Unser Vater erzählte weiter: „Mein Großvater, war auch ein Franz Wiest. Er hat Wechsel unterschrieben, die er nicht einlösen konnte. So hat er seinen Grund, eine ‚Halbsession‘, verloren. Meine Großmutter war eine geborene Dietrich. Ihr Vater war ein Schmied. Sie war seine einzige Tochter und heiratete einen Josef Fress.
Der war wohlhabend. Er arbeitete bei den Husaren als Dolmetscher für die Ungarn. Die Landessprache hatte er bei einer ungarischen Familie in Raab (Györ) als Austauschkind gelernt, ein Jahr lang. Die Kinder der ungarischen Familie waren in dieser Zeit in Perbál und lernten deutsch. Das war damals ein übliches Verfahren, um die Kinder mit den beiden wichtigen Sprachen im Land vertraut zu machen. Nach seiner Soldatenzeit hatte sich mein Fress Opa von einem Grafen eine Landwirtschaft in Diner (Tinye) gepachtet, 300 Joch. Alle mussten auf den Feldern mithelfen. In der vorderen Stube war der Mais (Guckrutz) bis unter die Decke gestapelt. Gedroschen wurde bis Weihnachten, nicht der Mais, der wurde von dem Kolben geraspelt. Seine Ernte verkaufte der Fress Opa in Raab an Juden. Der Vater eures Kopp-Opas war an dem Geschäft beteiligt.
Dieser Uropa Kopp zeichnete 1916 eine Kriegsanleihe in Höhe von 30.000,- ‚Gulden‘. Meine Mutter, eure Wiest Oma, zeichnete 8000 Gulden, alles war auf der Sparkasse in Zsambék angelegt Nach dem Krieg wurden die Papiere wertlos. Zwei Äcker erbte auch mein Vater. Die Äcker lagen auf einem steinigen Hügel. Zwei weitere Äcker hatten sie sich von einer Besitzerin in Tinye (Diner) gepachtet. Darunter war auch ein langes Stück.7 Sie hatten auch zwei Weingärten.“ Vaters Fress-Opa hatte sechs Kinder: Maria war seine älteste Tochter, unsere Wiest-Oma, geb. am 7. Juni 1893 in Perbál, gestorben am 4. Januar 1973 in Roda, Kreis Frankenberg/Eder (amerikanische Zone). Sie heiratete unseren Großvater Lorenz.
Die Kinder des Frommen Joob (vermutlich hieß er auch Wiest Lorenz) waren Franz: der Vater unseres Onkels Franz Wiest. Er war bei der Gemeinde angestellt als Jäger, Waldaufseher und Feldhüter. Er trank gern. In hohem Alter starb er in Roda.
Lorenz: unser Wiest Opa, geb. am 2. September 1889 in Perbál. Er starb am 31. Januar 1948 im Krankenhaus in Frankenberg/Eder nach einer Operation an einer „Darmverschlingung“. Vater sagte, er sei am Dünndarm operiert worden. Den Darm habe man falsch zusammengenäht, daran sei er gestorben.
Unsere Wiest Großeltern hatten folgende Kinder:
Lorenz, unseren Vater, geb. am 21. Juli 1917, gestorben am 9.12.2001.
Josef, geb. 1920, gestorben am 28.10.1941 bei Leningrad, in Karelien.
Franz, geb. 1922, gestorben (vermisst seit 16.11.1941 in Karelien).
Sie lebten zunächst zur Miete („in Zins“), danach im Haus des Fress-Opas in der Jägerstraße 5 in Perbál. Unser Vater sagte zunächst, es sei in der „Gurgel“ gestanden, dann verneinte er das wieder.
Unserer Schwester Maria hat er bei ihrem gemeinsamen Besuch in Perbál eine alte „Wohnhöhle“ in der Gurgel gezeigt, in der seine Großeltern noch gewohnt haben sollen. Unter einer Wohnhöhle muss man sich einen oder mehrere in eine Lehmwand hineingegrabene Räume vorstellen. Es gibt solche Wohnhöhlen heute noch in Spanien. Einige wurden dort als Pensionen oder Hotels ausgebaut. Selbstverständlich haben Letztere Strom und Wasser. Die Wohnhöhlen in Perbál hatten das mit Sicherheit nicht. Diese Großeltern hatten zwei, drei Kühe, Schweine (Sau), Gänse und Hühner. Ein Pferd hatten sie nicht. Jemand pflügte für sie. Das mussten sie abarbeiten
Zwei Verwandte unseres Vaters, hatten je eine Dreschmaschine. Als Lohn für das Dreschen mussten die Bauern „an Kern“ bezahlen, vermutlich 1/10 der jeweils gedroschenen Menge, Hafer, Weizen, Gerste, Roggen (Draat). Der Roggen, das „Draat“ wurde angebaut wegen „Bandelmoche“. D.h., aus dem längeren Roggenstroh drehte man Strohseile (Bandel), mit denen die Garben der anderen Getreidesorten mit kürzerem Stroh zusammengebunden wurden, v.a. des Weizens.
