Alle Bewohner des Ortes wichen auseinanderstiebend zurück, ausgenommen zwei: Kate Greenly, die sich vor Richard de Ashby auf die Knie warf und ihn um Schonung für ihren Liebhaber bat, und Ralphs Vater, der, aus der Tür des Gasthauses herbeieilend, seinem Sohn einen derben Prügel in die Hand gab und rief: »Recht so, Ralph, mein Junge! Drisch sie alle zusammen! Hallo, Greenly, gebt mir auch einen Knüttel, daß ich ihm helfen kann!«
Einer von den Dienern schlug jedoch den alten Freisassen mit dem Schwertknauf zu Boden, während die zwei andern auf Ralph eindrangen. Der vorderste packte seinen linken Arm, und Richard de Ashby, Kate beiseite schiebend, stürzte sich auf ihn, mit wilder Heftigkeit wiederholend: »Schneidet ihm die Ohren ab!«
Wahrscheinlich wäre der Befehl ohne Barmherzigkeit vollzogen worden, hätte sich nicht plötzlich eine Verstärkung auf Ralphs Seite eingefunden.
Aus dem Fenster der Herberge sprang ein grüngekleideter Mann, ein Schwert an der Seite und in der Hand eine sechs Fuß lange Stange schwenkend. Unter dem linken Arm trug er ein Bündel Pfeile. Mit drei Sätzen legte er den Raum zwischen dem Wirtshaus und den Kämpfenden zurück. Den dritten Satz, der ihn in gleiche Linie mit ihnen brachte, hatte er kaum getan, als er schon mit einem Schlag seiner Stange den Mann, der Ralph am linken Arm gefaßt hatte, niederstreckte und mit einem zweiten Schlag Richard de Ashbys Schwert weit über seinen Kopf hinweg in die Lüfte schleuderte.
Nach einem Blick auf den Mann, den er niedergeschlagen hatte, rief er aus: »Haha, mein alter Bekannter! Als wir neulich miteinander in der Herberge dort zu Fall kamen, dachte ich mir gleich, wir würden uns wieder treffen. Ehrliches Spiel! Nicht vier gegen einen! - Geht Ihr hinein, Kate Leichtsinn! Geht aus dem Wege, daß Euch kein Leid geschieht! Der Tag könnte leicht nicht so gut endigen, wie er angefangen hat. - Ehrliches Spiel, sage ich, oder wir ziehen auch Verstärkung an uns!«
Richard de Ashby sah sich voll Wut nach seinem Schwert um und legte die Hand an den Dolch, den er an seiner rechten Seite trug. Aber der Anblick, der sich ihm darbot, als er nach dem Gasthaus blickte, war wohl geeignet, den Ausdruck seiner Wut zu mäßigen; denn acht bis neun Männer, alle wie Hardy in knappe Röcke von grünem Tuch gekleidet, kamen in raschem Lauf hinter dem Hause hervor, und ihr ganzer Aufzug konnte wenig Zweifel daran lassen, daß sie Verbündete des zuerst Angekommenen waren, in dem er jetzt mit nicht geringem Erstaunen eben den blaunasigen alten Bauern erkannte, den er kürzlich mit seinen Dienern sich hatte balgen sehen. Der Buckel war freilich weg, und auch alle Zeichen der Schwäche waren verschwunden; aber das Gesicht war nicht zu verkennen, und Richard de Ashbys Miene umwölkte sich bei dem Anblick.
Er war indessen kein Feigling. Unter den vielen Lastern und Fehlern, die so manchen vom normannischen Adel jener Zeit entwürdigten, fand sich Feigheit selten. Sie waren Leute des Schwerts und nie abgeneigt, sich desselben zu bedienen.
Sein erster Gedanke war also, sich bis auf den Tod zu widersetzen, der nächste aber, wie er den Widerstand aufs vorteilhafteste leisten könne. So raffte er denn sein Schwert an sich, das einer seiner Diener aufgehoben hatte, und richtete sein Augenmerk auf die Baumgruppe. Aber Harland und der Mann in Grün, nebst einem ganzen Schwarm von Einwohnern des Ortes, deren zornige Gesichter ihm nichts Gutes weissagten, stellten sich ihm augenblicklich in den Weg, so daß ihm kein anderer Ausweg zu bleiben schien, als sich nach der Tür der Herberge zurückzuziehen.
