Liebe Erna, wenn ich nach dem Inhalt der Karte urteilen soll, dann sehen wir uns vielleicht heute in acht Tagen wieder. Ewald kommt doch sicher auch mit. Wenn Ihr also kommt, dann schreibt mir bitte vorher wann und zu welcher Zeit, denn sonst sitze ich vielleicht in der Kantine oder im Kino, oder wir werden ausgeführt und Ihr seid umsonst hier gewesen – das darf auf keinen Fall passieren.
Lieber Fritz, hast Du einen Billardpartner gefunden oder spielst Du solo? Was meinst Du, wenn ich jetzt daheim wäre, ich garantiere Dir, den ganzen Tag ging uns das Billard spielen nicht aus dem Kopf und abends würden wir unseren bisschen Geist beim Schach spielen anstrengen. Hier kann ja doch keiner spielen. Ich bin Dir heute noch dankbar dafür, dass Du mir das Schachspielen so gut beigebracht hast. So, nun muss ich Schluss machen, denn jetzt geht es hinein ins Kino zu zwei Stunden lachen und Frohsinn.
Viele Grüße und ein frohes gesundes neues Jahr sendet Euch allen
Euer Arnold
PS: Liebe Eltern, nun kommt noch eine Bitte, wenn Ihr Seife und Zahnpasta übrighabt, dann schickt mir bitte die Sachen, wir bekommen ja keine Seife oder nur wenn, sehr wenig.
Kapitel 2: 1942 – Detmold
Detmold, Samstag, den 10.1.1942:
»Griffe kloppen, Sportstunden und Besuch von Erna«
Sobernheim(1):
»Die Blinden-Schreibmaschine vom Papa Paul von der Eltz«
Sobernheim(2):
»Brief vom blinden Papa Paul zu seiner Erblindung«
Detmold, Donnerstag, den 15.1.1952:
»Päckchen, Gelee, Gebäck, Kaffee, Kuchen …«
Detmold, Samstag, den 24.1.1942:
»Hermann wieder zu Hause und ich habe einen guten Appetit«
Detmold, Montag, den 26.1.1942:
»Heimweh und die anstrengend lustige Soldatenausbildung«
Detmold, Sonntag, den 1.2.1942:
»Nach Rügen und endlich zum fliegenden Personal, aber wann?«
Detmold, Samstag, den 7.2.1942:
»Langeweile vor der Versetzung, die Besichtigung und alles Gute für Hermann«
Detmold, Samstag, den 14.2.1942:
»Erna besucht mich, Horstsperre wegen Scharlach und Zigaretten gegen Brot«
Detmold, Donnerstag, den 19.2.1942:
Hunger auf Schinken, eine Besichtigung und Versetzung verschoben wegen Scharlach«
Detmold, Sonntag, den 22.2.1942:
»Immer noch Horstsperre und ich bin sehr dankbar für jedes Paket liebe Eltern!«
Detmold, Dienstag, den 24.2.1942:
»Endlich nacht die Versetzung und dann nichts wie weg von hier!«
Detmold, Sonntag, den 1.3.1942:
»Sitze immer noch in Detmold fest, habe Lust auf Wein und wie geht es Familie Schaaf?«
Detmold, Donnerstag, den 5.3.1942:
»Bin ich eigentlich ein richtiger Soldat? Bitte einen Koffer schicken!«
Detmold, Samstag, den 10.1.1942
Liebe Eltern und liebe Bringfriede!
Zunächst mal, lieber Papa, recht herzlichen Dank für deinen lieben Brief. Heute, am Samstag, haben wir nach glücklich überstandenen Stubendurchgang und Spindapell, den Nachmittag frei und das bedeutet für mich so viel wie, schreiben. Diese Woche kam zu meiner Freude und unerwartet Eure Päckchen an und mein Wunsch war ja schneller in Erfüllung gegangen, als ich dachte. Leider ist ja so ein Kuchen für einen hungrigen Soldaten viel zu klein, denn nach kaum zwei Tagen war der Inhalt des Päckchens schon aufgegessen und nun warte ich sehnsüchtig auf eine neue Ladung, die mir Tante Lotte in ihrem Brief angekündigt hatte. Allerdings möchte ich meinen bescheidenen Auftrag nicht zurücknehmen und Euch bitten, ihn zu erfüllen, wann ist ja gleich.
