Berthold Kogge - Du weißt doch, Frauen taugen nichts

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Jeder Mensch, der als Kind missbraucht wurde, und der nicht in der Lage war dieses Trauma zu verarbeiten, riskiert selbst Täter zu werden. Unfähig einem anderen zu vertrauen, sehnt er/sie sich gleichzeitig nach Liebe. Voller Sehnsucht stürzt er/sie sich auf jemand anderen, um dann mit Entsetzen festzustellen, dass man ja in einer Beziehung vertrauen muss. Sie war ein Sommermärchen, eroberte mein Herz, wie niemals jemand zuvor. Als sie das erste Mal ging, hieß es: «Du bis das Beste, was mir in meinem ganzen Leben passiert ist, aber ….» Nach fünf Tagen kam sie reumütig zurück. Es täte ihr Leid. Die endgültige Flucht passierte drei Wochen später. In der letzten Nacht lag sie stocksteif im Bett. Als ich wissen wollte, was mit ihr los sei, hieß es eiskalt: «Ich will, von einem Fünfundzwanzigjährigen mit Waschbrettbauch, die ganze Nacht durchgevögelt werden.»
Erst am nächsten Morgen schaffte ich es, ihr ein Gespräch abzuringen. Auch da hieß es, mit versteinerter Gesichtsmaske, sie will sich nicht festlegen, sie will auch andere Männer haben. Das ging so lange, bis es plötzlich, mit Tränen in den Augen, aus ihr heraus brach: "Woher soll ich wissen, dass du die Wahrheit sagst, woher soll ich wissen, dass du es ernst mit mir meinst. Eine Frau, die Angst hat, dass man es nicht ernst meint, will kein Leben in freier Liebe. Irgendwie einigten wir uns an dem Morgen darauf, dass wir doch eine feste Beziehung behalten, ich immer noch in ihre Stadt ziehen sollte. Am nächsten Tag bekam ich von ihr eine E-Mail, sie könne sich nicht festlegen, sie will auch andere Männer haben, und überhaupt: «Du weißt doch, Frauen taugen nichts.» Danach blockte sie (fast) jedes Gespräch ab. Mich gab es für sie nicht mehr. Ich sollte nicht einmal auf dieser Erde existieren, und sollte das auch gefälligst akzeptieren. Dass ich alles verloren hatte, Schweden, meine beruflichen Pläne in ihrer Stadt, einfach alles, interessierte nicht.

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Du weißt doch, Frauen taugen nichts

Wenn Opfer zu Tätern werden

Berthold Kogge

Zweite Auflage

Copyright © 2013 Berthold Kogge

published by: epubli GmbH Berlin,

www.epubli.de

ISBN 978-3-8442-5445-7

Dieses Buch wurde zum Gedenken aller geschrieben, die von missbrauchten Menschen seelisch vergewaltigt wurden. Dieses Buch existiert zum Gedenken aller, die von vergewaltigten Seelen missbraucht wurden.

Wer glaubt, dass Gewalt erst bei körperlicher Gewalt anfängt, ist dumm. Dumm und borniert.

Wenn Opfer sich weigern sich mit sich selbst und mit dem, was mit ihnen geschehen ist, sich auseinanderzusetzen, laufen sie Gefahr selbst zu Tätern zu werden.

Dieses Buch wurde von einem Opfer eines Opfers geschrieben.

Prolog im Jahr2010

Jetzt, wo ich all das Geschehene hier niederschreibe, sind mehr als drei Jahre vergangen, seit die Katastrophe über mich hereinstürzte. Es war ein Sommermärchen, das Ende Juli, Anfang August 2006 begann, nicht ganz zweieinhalb Monate dauerte, durch kräftige Herbstgewitter, die rund sieben Monate donnerten und blitzten, abgelöst wurde, und am Schluss mit heftigem Schneegestöber endete, die im Grunde bis heute andauern, und noch immer durch meinen Kopf fegen.

