Maxtla saß auf einem Hügel, der sich zwischen den Gebäuden der Hacienda und dem Wald, der den Fluß einfaßte, erhob und rauchte nach seiner Gewohnheit. Er hatte von hier einen weiten Rundblick. Sein Maultier hatte er angepflockt.
Während seine dunklen Augen umherschweiften, fiel ihm ein Reiter auf, der von Westen kam und am Waldsaume herritt. Der Mann unterschied sich kaum von den Landbewohnern oder den Vaqueros, nur etwas in seiner Haltung, das nur den Caballeros eigen war, fiel dem scharfsichtigen Indianer auf, der auch erkannte, daß der Reiter nicht zur Hacienda Otoño gehöre.
Maxtla sank in das Gras zurück und bewegte sich dann mit einer staunenswerten Geschicklichkeit mit großer Eile vorwärts, um den Weg des Reiters zu kreuzen.
An einer Stelle angelangt, wo dieser vorüber mußte, setzte er sich nachlässig nieder.
Er harrte nicht lange, so kam der Reiter heran. Maxtlas funkelnde Augen erweiterten sich, denn er erkannte sofort in dem nach Vaqueroart gekleideten Manne Don Ignacio Caldas, den er in Bogotá und im Hause de Vallas oft gesehen und als verrufenen Schurken kannte.
Der Reiter hielt sein Pferd an, als er Maxtla, der schläfrig dasaß, erblickte.
"Sage mir, Muchacho," rief er Maxtla zu, "bin ich eigentlich auf dem Wege nach Esmeralda, der Hacienda Sennor Reals?"
"Du kannst auch am Flusse her hingelangen, Sennor, doch ist es ein Umweg, die Straße führt dort oben."
"So bin ich falsch berichtet worden. Welche Hacienda ist dies?"
"Es ist meines Sennors Hacienda."
"Nun ja, und der heißt?"
"O, du kennst Sennor Vivanda nicht?"
"O, so ist das Otoño, wo vor einigen Tagen das große Fest gefeiert wurde, von dem die Leute überall reden."
"O ja, es war schön."
"Es galt Eurem jungen Sennor, ich hörte davon erzählen. Das muß ein mächtiger Herr sein."
"O ja."
Don Ignacios Auge war forschend auf das Gesicht des Indianers gerichtet und plötzlich sagte er: "Ich habe dich schon gesehen, Bursche!"
"O, das sehr möglich," entgegnete ruhig Maxtla, "ihm werden viel gesehen, noch in Naëva zu Jahrmarkt gewesen."
"Nein, ich habe dich in Bogotá gesehen."
"Das sehr gut," entgegnete lachend Maxtla, "er oft in Bogotá, dreimal, zweimal mit Rindern von Sennor, o, Juan dich nicht gesehen."
"Diese Roten haben so verwünscht ähnliche Gesichter," brummte Caldas vor sich hin, und ein Verdacht, der in ihm aufgetaucht war, schien gewichen zu sein.
"Wie weit habe ich noch bis Esmeralda?"
"O, drei Leguas."
"Das ist weit und dazu die Hitze. Hätte fast Lust Rast zu machen, schon um euren berühmten Sennorito einmal zu sehen, von dem alle wie von einem Wundertier reden; mein Brief kommt noch zeitig genug nach Esmeralda. Wie heißt er eigentlich jetzt?"
"Er immer noch Don Alonzo heißen."
"Estupido," murmelte Don Ignacio.
"Du nur hinreiten, dort zu Castello, dann ihn sehen, o, er schöner Caballero."
"So," dachte Ignacio, "er ist also hier?"
Er sann einen Augenblick nach und sagte dann: "Ich muß mir die Freude jetzt doch versagen, ich könnte zu spät in Esmeralda eintreffen, aber auf dem Rückwege will ich bei euch vorsprechen, solche Heroes sieht man doch selten. Adios."
Und davon ritt Sennor de Caldas.
Der Indianer versank wieder in seine nachlässige Haltung. Kaum aber war der Reiter hinter den Bäumen verschwunden, als Maxtla mit einer staunenswerten Behendigkeit aufsprang und ihm zwischen Büschen, die ihn deckten, hastig folgte.
Bald hatte er ihn auch wieder im Auge.
Don Ignacio hielt, überschaute die Felder, blickte aufmerksam nach den Gebäuden der Hacienda hinüber und trieb sein Pferd in den Wald, der hier weniger Unterholz zeigte als an anderen Stellen.
Maxtla schlich durch die Büsche, was hie und da der Dornen wegen große Schwierigkeiten bereitete und sah den, dem er folgte, bald wieder.
