"Es ist doch ein Wunder," sagte ein anderer, "daß Alonzo diesen roten Mördern entgangen ist."
"Er hat ihnen heimgezahlt, was sie an den Seinen, an ihm verbrochen haben," äußerte lebhaft ein dritter, "der junge Espinoza aus den Bergen, der mit war, sagte, jeder seiner Schüsse habe getroffen."
"Und dabei kannte er das Dorf der Ladrones noch, als ob er es gestern verlassen hätte."
"Ja, er ist ein Mann, der Sohn Don Pedros, kein besserer Reiter, kein besserer Schütze weit und breit, seine Feinde mögen sich hüten."
Des biederen Tejada bemächtigte sich beim Anhören dieser Wechselreden ein ungemessenes Erstaunen. Da war ja der Gesuchte, offen vor aller Welt stand er da, der Sohn Don Pedro d'Alcantaras und er schien bei diesen Leuten sehr beliebt zu sein. Sollte er ihn bereits in dem Jüngling kennen gelernt haben, der in Naëva im Wettrennen den Sieg davontrug? Ja, der mußte es sein. Hm, ein verwegener Bursche, den zu beseitigen gar nicht so leicht sein würde.
"Mit welcher Klugheit ihn Sennor Vivanda verborgen gehalten hat."
"Er wird wohl seine Gründe dafür gehabt haben."
"Jetzt ist aber ein d'Alcantara da, mannhaft wie sein Vater, und wenn er ruft, reiten die Llaneros hinter ihm."
Tejada konnte es jetzt doch nicht unterlassen, sich an die neben ihm sitzenden Leute zu wenden und um Auskunft über das Schicksal von Sennorita Vivanda zu ersuchen, von deren Raub er in Naëva vernommen. Seine Teilnahme war unverkennbar.
Bereitwillig erzählten sie dem Fremden, der aus Norden kam und sogar unter Pedro d'Alcantara in den Bürgerkriegen gedient hatte, was sie wußten und gaben ihrer lebhaften Bewunderung für Alonzo Ausdruck.
Mit sichtlichem Interesse lauschte der Fremde der wunderbaren Mär von dem Gefangenen der so berüchtigten Aimaràs und hielt umsoweniger mit seiner freudigen Anerkennung der hervorragenden Eigenschaften des Jünglings zurück, als er eine so große Verehrung für seinen Vater hegte.
Der Mond war aufgegangen und beleuchtete mit seinem Silberschein die endlosen Llanos.
Die Gäste, die hierauf gewartet hatten, brachen auf, um ihre zerstreuten Gehöfte aufzusuchen, und bald war die eben noch so geräuschvolle Posada still und einsam.
Juan, der Peon Tejadas, hatte für die Tiere gesorgt und sich hierbei mit anderen Indios unterhaltend, schweigend die Wundermär des Tages von dem Auftauchen eines großen Capitanos, den die verachteten Indios bravos gefangen gehalten, mit angehört.
Er nahte sich seinem Herrn, um dessen letzte Befehle in Empfang zu nehmen.
Tejada sagte ihm, daß sie morgen bald nach Tagesanbruch reiten würden und ließ sich dann, während Maxtla sich eine Schlafstätte suchte, mit dem gesprächigen Posadero in eine längere Unterhaltung über die jüngsten Ereignisse, über Sennor Vivanda und dessen Familie und die Verhältnisse des Landes ein, auf diese Weise alles erfahrend, was er zu wissen wünschte.
Sehr nachdenklich gestimmt suchte auch er endlich die Nachtruhe.
Bald nach Sonnenaufgang verließ er in der Tat mit seinem Peon die Posada.
Sennor Sancho Tejada war immer noch nachdenklich gestimmt. Er hatte erfahren, daß der junge d'Alcantara, den zu suchen er ausgezogen war und an dessen Abkunft niemand zu zweifeln schien, eine viel gewichtigere Persönlichkeit war als er angenommen, und daß dieser junge Mann außerdem in den reich begüterten Vivandas mächtige Freunde zu haben schien.
Tejada begann behaglich sein Mahl einzunehmen.
