»So, Sir«, sagte er, »Royalisten und andere Elemente wollen das Land also in Aufruhr und Verderb stürzen. Ist es nicht so? Los, antworten Sie mir.«
»Ich habe keine Antwort, die ich darauf geben könnte, Eure Hoheit«, sagte ich.
»So, bei Gott, keine Antwort können Sie mir geben, während in Ihrem eigenen Haus der für vogelfrei erklärte Sekretär des Herzogs von Cleveland versteckt ist.«
Ich fühlte mich wie vor den Kopf geschlagen und war sicher, von jemandem verraten worden zu sein, aber ohne mir Zeit für eine Antwort zu geben, fuhr er in raschem Tonfall fort:
»Der HERR ist gnädig, und ebenso sind wir es, aber der Bösewicht muß gefaßt werden, weshalb die beiden gottesfürchtigen Männer mit ihren kurzen Karabinern, geliebte Soldaten des Commonwealth, Sie jetzt begleiten werden. Sie werden den Bösewicht aus Ihrem Haus herausführen, während die beiden gottesfürchtigen Dragoner sich im Schatten hinter Ihnen halten werden. Sie bringen ihn dann zum Fluß hinunter, wo, sofern der HERR will, ein Boot mit einem kleinen blauen Zeichen am Bug warten wird, an Bord dessen Sie ihn setzen und ihm gute Reise wünschen werden.«
Er hielt inne und fixierte mich scharf in dem schwachen Licht, das in dem Apartment herrschte.
»Und dann, Eure Hoheit?« fragte ich.
»Dann werden Sie morgen bei uns für eine beträchtliche Summe vorsprechen, welche Ihnen für den Dienst zusteht, den Sie dem Commonwealth geleistet haben. Ja, es soll sich für Sie als höchst profitabel erweisen, für die Sache des HERRN gekämpft zu haben.«
Ich muß gestehen, ich hatte von diesem Gespräch ein ganz anderes Resultat erwartet; ich hatte sogar gefürchtet, daß meine Freiheit, mein Leben in Gefahr wäre. Cromwell war ein Mann, mit dem nicht gut Kirschen essen war. Ich kannte diese Gefahr und war nicht gewillt, mich etwa für Master Latham zu opfern.
»Ich werde tun, wie Eure Hoheit befehlen«, sagte ich deshalb auch sofort.
»So, wirklich?« erwiderte er. »Nun, wenn Sie mir nicht gehorchten, würden Sie auch sofort meinen starken Arm zu spüren bekommen. Ho, hallo? Gottfürchtiger Simpkins, sind Sie da draußen?«
»Ja, so der HERR will«, sagte ein Dragoner, der in der Tür erschien.
Cromwell machte ihm lediglich mit der Hand ein Zeichen, woraufhin Simpkins mich fest am Oberarm packte, als wäre ich ein ertappter Dieb, und mich wieder durch den Gang führte, in welchem die beiden Posten standen.
Ein paar Augenblicke darauf fand ich mich wieder in der Obhut meiner beiden früheren Wächter wieder; äußerst forschen Schrittes setzten wir uns in Richtung meines Hauses in Marsch.
Es war keine sehr angenehme Affäre, in welchem Licht ich es auch betrachten mochte; aber was Cromwell betraf, so kannte ich meine Zwangslage, und es würde mir übel bekommen sein, wenn ich auch nur eine Sekunde gezögert hätte, ihm zu gehorchen. Andererseits wußte ich, wie großzügig er solche Dienstleistungen zu belohnen pflegte, und rechnete mir daher aus, daß ich durch die Transaktion in den Besitz einer guten runden Summe kommen würde, wozu noch die fünfzig Pfund kamen, die ich bereits von den Royalisten erhalten hatte. In der Tat, die Sache war so lukrativ, daß ich, während wir durch die nächtlichen Straßen zu meinem Haus zurückgingen, schon überlegte, ob ich mich nicht ganz in die Dienste des Protektors von England stellen sollte.
»Wenn ich das tue«, argumentierte ich im stillen, »und dabei weiterhin meine Beziehungen zu den Royalisten unterhalte, müßte sich daraus eigentlich ein flottes Geschäft entwickeln lassen.«
Aber es wird gleich zu sehen sein, daß widrige Umstände all diesem Träumen ein jähes Ende setzten.
Als wir zu meinem Hause kamen, war das erste, was ich sah, daß mein Sohn, der mir die Tür geöffnet hatte, sich mit der Hand über die Augenbraue fuhr, als sei er müde geworden; er kam auf mich zugerannt, klammerte sich an meinen Arm und flüsterte mir aufgeregt etwas zu.