Der erste Schritt jedoch, den er in dieser Richtung machte, veranlaßte eine rasche Bewegung von Seiten der Yeomen oder Waidmänner, oder was die grüngekleideten Männer sonst sein mochten. Sie schnitten ihm blitzschnell auch diesen Zufluchtsort ab, und Hardy rief: »Vertretet ihm den Kirchenpfad, Much! - Jetzt, Junker Richard de Ashby, hört ein paar Worte! Ihr seid hierhergekommen mit keinen guten Absichten, und wir brauchen Euch nicht mehr hier. Aber Ihr sollt freie Wahl haben zwischen drei Dingen: Entweder sollt Ihr auf Euer Pferd steigen, fortreiten und schwören, nie wieder einen Fuß auf diesen Platz zu setzen, oder...«
»Ich will nicht«, antwortete Richard de Ashby trotzig.
»Gut«, fuhr Hardy fort. »Wenn es so ist, sollt Ihr hier mitten auf den Platz treten, Schwert und Dolch ablegen, dafür einen dicken Prügel in die Faust nehmen und zusehen, ob nicht, bei gleichen Waffen, der junge Ralph Harland hier Euch wie eine Weizengarbe zusammendreschen wird.«
»Mit einem Bauern auf Prügel fechten!« rief Richard de Ashby empört. »Das will ich nicht!«
»Gut denn; das dritte gefällt Euch vielleicht noch weniger«, sagte Hardy kalt. »Ich habe Euch nichts anderes anzutragen, als daß wir alle über Euch und die Eurigen herfallen und Euch durchschlagen, daß Ihr an uns denkt, solange Ihr Euch einen Mann nennt.«
»Ermordet uns, wenn Ihr wollt«, sagte Richard de Ashby verstockt. »Wir werden unser Leben teuer verkaufen!«
»Ich bin da nicht sicher, würdiger Herr«, sagte der Mann mit der Purpurnase. »Wir haben keine Lust, mehr Leute durchzudreschen, als eben nötig ist, und so mögen Eure Diener sich wegbegeben, wenn sie wollen. Lauft, Freunde, lauft, wenn es Euch beliebt. Aber beeilt Euch, denn mein Knüttel lechzt danach, mit Eures Gebieters Ohren Bekanntschaft zu machen.« - Und mit diesen Worten schwenkte er ihn in der Hand wie Windmühlenflügel.
Einer von den Männern brauchte nicht viel Zeit zur Überlegung, sondern gab Fersengeld, so schnell er nur laufen konnte. Ein zweiter bedachte sich eine kleine Weile und entfernte sich dann langsam mit den Worten: »Es nützt nichts, gegen eine solche Übermacht zu kämpfen.« Der dritte jedoch, Hardys alter Gegner von der Herberge her, stellte sich neben Richard de Ashby und sagte: »Ich will zu Euch stehen, Sir!« Dann fügte er leiser noch etwas hinzu.
»Jetzt, Much, und Ihr, Tim von der Mühle«, rief Hardy, »laßt uns alle auf einmal über sie herfallen! Schlagt ihre Schwerter mit euren Schilden nieder und bindet ihnen die Hände. Dann wollen wir den Sackpfeifer ihnen voraustreten lassen und sie prügeln bis halbwegs nach Pontefrakt. Schnell, schnell! Ich sehe den Priester kommen, und der wird den Friedensstifter machen wollen!«
Aber kaum war der erste Schritt zum Angriff getan, als das Schmettern einer Trompete auf der Landstraße ertönte, und verschiedene der Dorfleute riefen: »Laßt ab!« - »Wartet!« - »Lauft, Meister Hardy - da kommen die Lords, von denen Greenly sprach!« - »Nur fort, ihr guten Yeomen!«
Nun kamen zwei vornehm gekleidete Herren langsam an der Spitze von etwa fünfzig Reitern die Straße herauf auf den Rasenplatz zu geritten. Hardy, als er sah, daß der Tag nicht sein bleiben würde, wollte eben weiter, um seinen Gefährten auf der anderen Seite sich anzuschließen, als Richard de Ashby selbst sich ihm in den Weg warf und mit dem Schwert einen Streich auf ihn führte. Der stämmige Yeoman parierte ihn leicht mit seinem Knüttel und stieß seinen Gegner mit dem Ende desselben vor die Brust, wodurch er sich freien Weg bahnte. Gleich darauf stand er an der Spitze der Waidmänner.
»Kommt mit uns, Harland!« rief er. »Es ist geratener für Euch, wenn Ihr Euch entfernt!«
Richard de Ashby jedoch, dem sich nähernden Trupp von Edel-leuten mit der Hand winkend, schrie: »Haltet sie auf! Ich bin schwer mißhandelt und beinahe ermordet worden! Laßt Eure Leute sie umzingeln, mein Lord!«
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