Morgen beginnt die siebte Woche unserer Ausbildung und jetzt geht es langsam bergab. Wir haben in den ersten sechs Wochen schon allerhand gelernt und sind so halbwegs Soldaten geworden. Diese Woche haben wir mit »Griffe kloppen« angefangen. In dieser Zeit haben wir schon geschwitzt wie die Bären, besonders bei »Tempo 3«, Du weißt ja Bescheid, lieber Papa, wie lange da geübt werden muss, bis der Griff sitzt und man den Schlag richtig drauf hat. Sonst hat der Dienst auch noch manches Neue gebracht und wenn man sich für den Dienst interessiert, ihn nicht als notwendiges Übel empfindet, ist ja alles halb so wild. Man muss auch seinen Sachen immer in Ordnung halten, dass man nicht auffällt denn wehe dem, der das nicht tut! Mein Lieblingsdienst ist natürlich unsere wöchentlichen Sportstunden und da sieht man, wie viele überhaupt früher Sport getrieben haben. Es sind verschwindend wenig. So wurden zum Beispiel Geräteturner, Leichtathleten, Fußball- und Handballspieler aus der Kompanie ausgesucht und es traten nur insgesamt sieben Turner und Leichtathleten vor. Fußballer waren es natürlich mehr. Wir haben nun jeden Montag und Donnerstag am Abend Training, das freut mich ganz besonders, denn für den Sommer ist man doch einigermaßen in Schwung und diese Übungsstunden stehen unter fachmännischer Aufsicht.
Morgen wollte mich Erna besuchen kommen, hoffentlich enttäuscht sie mich diesmal nicht, denn ich hatte mit ihrem Besuch schon vorigen Sonntag gerechnet. Wenn sie morgen kommen sollte, gehen wir mit unseren Stubenkameraden in die Kantine und dort werden wir mal ordentlich musizieren und Ihr zeigen, wie lustig es bei uns jungen Soldaten zugeht. Es wird Ihr bestimmt unter uns zu sein gefallen. Ausgang gibt es morgen noch nicht, es ist ja auch gleich, wir werden uns auch so prima unterhalten. Hoffen wir für morgen das Beste. Hermann schreibt ja noch gut aus Russland, ich denke manchmal, die müssen doch harte Abwehrkämpfe zu bestehen haben wie der OKW-Bericht schildert. Vor Moskau wird es nicht so hart hergehen wie an anderen Fronten. Für heute habe ich mal wieder genug geschrieben, da ich mal früher in die Falle gehen und mich gründlich ausschlafen möchte.
Herzliche Grüße sendet Euch, liebe Eltern, Bringfriede und Kinder
Euer Arnold
Sobernheim(1)
Die Blinden-Schreibmaschine von Arnolds Papa Paul von der Eltz!
Arnolds Papa Paul von der Eltz, erfand als blinder Mensch eine »Blinden-Schreibmaschine«. Die Schreibhand wurde an einem dünnen Faden geführt, und wenn man rechts am Rand angekommen war, wurde ein Mechanismus ausgelöst, der die Seite um eine »Zeile« weiterschob. Dann konnte man von links weiterschreiben. Er versuchte sie beim Deutschen Patentamt anzumelden, was aber leider, trotz einem Einspruch, abgelehnt wurde. Paul schrieb darauf zahllose Briefe. Ich selbst habe sie noch in Aktion gesehen.
So sah, mit Bezeichnungen für das Patentamt, die Blinden-Schreibmaschine von Paul von der Eltz aus. Das Patent wurde abgelehnt.
Paul schreibt einen Brief auf seiner Blinden-Schreibmaschine.
Es folgt der Brief vom blinden Papa Paul. Geschrieben auf seiner von ihm erfundenen Blinden-Schreibmaschine:
Sobernheim(2)
Erblindet!
Vor zwanzig Jahren hat mein Augenleiden begonnen. Ich stand damals an der Westfront beim AK. Inf. Reg. 60. Im Februar 1915, musste ich mich wegen einer beidseitigen Augenentzündung in ärztliche Behandlung begeben. Doch bald stellte sich das alte Leiden mit erneuter Heftigkeit wieder ein und ist trotz Behandlung in einer Augenklinik, wenn auch mit einer vorübergehenden leichten Besserung, nicht mehr verschwunden. Das auch nach dem Krieg fortdauernde Augenleiden war mir so zur Gewohnheit geworden, sodass ich irgendwelche Folgen nicht befürchtete, auch dann nicht, als sich vorübergehende Trübungen einstellten. Erst als der Arzt mir den weiteren Verlauf der Krankheit andeutete, erkannte ich die Schwere des Leidens. War es denn möglich? Sollte ich wirklich …? Ich konnte das Wort »Blind« nicht denken und so sehr ich nicht auch an die letzte Hoffnung klammerte, nahm das Schicksal doch seinen Lauf.
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