"Ja, mein guter Don Carlos, jetzt begreife ich, daß du bereitwillig fünftausend Pesos gibst, um diesen Jungen aus dem Wege zu räumen. Aber fünftausend Pesos sind viel zu wenig. Der junge Mann ist wertvoll und die Sache gefährlich. Freilich werden die glorreiche Excellenza inzwischen von diesem Alcantara, der aus der Dunkelheit so plötzlich an das Licht getreten ist, erfahren haben, und sicher einen oder mehrere andere mit dem Geschäft beauftragen, das ich unternommen habe, wenn ich nicht bald günstige Nachrichten einsenden kann. Hm - hier muß rasch gehandelt werden. Wenn dieser stumpfsinnige Indio nur zu etwas gebrauchen wäre? Einen Messerstich weiß diese Rasse ganz gut im Dunkeln beizubringen. Hm - ja, die Sache muß ernstlich überlegt werden - ich möchte mich auch doch nicht unnütz in Gefahr begeben. Ich glaube, wenn ich dem Burschen hundert Pesos biete, er beseitigt ihn in Handumdrehen. Nun, wir werden sehen, doch vorerst wollen wir das Terrain erkunden und für einen gesicherten Rückzug sorgen."
Solch schwerwiegende Betrachtungen stellte der brave Mann an, als er gemessen durch das Steppengras ritt, zu seinen Füßen Blüten und umgaukelt von bunten Schmetterlingen. Als die Hitze des Tages größer wurde und sie ein schattendes Gehölz vor sich sahen, beschloß Tejada Rast zu machen. Wasser für die Tiere findet sich in diesen die Llanos durchsetzenden Gehölzen fast immer.
Sie fanden unter Palmen und Mangobäumen zwischen Lorbeerbüschen einen einladenden Ruheplatz, der unweit eines kleinen Wasserlaufes sich darbot.
Maxtla sattelte auf Befehl seines Herrn ab, pflockte die Tiere so an, daß sie weiden und zugleich ihren Durst stillen konnten und legte dann den ledernen Beutel, der Nahrungsmittel enthielt, vor Tejada hin.
Don Sancho war kein Freund von Entbehrungen und versorgte seinen Speisebeutel stets so gut als möglich; an einer Flasche Wein oder lieber noch Aquadiente, die Speisen zu würzen, fehlte es selten.
Er begann ganz behaglich sein Mahl einzunehmen und gab auch Maxtla Maisbrot und Fleisch, zu dem dieser sich einige nahegewachsene Limonen brach.
Ehrerbietig saß der Indianer in einiger Entfernung von seinem Herrn und verzehrte still die ihm gereichten Speisen.
Als Tejada sein Mahl beendet und sich eine Zigarrito angezündet hatte, fragte er seinen Peon leichthin: "Bist du im Kriege gewesen, Bursche?"
Maxtla grinste und erwiderte in seinem unbehilflichen Spanisch: "Wie sollte Juan in den Krieg kommen? Er kein Freund von Krieg."
"Wundert mich, daß sie dich nicht ausgehoben haben, als es mit Venezuela losging, alt bist du doch genug dazu."
"Ja, ihm wollen die Lugartenientes mitnehmen, er soll Soldado werden - aber lief in die Wälder, ihm nicht finden."
"Schade, du wärest gewiß ein tüchtiger Soldat geworden."
"Ihm nicht gefallen, zu viel schießen da."
"Das ist richtig, ohne Schießen geht's da nicht ab. Na, dein Messer wird ja wohl irgend ein Muttersohn schon zwischen den Rippen gespürt haben."
"O, Sennor, große Sünde mit Messer stechen, Juan das nie tun, er guter Christ."
"Na, Christen sollen das auch tun," brummte Tejada. "Also du würdest nie einem Menschen, auch deinem Feinde nicht, einen Messerstich versetzen? Hätte nicht gedacht, daß du so fromm wärest."
"Ihm nie tun, Sennor, das große Sünde."
Verdrießlich schaute Tejada geraume Weile vor sich hin.
"Kennst du diese Gegend hier?" fragte er endlich. "Du stammst doch von den Flüssen in den Llanos."
"Ja, ihm geboren worden am Humea, nicht hier."
"Ich wünschte, du wüßtest hier eine gute Posada, wo man längere Zeit verweilen könnte; wäre nicht abgeneigt, Land hier zu kaufen an den Flüssen; das Wasser bietet doch ein bequemeres Absatzgebiet als die rauhen Bergwege."
"Warum nicht gehen zu großen Haciendero? Ihm sehr gastfrei, er sich freuen, wenn Caballero kommen."
"Was weißt du von großen Haciendero hier?"
"Alle Indios in Posada gestern sagen, sie nie so viel Fleisch und Tabak bekommen, als bei großem Haciendero, der die Sennorita wieder gefunden, die schlechte Indios geraubt."
"Wahrhaftig, das ist ein Gedanke. Ich werde in der Tat Sennor Vivanda meine Aufwartung machen, dabei wird sich manches ergeben. Nun, Muchacho, wenn du so großes Verlangen nach den Fleischtöpfen des großen Hacienderos hast, die Freude bei ihm vorzusprechen, kann ich dir ja machen."
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