Ich spielte keine prominente Rolle bei den politischen Aufruhren jener Epoche, aber ich sah den blutigen Kopf eines Königs in Whitehall aufgespießt als Spektakel für die Volksmenge.
Es gab Tausende von Personen in England, die alle zu diesem Ende des Königs beigetragen, es aber beileibe nicht erwartet hatten und dann die ersten waren, die den gigantischen Mächten, die sie selber aufgerührt hatten, zum Opfer fielen.
Unter diesen waren auch viele von meinen Auftraggebern; Männer, die durchaus willens gewesen waren, den Thron zu erschüttern, soweit es jenen betraf, der ihn gerade besetzt hielt, die aber ganz sicher niemals beabsichtigten, die Monarchie zu zerstören; so schufen denn der Tod von Charles dem Ersten und die Diktatur Cromwells eine Unzahl von Royalisten.
Sie hatten damit einen Geist heraufbeschworen, den sie nun nicht mehr loszuwerden vermochten, und dies war eine Tatsache, der sich auch jener strenge, harte Mann, Cromwell, mit dem ich viele Unterredungen hatte, durchaus bewußt war.
Mein Haus war in ganz besonderem Maße für diskrete und verschwiegene Zwecke geeignet, und ich wurde ein reicher Mann durch die großen Summen, die ich dafür erhielt, daß ich vornehmen Royalisten zur Flucht verhalf, von denen manche für eine beträchtliche Zeit perdu in meinem Hause lagen, bevor sich eine günstige Gelegenheit ergab, sie still und leise den Fluß hinunterzuschaffen zu irgendeinem Schiff, das sie nach Holland bringen würde.
Mir wurde in der Tat so viel pro Kopf für jene Royalisten geboten, daß eines Tages Cromwell nach mir schickte; es gab da insbesondere einen, der Privatsekretär des Herzogs von Cleveland gewesen war, ein noch junger Mann ohne Familie und Rang, aber von großen Fähigkeiten, den Cromwell unbedingt in seine Gewalt bringen wollte. Ich glaube, es muß da ebenso auch noch ein paar private Gründe gegeben haben, die den Diktator des Commonwealth veranlaßten, derart wild hinter diesem Master Francis Latham her zu sein, welches der Name der Person war, auf die ich mich hier beziehe.
Es war spät eines Abends, als ein Fremder zu meinem Haus kam und, da er mich diskret zu sprechen wünschte, in ein Privatzimmer geführt wurde, wo ich ihn sogleich empfing.
»Ich weiß«, sagte er, »daß Sie vertraulich für den Herzog von Cleveland tätig gewesen sind, und ebenso ist mir bekannt, daß Sie schon so manchem Royalisten, der sich in der Klemme befand, sehr nützlich gewesen sind, aber dafür, daß Sie Master Francis Latham, dem Sekretär des Herzogs, helfen, wird Ihnen gestattet, beinahe jede beliebige Summe zu nennen.«
Ich nannte einhundert Pfund, was zu jener Zeit eine weit größere Summe war als heute, wenn man den relativen Wert berücksichtigt. Die eine Hälfte davon sollte ich sofort erhalten; die andere wurde mir zur Zahlung innerhalb vierundzwanzig Stunden versprochen, nachdem Latham die Flucht gelungen war.
Mir wurde gesagt, daß um halb zwölf Uhr in jener Nacht ein Mann in gewöhnlicher Arbeitskleidung, mit einem Besen über der Schulter, an meine Tür klopfen und fragen würde, ob man ein Nachtquartier für ihn wisse; durch diese Kennzeichen würde ich wissen, daß der Mann Francis Latham sei. Ein holländischer Lugger, wurde mir ferner gesagt, läge nahe von Gravesend, und an Bord von diesem sollte ich den Flüchtling bringen, um mir mein Geld zu verdienen.
All dies wurde abgemacht; ich hielt ein Boot mit zwei Ruderern bereit, auf die ich mich absolut verlassen konnte. Ich war weit davon entfernt, bei der Durchführung dieses Unternehmens irgendwelche besonderen Schwierigkeiten zu erwarten.
Ich hatte einen Sohn von damals etwa zwölf Jahren, der ein sehr gewitztes Bürschchen war, das mir schon bei mehreren Gelegenheiten von großem Nutzen gewesen war, und es waren mir niemals Bedenken gekommen, ihn bei solchen Affären wie jener, von der ich hier berichte, ins Vertrauen zu ziehen.
