Auf abenteuerlichen Wegen fahren die vier Freunde wochenlang in überfüllten Zügen kreuz und quer durch Böhmen und Mähren, entkommen mit dem fragwürdigen Dokument mehrmals der Verhaftung und Liquidierung als Deserteure. Dazwischen versteckt sich Hugo in Niederösterreich bei einem Onkel:
Von der Scheune des Bauernhofs aus sah ich auf der Straße von Rekawinkel nach St. Pölten einen langen Zug von fürchterlich aussehenden Leuten, abgefetzt, mager bis auf die Knochen. Die Frau meines Onkels hat ihnen Wasser gegeben. Dann kam ein Wachposten, hat sie mit dem Gewehrkolben vertrieben und das Wasser ausgeschüttet. Dieses Bild verfolgt mich bis zum heutigen Tag. Es war ein Zug der Todesmärsche von KZ-Insassen. Und ich habe einen solchen gesehen. Unglaublich .
In Böhmen erlebt der 18-jährige Hugo das Kriegsende und flieht, diesmal als „Deutscher“, vor den Tschechen nach Österreich. Sein Fazit:
Ich hatte jeden Tag eine solche Freude, am Leben zu sein. Jeden Tag wie ein Morgen- und Abendgebet war das für mich. Freiheit! Du kannst tun und lassen, was du willst. Und nie wieder Diktatur! Das ist mir in Fleisch und Blut übergegangen!
Amerika war für uns eine Märchenwelt
In Wien wird der Antifaschist Hugo Portisch 1945 zum Antikommunisten:
Die Fronttruppen der Roten Armee waren noch, glaube ich, durchwegs in Ordnung. Die haben sich sehr ordentlich benommen. Aber der Tross, der gleich hintennach kam, der war dressiert auf Vergewaltigung und Plünderung. Das war eine Schreckensherrschaft! Man soll nicht im Nachhinein versuchen zu sagen: „Das war gar nicht so arg.“ Es war sehr arg! Daher haben sich die Russen dieses Eigentor geschossen. Mit dem Benehmen ihrer Leute war der Kommunismus für die Leute gestorben. Außerdem hatten alle aus meiner Generation, die ich kannte, dieses ganz intensive und tolle Gefühl der Befreiung. Deshalb bin ich auch wahrscheinlich im Kalten Krieg ein recht Kalter Krieger gewesen .
1950 arbeitet Portisch bei dem ÖVP-Blatt „Wiener Tageszeitung“ und wird zu einem Journalistenkurs in die USA eingeladen. In der „School of Journalism“ an der Columbus University in Missouri erfährt er vom Dekan, dem renommierten Medienwissenschaftler Frank Luther Mott, grundlegende Prinzipien des Journalismus westlicher Prägung:
Die erste Grundvoraussetzung für einen Journalisten ist, dass er sich mit allen Möglichkeiten bemüht, die Wahrheit herauszufinden. Nur dann hat er ein Recht zu publizieren, unter dem Motto: Check – Recheck – Doublecheck. Du musst, wenn du eine Nachricht oder eine Meinung hörst, überprüfen, nochmals überprüfen und ein drittes Mal überprüfen. Das nächste Ding ist: „Audiatur et altera pars“ aus dem römischen Recht. Du musst auch wissen, wie die andere Seite denkt und was sie dazu zu sagen hat. Die dritte Lektion ist: Wenn nicht so sicher ist, was wahr ist und wer recht hat, dann gilt: „In dubio pro reo“ – im Zweifel für den Angeklagten! Er hat das mit einem solchen Pathos vorgetragen, der Dekan Mott, dass uns die Ganslhaut heruntergelaufen ist .
Die Realität in Österreich sieht dagegen ganz anders aus:
Bei uns konnte man Politiker gar nicht richtig befragen. 1947, 48, 49 hat dich ja als Journalist gar keiner empfangen und die Beamten hatten alle Redeverbot. Bis in die 60er-Jahre blieb es so, dass kein Politiker einen Journalisten vorgelassen hat, wenn er nicht wollte. Daher war Amerika für uns 1950 eine Märchenwelt! Heute, wo die investigativen Journalisten überall nachstöbern können, Informationen bekommen und notfalls vielleicht sogar mit dem Scheckbuch nachhelfen und aufdecken können, ist das alles nicht mehr überraschend. Es ist eine andere Art des Journalismus. Meiner Ansicht nach leider nicht die beste …
Die USA werden zum Sehnsuchtsland für die Portischs. Für seine Frau Traudi, die er 1949 geheiratet hat, und ihn steht damals fest: Hier wollen wir bleiben! Wir wandern aus – doch es kommt anders.
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