wurde anscheinend ernst genommen. Mein Schwedischkurs war bereits für mich gebucht, allerdings kein Crashkurs, sondern ein Anfängerkursus in einer größeren Gruppe. Nun, einen Anfängerkursus hätte ich auf keinen Fall benötigt, allerdings sollte ich an ihm, da er schon einmal gebucht war, trotzdem teilnehmen, auch wenn ich nicht mehr plante, nach Schweden auszuwandern. So ganz kam man auch hier an der berüchtigten deutschen Bürokratie nicht vorbei. Gebucht ist nun einmal gebucht. Aber im Grunde war es kein Problem, dass ich aus privaten Gründen mein Lebensziel geändert hatte. „Es bringt doch nichts, wenn wir sie nach Schweden vermitteln, und sie eigentlich ganz woanders sein wollen“, erklärte mir der Sachbearbeiter bei der ARGE zu meiner Erleichterung.
Ich sollte zwar die Einzelheiten noch mit der Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein (WAK), die die praktische Ausführung des Projekts durchführte, durchsprechen, aber man würde den dortigen Mitarbeiter schon im Vorfeld über die neue Sachlage informieren, sodass dieser vorbereitet war.
Der Schwedischkurs sollte am Montag, den 18. September, losgehen. Eine Woche vorher, am Montag den 11. September, war mein Termin bei der WAK, worauf noch in der gleichen Woche die Vermittlungsbemühungen losgehen sollten.
Der Montag und der Dienstag vergingen für Carola und mich wie im Flug. Wir fuhren auch mal wieder an die Ostsee, gingen viel spazieren und besuchten unsere Stammkneipe „Carrickfergus“. Nachts genossen wir die große neue Matratze. Wir unterhielten uns intensiv darüber, dass ich alles daransetzen sollte und würde, um in Hannover einen Job zu finden. Carola hoffte und drückte die Daumen, dass unsere gemeinsame Zukunft klappen würde. Sie wollte mich nicht, genauso wie ich sie nicht, an Schweden verlieren.
Am Mittwoch früh konnte Carola ihre Abreise, sie musste wieder nach Hannover, da sie jetzt die Einrichtung der Praxisräume beenden musste, nicht mehr hinausschieben. Bereits kurz nach vier stand sie auf, duschte kurz und verabschiedete sich von mir. Es half nichts, sie musste die letzten Sachen erledigen, damit die Abnahme der Praxis, durch die entsprechende Behörde, mit Erfolg durchgeführt werden konnte. Sie gab mir, der noch im Halbschlaf im Bett lag, einen dicken Kuss, als sie die Wohnung verlassen wollte.
„Bleib doch noch.“
Carola lachte. „Das geht nicht. Ich muss nach Hannover, sonst bekommen wir keine Abnahme. Und stell dich nicht so an. Du kommst ja schon übermorgen fürs Wochenende nach Hannover. Sorge inzwischen dafür, dass die WAK keinen Mist macht.“
„Das wird schon klargehen“, murmelte ich im Halbschlaf.
Dann war Carola weg.
Bei meinem Treffen mit dem WAK-Mitarbeiter ging alles glatt über die Bühne. Man hatte sich bereits mit einem privaten Personalvermittler in Verbindung gesetzt, der für mich in Hannover auf Jobsuche gehen sollte. Eigentlich fand ich das, was man für mich hier anstellte, herausgeschmissenes Geld, also Steuerverschwendung. Man gab sich riesige Mühe, um mich in Hannover zu vermitteln. Das fand ich zwar ganz toll, aber es wurde dadurch, auch wenn die Aktion ordentlich Steuergelder kostete, kein einziger zusätzlicher Arbeitsplatz geschaffen. Bekam ich in Hannover einen Job, hieße das nur, dass man viel Geld ausgegeben hat, um mir, der in Lübeck wohnte, einen Job zu vermitteln, den sonst ein Hannoveraner, durch die völlig normale Vermittlungsbemühung der ARGE-Hannover, hätte bekommen können, und der jetzt leer ausging. Ich schätzte, dass die ganze Aktion Profil 300, es wurde, sich ja nicht nur um mich gekümmert, sicher einige Hunderttausend Euro kosten würde. Dafür hätte man in Lübeck schon den einen oder anderen Meter Straße sanieren können, und damit nicht nur echte Arbeitsplätze geschaffen, bzw. sichern können, sondern man hätte auch etwas sehr dringendes geleistet. Lübeck hat es wirklich bitter nötig, dass die Straßen saniert werden, damit die notwendige kommunale Infrastruktur erhalten bleibt.
Aber ich wollte mich nicht beschweren. Der Topf war nun einmal bereitgestellt, und wenn ich nicht aus ihm schlabbern würde, würde es ein anderer tun. Und egal, wie ich über den Sinn und Unsinn der Ausgaben dachte, am Freitag fuhr ich mit dem Zug nach Hannover und freute mich schon darauf Carola in die Arme zu nehmen und ihr freudestrahlend zu erzählen, dass sich alle nur noch damit beschäftigten, mich in Hannover unterzubringen, und niemand sich mehr um Schweden kümmerte.
Auf dem Bahnsteig des Hauptbahnhofs Hannover, wo Carola mich abholen wollte, war keine Carola zu sehen. Auch in der großen Halle, ich wusste ja nun schon bereits, dass Carola stürmische Begrüßungen am Bahnsteig, direkt am Zug, nicht unbedingt mochte, fand ich keine Carola. Zum Glück war diesmal wenigstens mein Handy aufgeladen. Ich klingelte sie an:
„Ich steh hier heulend, einsam und verlassen, mitten auf dem großen Bahnhof. Ich weiß nicht wohin, und es ist keine Tante da, die mich abholt.“
„Wo bist du“, fragte Carola lachend.
Ich schaute mich schnell um.
„ÄÄhh. Moment mal. Hinter mir ist ein Mc.Donalds.“
„Dann weiß ich, wo du bist. Warte mal da. Wir sind gleich bei dir.“
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