1268 verlor Konradin, der letzte Staufer, die Schlacht von Tagliacozzo gegen die deutlich überlegenen Truppen einer päpstlichen Allianz mit Karl von Anjou, dem Bruder Ludwigs IX., des französischen Königs. Konradin konnte dem Gemetzel entkommen, geriet aber durch Verrat in die Hände Karls. Mit einigen Getreuen wurde der letzte legitime Vertreter der staufischen Familie, gerade 16 Jahre alt, auf der späteren Piazza del Mercato in Neapel enthauptet. Ein christliches Begräbnis wurde ihm verweigert.
Der Papst hatte sein Ziel erreicht: Die Herrschaft der Staufer in Italien war zerschlagen. Er fühlte sich in seiner Rolle als Universalherrscher über die ganze Christenheit bestätigt und gestärkt. Was das »Reich« anging, war er der Einzige, der einen König zum Kaiser krönen durfte. Er war derjenige, der die Partikularkräfte der deutschen Könige bändigen oder mobilisieren konnte. Er konnte auch dazu auffordern, Jerusalem und das Grab Jesu aus den Händen der »ungläubigen« Sarazenen (die umgekehrt alle Nichtmuslime »Ungläubige« nannten) zu befreien, also zum Kreuzzug aufrufen - und schon folgten die Herrscher in Europa. Sie verließen sich dabei auf den Stand der Ritter, der sich verpflichtet fühlte, für die »Sache Gottes« zu kämpfen.
Gehen wir zurück ins späte elfte Jahrhundert, als es den ersten Aufruf gab. Damals hatte Papst Urban II. auf der Synode von Cler-mont (1095) den abendländischen Rittern und Fürsten ein starkes Motiv und ein klares Ziel vorgegeben, als er die Christenheit zur Befreiung des Heiligen Grabes aufforderte. »Gott will es«, war die Antwort der Volksmenge vor der Kathedrale von Clermont gewesen. Jerusalem wurde erobert, war aber nicht zu halten. 1147 hatte sich dann auch der zweite römisch-deutsche Kaiser aus dem Geschlecht der Staufer, Konrad III., von dem einflussreichen Zisterzienser Bernhard von Clairvaux zu einem Kreuzzug drängen lassen. Es war schon der zweite, aber niemanden schien zu stören, dass nach biblischer Überlieferung das Grab Jesu in Jerusalem leer war. Das Unternehmen verlief erfolglos, doch der Mantel mit dem Kreuz begleitete auch weiterhin die europäische Geschichte.
Konrad III. bestimmte - unter Zurücksetzung seines erst sechsjährigen Sohnes - den Sohn seines Bruders zum Nachfolger. Damit sind wir im Jahr 1152 und wieder bei Friedrich I. Barbarossa. Wie später Friedrich II. war auch Kaiser Rotbart ein gebildeter und sprachenmächtiger Herrscher. Er hatte sich gegen den Welfen Heinrich den Löwen durchgesetzt, stärkte seine Hausmacht durch Städtegründungen und neue Münzstätten, verschärfte aber durch seine Italienzüge und die Bekämpfung der nach Unabhängigkeit strebenden lombardischen Städte den Konflikt mit dem Papst. Der sah seine Position in Italien allein schon durch die Nähe Barbarossas gefährdet. Die Sorge war nicht unbegründet, denn Friedrich ernannte bald einige Gegenpäpste, um zu teilen und zu herrschen.
Letztlich arrangierte er sich aber mit dem Papst. Mit Alexander III. schloss er 1177 in Venedig einen Friedensvertrag.
Mit echter Begeisterung setzte sich Friedrich Barbarossa 1190 an die Spitze des dritten Kreuzzugs, an dem außer dem französischen König auch König Richard I. Löwenherz von England teilnahm. Nach der Überquerung des Hellespont erreichten die deutschen Ritter unter unsäglichen Strapazen das anatolische Hochland und eroberten am 13. Mai die seldschukische Hauptstadt Ikonium, das heutige Konya. Am 10. Juni 1190 starb der Kaiser an der Grenze des christlichen Königreichs Armenien, als er den Gebirgsfluss Saleph überqueren wollte. Er ertrank. Sein Sohn Herzog Friedrich von Schwaben führte die Kreuzritter noch nach Akkon, erlag dort aber einer seuchenartigen Krankheit.
38 Jahre hat Friedrich Barbarossa regiert. Bevor Friedrich II. den Thron bestieg, führte Heinrich VI. die Politik seines Vaters weiter. Durch seine Heirat mit Konstanze, der Erbin des normannischen Königreichs Sizilien, erreichten die Staufer den Höhepunkt ihrer Macht. Wie es weiterging, haben Sie schon erfahren.