Ein paar Minuten nach halb zwölf kam dann auch tatsächlich von meiner Haustür ein Klopfen, welches mein Sohn beantwortete; es war gemäß der Vereinbarung ein Mann mit einem Besen über der Schulter, der fragte, ob man nicht ein Nachtquartier für ihn wisse, und der daraufhin von meinem Sohn aufgefordert wurde, hereinzukommen.
Der Mann wirkte ziemlich nervös und fragte mich, ob ich glaubte, daß bei der Sache ein großes Risiko bestünde.
»Nein«, sagte ich, »kein größeres als gewöhnlich in solchen Fällen, aber wir müssen eine halbe Stunde bis zum Gezeitenwechsel warten, denn in einem Boot flußab gegen die auflaufende Flut anzukämpfen, würde bedeuten, die Aufmerksamkeit geradezu herauszufordern.«
Dem stimmte er vollkommen bei und setzte sich vor meinen Kamin, um die Zeit bis dahin abzuwarten.
Ich war ebenso wie er darauf bedacht, die Angelegenheit möglichst rasch hinter uns zu bringen, denn es war ein verflixt heikler Auftrag; wenn Oliver Cromwell die Sache zu Ohren kam und er mir nur im geringsten etwas nachweisen konnte, würde er ebenso selbstverständlich den Befehl gegeben haben, mich zu erschießen, wie er im Namen des HERRN sein Abendmahl einzunehmen pflegte.
Ich ging deshalb sogleich zum Fluß hinunter, um mit den beiden Männern zu sprechen, die dort mit dem Boot lagen, und ließ mir von ihnen bestätigen, daß in etwa zwanzig Minuten in der Mitte des Stroms die Flut abzuebben beginnen würde, als mich plötzlich zwei Männer konfrontierten.
Erfahren, wie ich in den Gewohnheiten und Erscheinungen jener Zeit war, erriet ich sofort, mit wem ich es zu tun hatte. In der Tat, zwei von Oliver Cromwells Dragonern waren ja auch wohl kaum zu verkennen.
»Sie werden gesucht«, sagte der eine zu mir.
»Sie werden sogar ganz dringend gesucht«, bekräftigte der andere.
»Aber, Gentlemen, ich bin im Moment gerade sehr beschäftigt«, sagte ich. »In einer Stunde jedoch werde ich Ihnen gern das Vergnügen machen. Sie brauchen mir nur zu sagen, wo ich auf Sie warten soll, und ich werde dann ganz zu Ihrer Verfügung stehen.«
Die einzige Antwort, die ich darauf bekam, war, daß ich von ihnen in die Mitte genommen und a tempo davongeführt wurde, an meiner eigenen Haustür vorbei.
Ich wurde schnellen Schritts direkt nach St. James gebracht, wo man mich eilig durch einen der Innenhöfe führte; wir hielten kurz an einer kleinen Tür, vor der ein Posten stand.
Meine beiden Begleiter verhandelten kurz mit ihm, woraufhin er uns durchließ. Wir kamen durch einen schmalen Gang ohne jedes Licht, dann zu einer weiteren Tür, an welcher ebenfalls ein Posten stand, der den Schein einer Laterne auf mich und meine beiden Führer richtete. Auch ihm wurde eine kurze Erklärung gegeben, während der ich die Worte Seiner Hoheit hörte, welches der Titel war, den Cromwell sich letzthin zugelegt hatte.
Sie schoben mich durch diese zweite Tür, schlossen sie hinter mir und ließen mich im Dunkel allein.
Da ich absolut unwissend war, wo ich mich befand, hielt ich es für das Klügste, ganz still stehen zu bleiben, denn jeder Schritt, den ich tat, hätte mich in Gefahr bringen können; der Rückzug war mir offensichtlich sowieso abgeschnitten.
Darüber hinaus mußten jene, die mich hergebracht hatten, ja wohl irgendwelche Absichten damit verfolgen, und es war in jedem Falle besser, sie diese entwickeln zu lassen, statt selber Schritte zu unternehmen, was für mich höchst gefährlich hätte werden können.
Ich erhielt auch bald die Bestätigung, daß dies die beste Politik gewesen war, denn plötzlich fiel ein greller Lichtschein auf mich, und ich hörte eine mürrische Stimme sagen:
»Wer geht da? Los, hierher!«
Ich ging in die angegebene Richtung und gelangte durch eine offene Tür in ein kleines Apartment, in welchem ich, vor einem gewöhnlichen Kartentisch und die geballten Fäuste darauf gestützt, niemand anderen als Oliver Cromwell selbst vorfand.
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