Schließlich war in dieser Nacht in den Wäldern und in den oberen Hallen ein großes Herbstfest im Gange. Fast das gesamte Volk des Königs vergnügte sich dort.
Nach vielem Umhertappen erreichten sie weit unten im tiefsten Höhlenbereich und glücklicherweise dicht bei den Kellern Thorins Verlies.
Donnerwetter!« sagte Thorin, als Bilbo ihm zuraunte, herauszukommen und sich wieder mit seinen Freunden zu vereinen. »Gandalf sprach die Wahrheit, wie gewöhnlich! Ihr seid ein prächtiger Meisterdieb, scheint mir, wenn’s soweit ist. Wir sind Euch auf ewig zu Dank verbunden, was auch immer noch geschehen wird. Aber was geschieht jetzt?«
Es war Zeit, seinen Plan zu erklären, soweit Bilbo es überhaupt konnte. Aber er war keineswegs sicher, wie die Zwerge ihn aufnehmen würden. Und in der Tat – seine Befürchtungen waren berechtigt, denn mit einem solchen Gedanken mochten die Zwerge sich nicht im geringsten befreunden. Trotz der Gefahr fingen sie laut zu murren an.
»Wir werden zerquetscht und in Stücke gehäckselt und ersäuft werden obendrein murrten sie. »Wir dachten, Euch wäre etwas Vernünftiges eingefallen, als Ihr Euch die Schlüssel beschafftet. Aber dies ist eine verrückte Geschichte.«
»Auch gut«, sagte Bilbo niedergeschlagen und ziemlich verärgert. »Kommt zurück in eure hübschen Zellen. Ich sperre euch alle wieder ein, und ihr könnt bequem darin sitzen und einen besseren Plan ausdenken – aber ich werde vermutlich nie wieder an die Schlüssel kommen, selbst wenn ich noch einmal die Neigung verspüren sollte, es zu versuchen.«
Das war zuviel für sie, und sie schwiegen augenblicks still. Am Ende mußten sie also doch tun, was Bilbo ihnen vorschlug, denn es war offensichtlich unmöglich, einen Weg durch die oberen Hallen zu suchen oder sich einen durch die großen Tore zu bahnen, die am Ende durch Zauber verschlossen waren. Und wenn sie nicht aufgegriffen werden wollten, so mußten sie die Nörgelei in den Gängen aufgeben. Sie folgten also dem Hobbit und krochen in die tiefsten Keller. Sie kamen auch an der Tür vorbei, hinter der der Wachhabende und der Kellermeister zu sehen waren. Die beiden schnarchten noch immer mit einem glücklichen Lächeln auf dem Gesicht. Der Wein von Dorwinion bringt tiefe und angenehme Träume. Am nächsten Tag würde wohl der Befehlshaber der Wache anders dreinschauen, wenn auch der gutmütige Bilbo, ehe sie weiterzogen, sich hineinstahl und ihm die Schlüssel wieder an den Gürtel hängte.
Das wird ihm einen Teil des Ärgers ersparen, der ihm ohne Frage bevorsteht, sagte Mister Beutlin zu sich selbst. Er war kein schlechter Kerl und geradezu höflich zu seinen Gefangenen. Es wird sie sowieso ganz schön aus der Fassung bringen. Sie werden glauben, daß wir einen sehr starken Zauber besitzen, mit dem wir durch all diese verschlossenen Türen hindurchgehen und verschwinden können, ja – aber wir müssen uns mächtig beeilen, damit überhaupt etwas daraus wird!
Balin wurde beauftragt, den Befehlshaber der Wache und den Kellermeister im Auge zu behalten und sofort Warnungszeichen zu geben, wenn sie sich rührten. Die anderen schlichen in den benachbarten Keller mit den Falltüren. Da war wenig Zeit zu verlieren. Wie Bilbo wohl wußte, würde es nicht lange dauern, bis einige Elben den Auftrag erhielten, hinunterzusteigen und dem Kellermeister zu helfen, die leeren Fässer durch die Türen in den Strom zu werfen. Die Fässer standen schon reihenweise in der Mitte und warteten bloß darauf, hinuntergestoßen zu werden. Es waren einige Weinfässer dabei. Aber die waren schlecht zu gebrauchen, denn sie konnten nur schwer an einem Ende geöffnet werden, ohne daß es eine Menge Lärm gab. Außerdem konnten sie nicht so leicht wieder sicher verschlossen werden. Aber da standen noch mehr Fässer in der Reihe, die Butter, Äpfel und alles mögliche andere in den Königspalast gebracht hatten.