Ich war im Moment jedoch so verärgert, daß ich die Beherrschung verlor, ohne die Folgen zu bedenken, mit der geballten Faust ausholte und ihn zu Boden schlug. Er fiel mit dem Hinterkopf genau auf einen der großen runden Steine, mit denen die Straße gepflastert war, und atmete sein Leben aus. Ich hatte ihn ermordet.
Ich weiß nicht, was unmittelbar nach dieser schrecklichen Tat geschah; ich kann mich nur noch erinnern, daß es eine große Konfusion gab, ein Herumblitzen von Lichtern, und es schien mir, als ob mich irgend etwas plötzlich mit großer Gewalt zu Boden schleuderte.
Als ich wieder zu mir kam, fand ich mich auf einer kleinen schmalen Liege wieder, aber in einem sehr großen, nur dämmrig erhellten Raum, in dem noch viele andere solcher kleinen Betten entlang den Wänden standen. Das dürftige Licht ermöglichte mir gerade noch, mich ein wenig umzusehen und ein paar herumschleichende, finster aussehende Gestalten zu erkennen.
Ich war in dem Hospital, das der Protektor kürzlich in der City hatte errichten lassen.
Ich versuchte zu sprechen, konnte es aber nicht; die Zunge schien mir am Gaumen festgeklebt zu sein; und auch mein Gesichtssinn trübte sich jetzt; ich konnte die schemenhaften, düsteren Gestalten um mich herum kaum noch erkennen.
Dann faßte jemand mein Handgelenk, und ich hörte den Betreffenden ganz deutlich sagen:
»Mit dem hier geht es jetzt zu Ende.«
Plötzlich schien es mir, als ob sich irgend etwas mit erdrückender Kraft auf meine Brust senkte, und ich war mir dumpf bewußt, daß ich verzweifelt nach Atem rang; dann glaubte ich, ich befände mich auf dem Grund des Meeres. Einen Moment, wirklich nur einen Moment lang, spürte ich eine schreckliche Todesqual, und dann kam da ein zischendes Geräusch wie das Rauschen von Wasser, wonach ich ganz deutlich spürte, daß ich von jemandem auf den Armen hochgehoben wurde. Ich wurde dann wieder hingelegt, und meine Glieder fühlten sich taub und kalt an; ein heftiger Krampf durchlief meinen ganzen Körper; ich schlug die Augen auf und fand mich im Freien liegend wieder, neben einem frisch ausgehobenen Grab.
Der Vollmond stand hoch am Himmel, und seine kühlen Strahlen fielen auf mein Gesicht. Eine Stimme klang mir in den Ohren, eine tiefe und feierliche Stimme; schmerzlich deutlich war jedes Wort, das sie sprach.
»Mortimer«, sagte sie, denn das war mein Name, »Mortimer, in deinem Leben hast du eine Tat begangen, die dich ein für allemal der Hoffnung beraubt, daß man sich an irgend etwas aus diesem deinem Leben in jener Welt, die nach dem Tode kommt, zu deinem Vorteil erinnern wird. Du hast den reinen Quell der Gnade vergiftet, und auf jemanden wie dich kann niemals auch nur ein Schimmer der Großzügigkeit und Vergebung des Himmels fallen. Mörder, Mörder jenes Wesens, das dir vom großen Schöpfer zur unverletzlichen Obhut anvertraut war, lebe hinfort als für immer verflucht. Sei dir selbst eine Widerwärtigkeit und ein Ekel, gemieden von allem, was gut und rechtschaffen ist. Stehe allen Menschen als Feind gegenüber, und alle Menschen sollen als Feinde dir gegenüberstehen: Varney, dem Vampir.«
Taumelnd kam ich auf die Beine und sah, daß die Szene um mich herum ein Friedhof war. Ich war hager und ausgemergelt; meine Kleider hingen an mir wie an einem Skelett, und der klamme Geruch des Grabes haftete ihnen noch an. Ich begegnete einem alten Mann und fragte ihn, wo ich sei. Er sah mich an mit einem Erschaudern, als wäre ich gerade irgendeinem Beinhaus entkommen.
»Wieso, dies ist Isledon«, sagte er.
Helles Glockenläuten klang plötzlich durch die laue Nachtluft.
»Was bedeutet das?« fragte ich.
»Wieso, dies ist der Jahrestag der Restauration.«
»Der Restauration? Welcher Restauration?«
»Wieso, der königlichen Familie der Stuarts auf den Thron, das ist doch klar. Genau heute vor einem Jahr kehrte sie auf ihren Thron zurück. Haben Sie so lange geschlafen, daß Sie das überhaupt nicht wissen?«
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