Dies schien dem Indianer durchaus angenehm zu sein.
"Weißt du, wo die Hacienda liegt?"
"Indios sagen, am Flusse - ihm kann nicht mehr weit sein."
"Wollen dort vorsprechen."
Hurtig sattelte Maxtla die Tiere und bald darauf galoppierten beide durch die Ebene. Angebaute Felder ließen, als sie eine Stunde geritten waren, auf die Nähe einer großen Pflanzung schließen, und nach kurzer Frist gewahrten sie auch den zwischen Bäumen verborgenen Herrensitz der Hacienda Otoño.
Tejada trug die Kleidung, die bei denen, die in den Llanos reiten, die übliche ist, und trotz seines abenteuerlichen und verbrecherischen Lebens waren ihm von früher noch einige Umgangsformen geblieben, die auf den Mann von guter Erziehung schließen ließen.
Er nahm seine ganze Keckheit zusammen, um den Sennores Vivanda, die ihm dem Rufe nach als wirkliche Caballeros bekannt waren, als gleichberechtigter Standesgenosse zu begegnen.
Als er sich dem Familiengebäude näherte und gewahrte, in welch vornehmem, in den Llanos seltenem Stile alles gehalten war, Wege, Gärten, Park, Baulichkeiten, fühlte er doch, daß er nicht mehr ganz in solche Umgebung passe, er hatte sich zu lange in der Posada und in der Spielhölle bewegt.
Aber er strich sich den dunklen Schnurrbart und ritt in guter Haltung vor.
Trotz des gestrigen aufregenden Festtages auf Otoño, der das Hauswesen stark in Unordnung gebracht hatte, trat nicht nur ein Peon zu ihm, um ihm das Pferd abzunehmen, alsbald erschien auch der Majordomo, um ihn zu bewillkommnen.
"Fragt, ob ein durchreisender Caballero Sennor Vivanda seine Glückwünsche darbringen dürfe zu dem glücklichen Ereignis, von dem ich gestern vernommen habe."
"Wolle es Euch gefallen, Sennor, näher zu treten, ich werde sogleich fragen, ob einer der Sennores bereit ist, Besuch zu empfangen. Sattle ab, Bursche," rief er Maxtla zu, "Fremde sind stets auf Otoño willkommen."
Er lud durch höfliche Gebärde Tejada in eine Pieza neben dem Haupteingang einzutreten und versprach, sofort zurückzukehren.
Kaum war er verschwunden, erschien schon ein Diener des Hauses mit Limonade und Rauchmaterial, welches beides er vor den Gast hinsetzte und zugleich nach seinen weiteren Befehlen fragte. Der Fremde hatte aber nur den Wunsch, die Herrschaft zu begrüßen.
Nach kurzer Zeit erschien auch der Majordomo wieder und meldete, daß Hochwürden, der Bruder des Sennors, sich eine Ehre daraus machen würde, Sennor zu empfangen und das alles, Haus und Hof zu der Verfügung Seiner Gnaden stehe.
Waren dies auch nur die üblichen Phrasen, die unter Spaniern gewohnheitsmäßig gebraucht werden, so war Tejada doch durch den vornehmen Ton des Ganzen verblüfft. Dennoch warf er sofort den Poncho ab, nahm den Hut in die Hand und folgte dem führenden Haushofmeister zu dem Zimmer des Cura.
Der alte Herr mit dem geistvollen, freundlichen Gesicht empfing ihn im bequemen Hauskleid, hieß ihn mit einigen Worten im Namen seines Bruders auf Otoño willkommen und dankte für die Ehre seines Besuches.
Dem Banditen war vor dem klugen Auge des Greises, das auf dem Grunde der Seele zu lesen schien, gar nicht wohl, doch nahm er seine Unverschämtheit zusammen und sagte mit sicherem Ton: "Hochwürdigster Herr, nicht nur der Wunsch, bei einer durch Geschäfte bedingten Anwesenheit in diesem Teile des Landes dem illustren Herrn Otoños meine Ehrerbietung zu bezeigen, führt mich hierher, auch die Freude, Euch meinen Glückwunsch zur Rettung der Tochter des Hauses aus großer Gefahr darbringen zu dürfen, doch mehr noch das Verlangen, den Sohn Don Pedro d'Alcantaras, des verehrten Mannes, unter dem ich als Teniente diente, begrüßen zu können. Gestern vernahm ich von diesem Wunder in einer Posada und beeilte mich, meine Schritte hierher zu lenken."
Dem Cura war die Erscheinung Tejadas sehr wenig sympathisch, doch wies das so oft durch Parteikämpfe und Bürgerkriege zerrissene Land eine solche Zahl abenteuerlicher Gestalten auf, daß ihm diejenige Tejadas weder neu noch überraschend war.