Bald hatten sie dreizehn beisammen, die geräumig genug für einen Zwerg waren. Einige waren sogar zu geräumig. Als sie hineinkletterten, dachten die Zwerge angstvoll an das Schütteln und Rumpeln, das sie drinnen erleben sollten, obgleich Bilbo sein Bestes tat, um Stroh und anderes Zeug zu finden.
Er wollte jeden so ordentlich verpacken, wie es in der kurzen Zeit nur eben möglich war. Schließlich waren zwölf Zwerge verstaut. Thorin hatte viel Verdruß gemacht. Er drehte und wand sich in seinem Faß und knurrte wie ein großer Kettenhund in einer viel zu kleinen Hütte, während Balin, der zuletzt an die Reihe kam, Theater wegen der Luftlöcher machte. Er behauptete zu ersticken, noch ehe der Deckel drauf war.
Bilbo hatte getan, was er konnte. Er hatte die Löcher in den Seiten abgedichtet und die Deckel so sicher wie nur möglich eingesetzt. Und jetzt blieb er allein zurück, rannte umher, legte letzte Hand an die Verpackung und hoffte gegen alle Vernunft, daß sein Plan nicht entdeckt würde.
Nicht einen Augenblick zu früh war Bilbo fertig geworden. Höchstens eine oder zwei Minuten, nachdem er Balins Deckel aufgesetzt hatte, kamen Stimmen näher, war Fackelschein im Gang zu sehen.
Mehrere Elben eilten lachend und schwatzend in die Keller und trällerten ein paar Liedfetzen. Sie hatten ein fröhliches Fest in der Halle verlassen und wollten, so schnell es ging, dorthin wieder zurückkehren.
»Wo ist der alte Galion, unser Kellermeister?« rief einer.
»Ich habe ihn heut nacht nicht an den Tischen gesehen. Er sollte doch hier sein und uns zeigen, was zu tun ist.«
»Wenn dieser alte Bummelant sich verspätet, dann werde ich ihm ordentlich die Meinung geigen«, sagte ein anderer ärgerlich. »Ich habe keine Lust, meine Zeit hier zu verschwenden.«
»Ha, ha!« hörte man es plötzlich lachen. »Da hängt der alte Gauner mit dem Kinn überm Krug. Er hat sein eigenes Fest mit seinem Freund, dem Befehlshaber, gefeiert.«
»Schüttelt ihn! Rüttelt ihn!« schrien die anderen ungeduldig. Aber Galion gefiel es gar nicht, geschüttelt und gerüttelt und obendrein noch ausgelacht zu werden. »Warum kommt ihr so spät brummte er. »Hier sitze ich und warte und warte, während ihr da oben trinkt und euren Spaß habt und eure Pflicht darüber vergeßt. Kein Wunder, wenn ich vor Müdigkeit eingeschlafen bin.«
»Kein Wunder?« entgegneten sie. »Nein, der Krug neben Euch erklärt alles viel besser! Kommt, gebt uns eine Kostprobe von Eurem Schlafmittel, ehe wir über die Arbeit herfallen. Den Gefängnisaufseher braucht Ihr nicht mehr zu wecken, der hat sein Teil, wie es scheint.«
Dann tranken sie eine Runde und wurden plötzlich mächtig fröhlich. Aber ihren Verstand verloren sie doch nicht ganz.
»Galion!«, schrien einige, Ihr habt Euer Zechgelage offenbar schon recht früh angefangen. Euer Grips war benebelt! Da stecken ja volle Fässer zwischen den leeren – einige sind viel schwerer!«
»Macht weiter«, knurrte der Kellermeister. »Nichts ist schwerer. Nur eure Arme sind bei der Sauferei schwerer geworden. Diese Fässer hier müssen weg, und keine andern. Tut, was ich sage!«
»Gut, schon gut«, antworteten sie und rollten die Fässer zur offenen Falltür. »Es kommt ja auf Euren Kopf, wenn des Königs volle Butterfässer und seine besten Weine in den Fluß geschmissen werden, damit die Seemenschen sich auch ein billiges Fest machen können.«
»Roll, roll, roll und roll,
roll, was leer, und roll, was voll
rums und plumps den Schacht hinunter,
Faß um Faß, das schwappt so munter! «
So sangen sie, als zuerst ein Faß und dann ein anderes zur dunklen Öffnung rumpelte und einige Fuß tief in das kalte Wasser gestoßen wurde. Einige Fässer waren wirklich leer, andere hübsch mit einem Zwerg ausgestopft. Aber hinunter sausten sie alle, eins nach dem anderen. Mit viel Gekrach und Gebumse stürzten sie aufeinander, klatschten ins Wasser, stießen gegen die Tunnelwände und sausten mit der Strömung davon.
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