Und die Kreuzzüge? Die Ritterheere und mehr noch die in einem Massenrausch aufbrechenden Volkshaufen waren auf die Strapazen einer solchen Unternehmung nicht vorbereitet. Sie kannten Wege, Länder und Menschen nur vom Hörensagen. Sie waren mangelhaft ausgerüstet. Ohne angemessene Logistik wurden die Heerscharen der Kreuzfahrer in vielen Schlachten und Scharmützeln aufgerieben. Nur ein vom französischen Heerführer Gottfried von Bouillon geführtes Ritterheer hatte auf dem Landweg das Heilige Land erreicht. Er belagerte und eroberte 1099 Jerusalem - und metzelte die muslimische Bevölkerung nieder.
Das Ansehen der Kreuzzüge erfuhr im Jahr 1212 einen traurigen Tiefpunkt, als Tausende von Halbwüchsigen, aber auch die Ärmsten der Armen - Knechte, Landarbeiter, Tagelöhner - dazu missbraucht wurden, sich auf einen sogenannten Kinderkreuzzug zu begeben. Er scheiterte schon in Italien. Die Kinder wurden im Namen Gottes in ihr Verhängnis getrieben: Viele der Mädchen landeten in der Zwangsprostitution, die meisten Jungen wurden in die Sklaverei verkauft.
Von sieben Kreuzzügen war nur der erste im Sinne der Veranstalter bedingt erfolgreich. Alle anderen endeten als Debakel, auch wenn gern die Berührung zwischen Orient und Okzident als Argument für angeblich positive Nachwirkungen bemüht wird. Aber von dieser »Ehrenrettung« bleibt bei genauer Prüfung nicht viel übrig. Der Westen erweiterte höchstens sein Weltbild und sein Handelsvolumen, staunte über Städte mit Kanalisation, fließendem Wasser und befestigten Straßen, hatte seinerseits aber dem überlegenen Osten wenig zu bieten. Und die meisten kulturellen und wissenschaftlichen Impulse der muslimisch-arabischen Welt drangen nicht über den Vorderen Orient nach Europa, sondern über Sizilien und vor allem das maurische Spanien.
Die Ideale der Ritter und die Moral der Christen insgesamt wurden durch die Fehlschläge der Kreuzzüge immer mehr ausgehöhlt. Die Bindung an die Kirche nahm ab. Gleichzeitig stieg das Selbstbewusstsein des Islam. Die Idee des Dschihad, des Heiligen Krieges, erneuerte sich, das Verhältnis zwischen Islam und Christentum blieb auf Jahrhunderte vergiftet. Dubiose Finanzierungspraktiken (Kreuzzugsablass, Kreuzzugssteuer) lösten eine Welle der Abwendung von der Kirche aus. Wer von den Vorgängen wusste, ging innerlich auf Distanz zu ihr.
21. Ritter, Tod und Teufel
Sie war nur eine von Hunderttausenden, denen als Ketzerin oder Zauberin im Europa der frühen Neuzeit der Prozess gemacht wurde. Eines von 40 000 bis 60 000 Todesopfern, die die Hexenverfolgung vom 15. bis ins 18. Jahrhundert hinein forderte. Und doch ist Johanna, die ihren »inneren Stimmen« folgte und für ihr Land in die Schlacht zog, etwas ganz Besonderes: Nationalheldin, Befreierin, Märtyrerin, Hauptfigur vieler Theaterstücke, Opern, Hörspiele und Filme - in Erinnerung geblieben aber, zu Recht, nicht als die glorreiche Heerführerin, sondern »eine aus dem Volk«, ein schlichtes, demütiges Bauernmädchen. Von Heiligen wie Jeanne d’Arc und Hexen, von Ritter, Tod und Teufel erzählt dieses Kapitel.
Auf nichts war im späten Mittelalter so sehr Verlass wie auf die Erz- und Erbfeindschaft zwischen England und Frankreich. Ihr Höhepunkt war der sogenannte Hundertjährige Krieg, der sich von 1337 bis 1453 hinzog und am Streit um die englischen Besitztümer auf dem französischen Festland entzündet hatte. Aber ihre Ursprünge reichten bis ins ausgehende erste Jahrtausend zurück, als sich Teile der Wikinger, die von Skandinavien aus nach West- und Osteuropa vorgestoßen waren, in Frankreich ansiedelten. Die Bezeichnung Normandie leitet sich von diesen Nordmännern oder Normannen ab.
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