Nichts ist beendet.

Kann etwas beendet sein, wenn jemand ganz bewusst versucht ein Ende dadurch zu erreichen, in dem er, oder genauer gesagt sie, mit Absicht einen Streit vom Zaun bricht, sich dann einfach verkrümelt, versteckt, tot stellt, nicht mehr zu fassen ist, und dadurch der Streit eben nicht, wie es sich eigentlich gehört, beendet wird, sondern weiterhin im Raum stehen bleibt? Und das alles nur, um die Beziehung nicht im Guten, also friedlich, mit einer Aussprache beenden zu müssen. Sondern in der Hoffnung, diese Aussprache vermeiden zu können, die Beziehung eben ganz bewusst, da sie nicht gelernt hat ihre Schwächen einem anderen anzuvertrauen, versucht im Streit zu beenden, damit die Wahrheit nicht ans Licht kommt. Und es ihr dabei völlig egal ist, wie der Andere sich dabei fühlt, wie sehr er durch so ein Verhalten verletzt wird.

Oder auch das noch genauer ausgedrückt, man schon vor vielen Jahren der Frau, die feststellt keine Beziehung haben zu können, jegliches Vertrauen, das man braucht, um Schwäche zeigen zu können, was für eine Beziehung, wie auch für deren Beendigung „im Guten“ nötig wäre, ausgetrieben hat. Und sie dadurch eben nicht in der Lage ist, nachdem sie sich schon eingestehen musste, dass sie nicht beziehungsfähig ist, eine Beziehung so zu beenden, wie es zwischen zwei Menschen doch selbstverständlich sein sollte.

Kann etwas beendet sein, wenn ein Mensch bereit ist, mit allen Mitteln zu verhindern, und man könnte dabei dieses „mit allen Mitteln“ schon fast wörtlich nehmen, sich mit sich selbst und seiner eigenen existenziellen Wirklichkeit beschäftigen zu müssen, und dafür sogar bereit ist über Leichen, zumindest über seelische Leichen, zu gehen?

Schon bei Rainer Werner Fassbinder heißt es: „Angst essen Seele auf.“ Was macht man mit einer Frau, deren Seele vor Angst so zerfressen ist, dass sie, ohne jegliche Skrupel, obwohl Skrupel der falsche Ausdruck ist, da die Person gar nicht selbst erfassen kann, was sie da anrichtet, auf einer anderen Seele, solange mit aller Kraft herumtrampelt, dass auch diese nur noch ein blutiger, klumpiger Haufen ist? Wobei der Täterin, vor vielen Jahren selbst Opfer, jegliche Empathie fehlt. Die hat man ihr nämlich vor langer Zeit herausgestoßen, um überhaupt zu kapieren, was sie da anstellt.

Schon Dostojewski hat sinngemäß geschrieben, dass Missverständnisse nur durch reden beseitigt werden können. Nicht nur eine weise, sondern eine wahre Erkenntnis. Aber was macht man, wenn eine Frau ganz bewusst Missverständnisse in der Hoffnung ausstreut, nicht reden zu müssen, weil sie gar nicht reden kann? Um reden zu können, muss man vertrauen können. Wie soll das gehen, wenn das Vertrauen ihr schon vor vielen Jahren ausgetrieben wurde?

Kann etwas beendet sein, wenn eine Frau, als sie ihre (die erste) Flucht von ihrem Partner weg plant, bei einem Ausflug mit Freunden schon den ganzen Tag zu ihrem Partner regelrecht abweisend ist, aber dann plötzlich, als ob sie auf dem weiten Meer völlig alleine am Ertrinken ist, sich auf ihn stürzt und ihn umklammert als wäre er der einzige Rettungsring auf weiter See? Und als er dann vorsichtig die Arme um sie legt und zärtlich fragt: „Ej, Mädchen, was ist denn los mit dir?“, sie daraufhin erst merkt, was sie da gerade macht, ihn regelrecht, als ob er die Pest und Cholera gleichzeitig hat, weg stößt, „Nichts“ sagt, und abweisend, mit einer steinernen Maske im Gesicht, schweigend, darauf achtend, dass mindestens zwei Meter Abstand zwischen ihr und ihm herrscht, wieder neben ihm hergeht, und er nicht an sie heran kommt, da sie sofort, wenn er sich nähert, ausweicht.

