Heute hat es bei uns angefangen, zu schneien, und ein eisiger Wind fegt von Osten her, doch der wird uns heute nicht auf der Bude festhalten, denn heute haben wir Ausgang und wir werden uns mal Detmold ansehen. Schade, dass heute Erna nicht kommt. Diesmal wäre unsere Zeit nicht so knapp bemessen als vor acht Tagen und wir wären an niemanden gebunden. Ich werde jedenfalls versuchen, sobald als möglich nach Herford zu kommen. Vielleicht wenn Erna Hochzeit hat? So, jetzt ist es Zeit in die Stadt zu gehen, denn wir wollen uns noch viel von Detmold ansehen.
Herzliche Grüße sendet Euch
Arnold
PS: Schickt mir bitte im nächsten Brief etwas Stopfwolle mit, ich kann sie gut gebrauchen. Schreibt mir bitte auch etwas Genaueres über Hermann.
Detmold, Montag, den 26.1.1942
Liebe Eltern und Bringfriede!
Heute steht mir etwas mehr Zeit zur Verfügung, um Euch etwas ausführlicher zu schreiben. Um nochmals auf das Päckchen zurückzukommen, der Speck hat mir ganz prima geschmeckt. Doch möchte ich Euch bitten, mir so etwas nicht mehr zu schicken. Denn Ihr müsst Euch ja das Essen vom Mund absparen und das möchte ich ganz bestimmt nicht haben. Wir bekommen ja hier auch unsere Verpflegung. Ihr habt mich doch sicher richtig verstanden? In Eurem Brief schreibt Ihr auch, dass Erna nun bald heiraten will und wir uns bei dieser Gelegenheit vielleicht sehen werden. Eins kann ich Euch sagen, dass ich mir ein Wiedersehen schon oft im Stillen gewünscht habe, und auch sehr oft mit den Gedanken bei Euch verweile. Fast jede Nacht träume ich davon und oft meinte ich im Halbschlaf, wenn irgendein Kamerad im Dunkeln sich durchs Zimmer tastet, die Schritte von Papa zu hören.
Lieber Papa, wie gerne würde ich mich jetzt mal wieder mit Dir unterhalten und uns gegenseitig von Deiner und meiner Soldatenzeit erzählen. Auf diese Stunde freue ich mich schon heute ganz besonders. Vielleicht liegt diese Stunde nicht mehr fern, wenn Ihr zu Ernas Hochzeit kommt. Vorausgesetzt, dass diese noch vor dem 25. Februar ist, denn bis dahin ist unsere Ausbildungszeit zu Ende und wir werden dann sicher versetzt werden. Wie schnell wird auch dieser Monat vorüber sein, und wir Kameraden müssen wieder voneinander Abschied nehmen. Das wird uns alle bestimmt nicht leichtfallen, denn bei uns auf der Stube herrscht eine prima Kameradschaft. Das kommt ja auch daher, dass wir fast alle aus einer Gegend sind und denselben Dialekt sprechen. Saarländer und wir von der Nahe haben uns ja schon immer gut verstanden. Bei uns zeigt sich jetzt der Winter von seiner strengsten Seite mit Schneegestöber und einer saumäßigen Kälte und bei dieser Witterung ist es nicht gerade angenehm zu exerzieren. Doch unsere Vorgesetzten haben genug Mittel, um uns warm zu machen, bei –24 Grad Kälte ist ja so etwas auch unbedingt notwendig und es ist keine Seltenheit, dass wir trotz dieser Kälte anfangen zu schwitzen. Damit verbunden ist es ja auch Wunder, dass mein Appetit, wie schon im vorigen Brief erwähnt, so ungeheuer groß ist und manchmal die Brotration einfach nicht reicht. Dann beginnt meistens der Handel, dass die Zigarettenmarke gegen Brot oder Butter getauscht wird oder man verschafft es sich auf eine andere Art, aber keine Bange, ich rauche natürlich nicht. Jedenfalls lernt man beim Militär, sich in jeder Lage zu helfen.
Gestern waren wir zum ersten Mal allein in der Stadt. Doch die Kälte nahm uns die Lust, die Stadt anzusehen. So saßen wir denn auch bald in einem gemütlichen Café und ließen es uns bei Kaffee und Kuchen gut schmecken. Ist nächsten Sonntag wieder Ausgang, dann werde ich Erna frühzeitig in Kenntnis setzen, denn auf Sonntagsurlaub für Herford ist doch noch nicht zu rechnen.
Herzliche Grüße sendet Euch, liebe Eltern und Bringfriede
Euer Arnold
Detmold, Sonntag, den 1.2.1942
Liebe Eltern und Bringfriede!