Er erwiderte höflich: "Ja, Sennor, durch des Himmels Gnade und die Tapferkeit unseres Pflegesohnes wie hingebender Freunde ist großes Unheil von unserem Hause abgewandt worden. Unser Zögling Alonzo d'Alcantara hat sich dadurch als echter Sohn seines heldenhaften Vaters in die Welt eingeführt."
"O, es ist rührend und staunenswert zugleich. Welch seltenes Geschick! Wie soll es mich freuen, einen Sproß meines teueren Coronel zu sehen."
"So habt Ihr auch für die Sache der Libertados gefochten, Sennor -?"
"Molino, wenn's beliebt, Hochwürdiger. - Ja," sagte mit der Miene eines Märtyrers Tejada, "gefochten und gelitten."
Ein Klopfen an der Türe beantwortete der Cura mit einem "Entra!" und herein trat Alonzo.
"O Väterchen, du hast Besuch? Entschuldige mich."
"Nein, komm nur, Kind, hier ist ein Gast, der sich freut, dich begrüßen zu können."
Alonzo hatte mit dem ersten Blick den Mann aus der Posada in Naëva erkannt, und sein Gesicht nahm den Ausdruck starrer Ruhe an, der keine Gefühlsbewegung mehr verriet.
Der Geistliche, der den verwilderten Knaben mit eines Vaters Liebe erzogen hatte, kannte dieses Gesicht und wußte, daß es dem Fremden gegenüber Bedeutung haben müsse.
Doch sagte er ohne zu Zögern: "Dies ist Don Alonzo d'Alcantara, Don Pedros Sohn, Sennor. Ein reisender Caballero, Kind, der uns die Ehre erwiesen hat, auf Otoño vorzusprechen. Sennor Molino, wenn ich recht verstand."
Tejada, der seit gestern wußte, daß er in Alonzo d'Alcantara den verwegenen Reiter und meisterhaften Schützen aus Naëva erkennen würde, war doch durch die Haltung und den Ernst des jungen Mannes, der hochaufgerichtet vor ihm stand, überrascht.
"O" - sagte er dann sich zusammennehmend - "ja, das ist meines teueren Don Pedros Blut, ich erkenne es, ich fühle es. O Sennor, gestatten Sie mir, daß ich Sie umarme."
Er erhob sich und wollte seine Absicht ausführen.
Alonzo, in dem wieder der Verdacht sich regte, in diesem Mann denjenigen vor sich zu haben, der den tödlichen Schuß auf Gomez abgegeben hatte, verbeugte sich, ohne daß ein Zug in seinem Gesicht sich bewegte, mit höflicher Kälte und sagte: "Es wäre dies zu viel der Ehre für mich, Sennor."
Selbst die Hände, die Tejada ihm entgegenstreckte, schien er nicht zu sehen.
Der Cura bemerkte es, Tejada aber war gewandt genug, schnell noch mit der Hand nach den Augen zu fahren, als ob er sich eine Träne abwische und sagte: "Verzeihen Sie, Sennores, wenn einem alten Soldaten, der für die Freiheit dieses Landes gefochten hat, bei der Erinnerung an seinen glorreichen Capitano die Weichheit überkommt. O, wie es mich freut, einen Sohn Don Pedros noch am Leben zu finden, o, das wird großes Aufsehen im Lande erregen."
"Jedenfalls bei allen Freunden der Familie," sagte der Cura, der den Fremden jetzt aufmerksamer betrachtete, nachdem ihm Alonzo mit solcher Kälte begegnet war.
"Sie waren schon früher in diesem Teile des Landes, Sennor?" fragte Alonzo, ohne auf die Gefühlsäußerungen des alten Soldaten Rücksicht zu nehmen.
Tejada stutzte bei dieser Frage, die ihm recht unerwartet kam, entgegnete aber doch gefaßt: "Mein wildes Kriegsleben hat mich wohl auch vorübergehend mit diesem Teile des Landes in Berührung gebracht; es gab eine Zeit, wo echte Patrioten nur in der Wüste sicher waren; doch das ist lange her."
"Sie kommen aus dem Norden, Sennor Molino?"
"So ist es, hochwürdiger Herr. Ich habe Eigentum am Magdalena, doch die Zeiten sind so unruhig, und man ist mir in Bogotá so wenig gewogen, daß ich in das Land geritten bin, um, wenn es möglich ist, mir eine Heimstätte im Süden zu suchen."
"O, drohen uns wieder Unruhen?" fragte der Cura.
"Das möchte ich nicht sagen," erwiderte Tejada ausweichend. "Doch gehört eine feste Hand dazu, um alle widerstrebenden Elemente des Landes im Zaum zu halten."
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