Don Ignacio hatte den Sattel verlassen und band sein Pferd an. Dann schritt er auf einem kaum bemerkbaren Pfade dem Wasser zu; zu seiner Seite folgte mit der Geräuschlosigkeit des Waldkriegers Maxtla. Der Kreole mußte den Pfad kennen.
Nach kurzer Zeit, denn an dieser Stelle war der den Fluß umsäumende Waldstreifen dünn, erreichten sie Bambus und Schilf und Weiden, ein Zeichen der Nähe des Wassers. Auf dieses zu führte der Pfad weiter. Maxtla erkletterte einen jungen Kautschukbaum. Von seiner Höhe sah er ein Canoa im Schilf versteckt liegen, in dem ein alter Neger saß. Mit diesem wechselte Don Ignacio einige Worte. Der Schwarze reichte ihm eine Büchse und einem Kugelbeutel aus dem Boote, und so ausgerüstet schritt der Kreole den Pfad zurück, den er gekommen war. Maxtla wie vorher zu seiner Seite.
Der Indianer hatte keinen Zweifel, daß es Alonzo galt - daß Don Ignacio von Bogotá mit demselben Auftrag ausgesendet worden sei wie Tejada - und zwar mit genauer Kenntnis des Aufenthaltes des Jünglings. Don Ignacio besaß jedenfalls mehr Mut und mehr Geschicklichkeit als der Bandit, dem Maxtla diente und ihn zugleich überwachte.
Ignacio war gefährlicher.
Aus den dichten Tabakfeldern, den Kaffeesträuchern war leicht ein Schuß abzugeben, sie deckten den Schützen und dessen Rückzug nach dem Waldsaum und dem Wasser; der Plan war gut ausgeheckt. Der Ocoa war zu sicherer Flucht geeignet. Caldas mußte sich auf diese Art des Angriffs und des Rückzugs vorbereitet haben.
Mittag war vorüber, aber Arbeiter und Aufseher hielten noch ihre Siesta; es war leicht, ungesehen in die weit ausgedehnten Felder zu gelangen, die um diese Jahreszeit niemand betrat.
Don Ignacio führte sein Pferd etwas tiefer in den Wald zu einer Stelle, wo es nicht leicht gefunden werden konnte, sah sich vom Waldsaume aus aufmerksam um und schlüpfte dann mit großer Gewandtheit in ein nahe gelegenes Maisfeld, das an Tabaksfelder grenzte, die sich bis in die Nähe der Gebäude ausdehnten. Aber hinter ihm schlich der düstere Indianer einher, die blanke Machete in der sehnigen Hand, einem Schweißhunde gleich, der auf der Spur seines Wildes geht.
Don Alonzo war in den Gebäuden, das wußte Maxtla, er hätte ihn sonst abreiten sehen. Tejada war, wie er wiederholt getan, allein ausgeritten, um sich, wie er sagte, Land und Leute anzusehen.
Maxtla schlich hinter Don Ignacio einher, die blanke Machete in der Hand.
Während Don Ignacio und Maxtla sich durch die Tabakfelder bewegten, war Don Sancho Tejada, alias Molino, wohl eine Legua entfernt von jener Stelle und ritt verdrießlich am Waldsaume hin. Da er einsah, wie schwierig und auch gefährlich es sei, die Mordwaffe hier gegen Alonzo zu erheben, ging sein einziges Trachten dahin, einen verworfenen Gesellen zu finden, der gegen möglichst wenig Geld das Verbrechen ausführe.
Diese Leute waren zu jener Zeit gar nicht zu schwer aufzutreiben, doch mußte man sie in den Städten suchen. Die Arbeiter hier waren dem Sennorito alle auf Tod und Leben ergeben, es blieb also wohl nichts übrig, als einen der kleinen Hafenorte der Flüsse aufzusuchen, wo sich Raubgesindel genug herumtrieb, um dort einen Mann zu dem Meuchelmorde zu gewinnen. Seine menschenfreundlichen Betrachtungen wurden unterbrochen durch den unerwarteten Anblick eines Reiters, der ihm hier auf ungewohntem Wege am Waldsaum entgegen kam.
Der Mann ritt ein gutes Pferd und sah stattlich aus.
Tejada hielt und ließ ihn ruhig herankommen. Zu seinem nicht geringen Erstaunen erkannte er in dem Fremden den Flüchtling von Naëva, den der Alguacil so gern vertraulich sprechen wollte.
"Bin doch begierig, ob der mich auch erkennt," dachte er.
Der Reiter kam heran, grüßte höflich und fragte: "Habe ich die Ehre, den Herrn dieses Grund und Bodens vor mir zu sehen?"
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