Kann etwas beendet sein, wenn dieselbe Frau einen Tag später, immer noch abweisend, auf die Frage, was denn nun mit ihr los wäre, zuerst nicht antwortet, und als man drängelt, auf einmal die Antwort kommt: „Du stellst die falsche Frage.“ Und wenn man auf diese Antwort verstört nachhakt, man immer noch mehrmals: „Du stellst die falsche Frage“, als Antwort bekommt, und zum Schluss des Abends, nach ewigem Herumgeeier, schließlich mit Tränen in den Augen und schluchzender Stimme: „Du bist das Beste, was mir je in meinem ganzen Leben passiert ist, aber ich muss über unsere Beziehung nachdenken.“

Was soll man machen, wenn dieselbe Frau einen mitten in der Nacht, nach der ersten Flucht, war sie nach einer Woche wieder zurück gekommen, während man nebeneinander im Bett liegt, aufs Schlimmste beleidigt und demütigt, sodass man vor Schock und Irritation völlig sprachlos ist, und einem, wenn auch erst viel später klar wird, dass sie diese Beleidigungen und Demütigungen eben genau deshalb von sich gegeben hat, um dem Reden zu entgehen, sie das alles nur in der Hoffnung inszeniert hat, damit man voller Wut, denn das hatte sie gewollt, mitten in der Nacht, ohne Aussprache, Tür knallend, das Bett, die Wohnung, die Stadt und na klar auch, um sich nie wieder blicken zu lassen, sie verlässt?

Was soll man machen, wenn dieselbe Frau, da man wider Erwarten nicht einfach die Tür knallend verschwunden ist, als man ihr am Morgen danach doch noch ein Gespräch abgerungen hat, mit versteinertem Gesicht einem sagt, sie möchte auch andere Männer kennenlernen und mit ihnen ins Bett steigen; sie aber ein paar Sekunden später, plötzlich nicht mehr mit versteinerter Miene, sondern im Gegenteil mit Tränen in den Augen, völlig aufgelöst einen regelrecht anschreit, dass sie völlig verzweifelt ist, weil sie nicht weiß, ob man es denn mit ihr wirklich ehrlich und ernst meinen würde, ob man ihr wirklich die Wahrheit erzählt, wenn man ihr sagt, dass man alles in Bewegung gesetzt hat, um beruflich in ihrer Stadt Fuß zu fassen, um mit ihr zusammenzuziehen, zusammen zu sein, zusammenzuleben, dass man für sie das Lebensziel, das man hatte, bevor man sie kennenlernte, wirklich bereit sei zu ändern?

Was soll man machen, wenn dieselbe Frau, sechs Wochen nach der endgültigen Beendigung der Beziehung durch Streit und Missverständnisse, doch noch zu einem Telefongespräch bereit war, aber dieses nur mit versteinerter Miene (die konnte man regelrecht durch das Telefon spüren) abermals nur Ausflüchte von sich gab, von wegen, „Ich habe dich nie geliebt; ich wusste von Anfang an, dass es mit uns falsch war; alles was ich während der Beziehung gesagt habe, hat keine Bedeutung; das Einzige was zählt ist, dass ich nicht will.“ Und dann auf einmal mit schluchzender Stimme es regelrecht aus ihr heraus bricht: „Ich werde nie wieder eine enge Beziehung eingehen. Wenn es selbst mit dir nicht geklappt hat, klappt es auch mit keinem anderen.“

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