Schon wieder sind nun acht Tage vergangen, seit ich Euch das letzte Mal schrieb, und in ungefähr drei Wochen wird unsere Ausbildung zu Ende sein. Jeder ist nun gespannt, wohin er versetzt wird. Ich habe gehört, dass die Bombenschützen auf der Insel Rügen ausgebildet werden. Die Entfernung zwischen mir und Euch wäre dann noch größer. Doch damit wäre die Freude auf den ersten Urlaub umso größer. Durch diese Versetzungen lernen wir ja auch unser Heimatland kennen, und als junger Mensch wünscht man sich ja gerade weit in der Welt herumzukommen.
Es steht als nun endgültig fest, dass ich als Bombenschütze zum fliegenden Personal komme und meine Freude hierüber stieg um so mehr als ich hörte, dass nun ungefähr ein Fünftel der gesamten Kompanie zum fliegenden Personal kommen. Ein Stubenkamerad von mir, ein Saarländer aus Neunkirchen, wird auch Bombenschütze und wir freuen uns nun schon darauf, zusammen auf eine Schule versetzt zu werden, da gerade wir beide uns gut verstehen. Ich kann es manchmal gar nicht fassen, wie schnell die Zeit vergeht und dass unsere Rekrutenzeit nun bald zu Ende sein soll. Das rührt ja auch zum größten Teil daher, dass die Tage fast ganz mit Dienst ausgefüllt sind und die Zeit dadurch wie im Fluge vergeht. Ich glaube, dass auch niemand der verflossenen Zeit nachtrauern wird, wohl aber gern an seine Rekrutenzeit denken wird, da doch jeder wehrfähige junge Deutsche mitmachen muss. Wenn ich das erste Mal auf Urlaub komme, werde ich Euch viel zu erzählen haben und gerade mit Dir, lieber Papa, möchte ich mich dann gern unterhalten.
Liebe Mutter, nun hätte ich noch eine »kleine« Bitte an Dich. Wenn Du Zeit hast, schicke mir doch bitte mal wieder einen Kuchen oder Brot, denn der Dienst entwickelt ja immer so einen guten Appetit, sodass meine Brotration fast nie ausreicht. Also sei doch bitte so gut, und erfülle mir diesen Wunsch. Das Päckchen mit dem Gelee habe ich mit vielen Dank erhalten. Allerdings war es vierzehn Tage unterwegs, doch ist es samt Inhalt heil angekommen. Heute Mittag gehen wir wieder in die Stadt und werden dann versuchen, zu einem Fotografen zu gehen.
In der Hoffnung, bald wieder etwas von Euch zu hören, grüßt Euch vielmals
Arnold
Detmold, Samstag, den 7.2.1942
Liebe Eltern, liebe Bringfriede!
Nach glücklich überstandenem Stubendurchgang beginnt nun unser freier Samstagnachmittag, den ich dazu ausnutze, Briefe zu schreiben, während andere Kameraden ausgehen und sich Detmold bis halb neun abends ansehen können. Der Nachmittag brachte für mich während des Revierreinigens, eine freudige Nachricht. Ich wurde plötzlich ans Telefon gerufen. Das kann ja nur Erna sein, dachte ich und stürzte im schnellsten Tempo zur Schreibstube. Endergebnis: Erna und Ewald kommen mich morgen besuchen. Das wird ja ein schöner Ausgang morgen für mich werden. Für nächsten Sonntag will ich noch mal versuchen, Sonntagsurlaub nach Herford zu bekommen. Hoffentlich stellen sich mir keine Schwierigkeiten in den Weg, denn Mittwoch in acht Tagen, als am 18. Februar, ist unserer Besichtigung und bis dahin haben wir noch viel zu lernen. Was nach der Besichtigung kommt, wissen wir noch nicht. Ich jedoch werde jedenfalls auf eine Bombenschützenschule versetzt werden und wenn es gut geht, kommen Walter Schmitz und ich auf eine Schule. Denn, er hat sich nun auch als Bombenschütze gemeldet. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich mit einem Sobernheimer zusammenkäme, besonders noch mit Walter Schmitz, der mir immer ein guter Freund war.
Hier bei uns herrscht nach wie vor strenger Winter, wie ich ihn mir früher daheim immer gewünscht hatte, mit viel Eis und Schnee. Doch hier wünsche ich ihn zum Teufel, denn bei diesem Wetter ist es bestimmt nicht angenehm Dienst zu machen, besonders dann, wenn es ins Gelände geht und der Schnee durch sämtliche Knopflöcher dringt. Doch wir wären ja keine Soldaten, wenn uns ein Angriff mit MG und Platzpatronen keinen Spaß machen würde, besonders das Hinlegen klappt ja bei dem hohen Schnee wunderbar.
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