»Solange Ihnen die Konsequenzen Ihres Handelns bewusst sind«, erklärte Rione.
Diesmal schaute Geary sie finster an und fragte sich, warum Rione so vorwurfsvoll agierte. Aber vielleicht wollte sie damit nur unterstreichen, dass sie weiter die Stimme seines Gewissens sein würde. »Wenn es Ihnen darum geht, dass ich ehrlich bin«, gab er leise zurück, »dann ist Ihnen das gelungen.«
Er konzentrierte sich wieder auf sein Display und sah, dass die Diskussion ihn wenigstens ein paar Minuten lang von seiner Sorge um die Eingreiftruppe Furious abgelenkt hatte. Der Ausgang des Sprungpunkts war zehn Lichtminuten entfernt, sodass sein Befehl, die Befehlshaber der drei Schlachtschiffe zu suspendieren, jetzt die Schiffe erreichte. Die Syndiks konnten schon vor einigen Minuten ins System gesprungen und mit der Eingreiftruppe kollidiert sein, und er würde jetzt noch immer nichts davon wissen.
Die Anzeige auf seinem Display wurde aktualisiert, und er bekam zu sehen, wo vor fast zehn Minuten die Minen im All verteilt worden waren. Es war ein erfreulich dichtes Feld, da Geary fast keine Minen zurückbehalten hatte, auch wenn sie später noch dafür würden zahlen müssen. Seine Schiffe würden zweifellos auch noch etliche Kartätschen und Geister einzusetzen haben und Schäden beim Gefecht davontragen, die repariert werden müssten. Die vier Hilfsschiffe waren nicht in der Lage, alle Ersatzteile gleichzeitig zu produzieren, auch wenn sie noch so viele Rohstoffe aus Sancere mitgenommen hatten. Es würde einige Zeit in Anspruch nehmen, das alles herzustellen und zu verteilen. Wenigstens konnten die Hilfsschiffe während des Sprungtransits die Produktion fortführen, und wenn sie Baidur erreichten, sollte ein Großteil der Waffen fertiggestellt sein.
Sofern sie Baidur erreichten, hielt sich Geary vor Augen. Sie waren noch weit von diesem Stern entfernt, und vor ihnen lag wahrscheinlich noch eine große Schlacht.
»Die Invincible hängt wirklich hinterher«, stellte Desjani fest.
»Mich wundert, dass sie überhaupt noch von der Stelle kommt«, erwiderte Geary und sah sich wieder die Auflistung der Schäden an, die dem Schlachtkreuzer zugefügt worden waren. Beim Blick auf das Display betrachtete er das Vorankommen der fliehenden Allianz-Schiffe und versuchte einzuschätzen, wann die sie verfolgenden Syndiks auftauchen würden. Wir dürfen uns nicht zu nah am Sprungpunkt aufhalten, wenn die Syndiks eintreffen, aber wenn wir uns jetzt nicht bewegen, dann werden wir womöglich nicht in der Lage sein, die Invincible zu beschützen. Ich muss die Repulse ihrem Schicksal überlassen, aber die Invincible lasse ich nicht im Stich.
»Alle Einheiten der Allianz-Flotte, beschleunigen Sie auf 0,05 Licht bei Zeit null vier. Bleiben Sie in relativer Position zum Flaggschiff.« Er wandte sich an Desjani. »Captain, halten Sie die Dauntless bitte auf einem Kurs, der auf das Zentrum des Sprungpunkts gerichtet ist.«
»Ja, Sir.« Desjani erteilte die entsprechenden Befehle und war nach außen hin so ruhig wie immer.
Geary überlegte einen Moment lang. »Eingreiftruppe Furious. Nach Abschluss der Operation Barrikade nehmen Sie eine Position hinter dem Sprungpunkt und ein Stück oberhalb davon ein.« Musste er noch andere Vorkehrungen treffen? Die Warrior, die Majestic und die Orion hatten mittlerweile fast den Rest der Flotte erreicht. Mehrere überlebende Zerstörer begleiteten sie, während die beiden verbliebenen Schweren Kreuzer und die restlichen Zerstörer bei der Invincible verharrten. Er würde sich merken müssen, dass sie das getan hatten. In Anbetracht des bevorstehenden Gefechts konnte Geary es sich nicht leisten, alle Commander zu suspendieren, die sich Falco angeschlossen hatten. Vielleicht würde das auch gar nicht nötig werden, wenn die Befehlshaber dieser Schiffe den Mut und die Disziplin bewiesen, bei der schwer beschädigten Invincible zu bleiben, obwohl der Rest der Flotte ihnen Sicherheit versprach.