Vaters Fress-Opa hatte eine Dreschmaschine, die von 3 Pferden angetrieben wurde (Göpel?). Die Kinder mussten die Pferde im Kreis herumtreiben. In der Mitte stand ein Pflock mit einem quer liegenden Rad daran. Von ihm lief ein Transformationsriemen zu einem weiteren Rad (aufrecht stehend), mit dem die Dreschmaschine angetrieben wurde. Soweit die Erzählung unseres Vaters.
Nach einer Abstammungstafel (Számaszási táblázat), ausgestellt in Budapest am 8. Januar 1943 (Kopie in meinem Besitz) sieht unsere Abstammung offiziell wie folgt aus: Linie des Großvaters (Wieszt):
1 Wieszt Ferenc, geb. 2.6.1861 in Perbál, heiratet am 19.September 1883 in Perbál.
2 Kaiser Teréz, geb. am 31.8.1862 in Perbál. Ihr Sohn
3 Wieszt Lörincz (unser Großvater) geboren am 2.September 1889 in Perbál.
Linie der Großmutter (Fress/Wieszt):
1 Fresz József, geb. am 3.1.1863 in Perbál heiratet am 10. November 1885 in Perbál
2 Dietrich Katalin, geb. am 5. August 1866 in Perbál. Ihre Tochter
3 Fresz Mária, (unsere Großmutter) geb. am 8. Juni 1893 in Perbál, heiratet am 17.2.1914
4 unseren Großvater Wieszt Lorenz (Lörincz)
Linie Wieszt/Kopp
Ihr Sohn
4. Wieszt Lörincz, (unser Vater), geb. am 21.7.1917 in Perbál, heiratet am 23.11.1940 in Perbál unsere Mutter
5. Kopp Rozina, geb. am 24. Mai 1918 in Perbál Ihre Eltern sind unsere Kopp-Großeltern.
Meine Geschwister und ich sind ihre Kinder.
Für das Folgende hat sich der Trauschein eingefunden.
Kopp-Linie
Kopp, György (Urgroßvater), Vater von unserem Kopp Opa.
Kopp, Rozalia, geb. Wieszt, (Urgroßmutter), Opas Mutter, nicht verwandt mit den obigen Wiests.
Payer, József, (Urgroßvater), Vater unserer Großmutter
Payer, Rozina, geb. Gerli (Urgroßmutter), Mutter unserer Großmutter
Kopp György, (genannt Hans) geb. am 11.11.1888 in Perbál gest. 20.11.1978 in Laisa (unser Großvater) und
2. Kopp Maria, geb. Payer, geb. am 4.8.1881 in Perbál, gestorben am 25.8.1967 in Laisa, unsere Großmutter
Unsere Großeltern heirateten am 6. Februar 1912 in Perbál,
Ihre Kinder waren
– Kopp, Georg, genannt Hans, geb. am 20. Juni 1913 (Hans-Vetter)
– Kopp Johann, Johanns Vater, verheiratet mit Anna Stockbauer aus Vértéstolna
– Kopp, Rozina, unsere Mutter, verheiratet mit Lorenz Wieszt aus Perbál, unserem Vater,
– Kopp, József, im Zweiten Weltkrieg umgekommen
– Kopp, Maria, verheiratet mit Franz Wieszt, einem Cousin unseres Vaters,
– Kopp, Therezia, (die Tante Resi, verheiratet mit József Paxian aus Perbál).
Sie hatten noch sechs weitere Kinder, die schon als Säuglinge bzw. Kleinkinder gestorben sind.
Zu unseren Eltern erzählte mir unsere Tante Maria: „Sie haben zuerst bei der ‚Wiest-Oma‘ gewohnt. Die waren arm. Bei der Hochzeit haben eure Eltern auf der Fensterbank gesessen. Ihr Kinder habt dort geschlafen. Am Morgen seid ihr zu uns herübergekommen (zur ‚Kopp-Oma‘) und habt dort gelebt. Abends seid ihr zum Schlafen wieder zur Wiest-Oma rübergegangen, weil es bei uns zu eng wurde.“
Die letzte noch in Perbál lebende Cousine unseres Vaters war die Ruppel Nanni (sie ist inzwischen verstorben). Ihre Mutter war eine geb. Maria Wiest, demnach die Schwester unseres Wiest Opas. Sie heiratete einen Ruppel, der zu seinem Schwager wurde. Wir haben die „Nanni-Basel“ mehrmals in Perbál besucht. Sie war eine angenehme Frau. Zu ihrer Tochter und den Enkelkindern halten wir freundschaftlichen Kontakt.
1Nach Eugen Bonomi Zur Besiedlung der Gemeinde Pilisvörösvár, Südostdeutsche Forschungen München, Jg. 4 1939, S. 793-795, zit. in: Michael Fogarasy-Fetter: Geschichte und Volkskunde der Gemeinde Werischwar/Pilisvörösvár, 1994, S. 53.
2Diesen Text hat mir Franziska Milbich-Müntzer, Heimatgeschichtlicher Arbeitskreis Budapest und Umgebung im AKd freundlicherweise zur Verfügung gestellt.
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