Ein ganzes Stück hinter der Allianz-Formation wurden die Hilfsschiffe von vier Eskortschiffen aus der Zweiten Schlachtschiffdivision bewacht, die genügen sollten, um jeden auf ihre Schutzbefohlenen gerichteten Angriff abzuwehren. Niemand wollte die Gelegenheit versäumen, sich an einem Gefecht zu beteiligen, aber Geary hatte den Commandern dieser Schiffe versprochen, dass sie bei der nächsten Konfrontation mit den Syndiks — die es ganz sicher geben würde — an vorderster Front der Flotte zum Einsatz kommen sollten.
Die Majestic, die Warrior und die Orion flogen, als wäre der Teufel hinter ihnen her, und durchquerten die Allianz-Formation ohne auch nur abzubremsen. »Ich hätte mich ja in die Gefechtslinie eingereiht«, brummte Desjani verärgert darüber, dass die drei Schlachtschiffe es nicht für nötig hielten, den anderen beim Angriff auf ihre Verfolger zu helfen. Auch wenn diese Schiffe beschädigt worden waren, hatte Desjani nach Gearys Ansicht völlig recht. Der Austausch des Befehlshabers wird sie nicht zu zuverlässigen Bestandteilen der Flotte machen. Die Besatzungen wollen sich vor Angst irgendwo verkriechen, obwohl der Rest der Flotte hier ist, um sie zu beschützen. Es sollte mich eigentlich nicht wundern, dass Schiffe unter dem Kommando von Leuten wie Numos oder Faresa über keine hochmotivierten Crews verfügen. Es wird ein gewaltiges Stück Arbeit bedeuten, diese Leute umzuerziehen und zu inspirieren.
Arbeit, die auf mich wartet, wenn die Schlacht geschlagen ist, die zweifellos kommen wird.
Als hätten sie Desjanis Bemerkung gehört, machten die Zerstörer kehrt, die die drei verwundeten Schlachtschiffe begleiteten, und flogen auf die Geschwader zu, denen sie vor ihrer Abspaltung bei Strabo angehört hatten, und versuchten, ihren Platz in der Flottenformation einzunehmen. Geary warf einen Blick auf die Schadensmeldungen, die von ihnen an die Flotte gesendet wurden, und schüttelte den Kopf. » Claymore und Cinqueda, hier ist Captain Geary. Ihre Kampfbereitschaft habe ich mit Stolz und Vergnügen zur Kenntnis genommen, aber Sie sind zu stark beschädigt. Begeben Sie sich zu den Hilfsschiffen, damit die mit den Reparaturen beginnen können, und unterstützen Sie deren Eskorten.« Er hielt inne und überlegte, dass da noch eine Sache war, die gesagt werden musste. »Wenn sich die Syndiks den Hilfsschiffen nähern, dann weiß ich, ich kann mich auf Sie verlassen, dass Sie sie tapfer verteidigen werden.« Das klang ein wenig ungelenk, aber es sollte den Stolz dieser Schiffsbesatzungen ansprechen. Das war das Mindeste, was sie dafür verdienten, dass sie freiwillig hatten weiterkämpfen wollen. Kampfgeist hatte tatsächlich einen Platz in dieser Flotte.
Der Austrittspunkt aus dem Sprungraum war noch mehr als acht Lichtminuten entfernt, und von den Syndik-Verfolgern war bislang nichts zu sehen. Die Eingreiftruppe Furious hatte ihre Arbeit getan und befand sich auf dem Weg zur befohlenen Position. Desjani nahm die Entfernung bis zum Sprungpunkt mit Sorge zur Kenntnis. »Sollten wir nicht besser langsamer werden, Sir? Wenn wir zu dicht sind und die Syndiks tauchen auf …«
»Noch nicht«, wehrte Geary kopfschüttelnd ab. »Wir können die Invincible so nicht beschützen.«
»Verstanden, Sir«, meinte sie amüsiert.
Sollte er jemals Desjanis Rückhalt verlieren, dann wusste er, dass er sich einen Fehler geleistet haben musste, der schlimmer nicht ausfallen konnte. »Wir behalten unsere Geschwindigkeit bei, bis wir eine Lichtminute von der Invincible entfernt sind, und wenn die Syndiks dann noch immer nicht aufgetaucht sind …«
»Feindliche Streitkräfte verlassen den Sprungpunkt«, rief ein Wachhabender, währen der Alarm losgellte.
Geary schaute verwundert auf sein Display, als die Syndik-Flotte in den Normalraum geschossen kam. Kein Schwarm leichter Einheiten, sondern zwölf Schlachtkreuzer, die in drei vertikalen Diamantformationen angeordnet waren. Dann begriff er, dass diese Taktik durchaus einen Sinn ergab. Wenn der Syndik-Commander davon ausging, vier beschädigten großen Schiffen mit nur wenigen Begleitfahrzeugen gegenüberzutreten, warum sollte er dann leichte Einheiten losschicken, die möglicherweise bei einem Verzweiflungsangriff zerstört werden könnten? Da war es doch sinnvoller, die Verluste möglichst gering zu halten und Schiffe ins System zu schicken, von denen die vier Verteidiger förmlich überrannt werden konnten.
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