Aegwynn zog ihre Hände auseinander, und einem Dämon wurden die Arme und Beine von unsichtbaren Klauen aus dem Torso gerissen.
Noch zwei. Aegwynn hob zwei Finger, und ein Dämon verwandelte sich in Sand. Sein letzter Fluch verlor sich im kalten Wind.
Noch einer. Es war der Größte von ihnen, der Anführer, der die Befehle gebrüllt hatte. Aus der Nähe konnte Khadgar sehen, dass seine nackte Brust von Narben übersät war. Eine Augenhöhle war leer, in dem anderen Auge brannte der Hass.
Er griff nicht an. Auch Aegwynn rührte sich nicht. Stattdessen standen sie sich ein paar Sekunden lang bewegungslos gegenüber, während sich das Tal unter ihnen mit Dämonen füllte.
Schließlich knurrte der riesige Dämon, und seine Stimme klang klar, wenn auch wie aus weiter Ferne an Khadgars Ohr.
»Du bist eine Närrin, Wächterin von Tirisfal«, sagte er und passte seine Lippen mühsam der unbequemen, menschlichen Sprache an.
Aegwynn stieß ein Lachen aus, das so scharf und dünn war wie ein Glasdolch. »Bin ich das, Foulspawn? Ich bin gekommen, um euch die Drachenjagd zu verderben, und es scheint, als hätte ich Erfolg gehabt.«
»Du bist zu sehr von deiner eigenen Macht geblendet, Närrin«, sprach der Dämon mit schwerer Zunge. »Während du gegen wenige gekämpft hast, riefen meine Brüder von der Hexerei andere herbei – eine Legion von Dämonen! Jeder Inkubus und kleine Teufel, jeder Alptraum und Schattenhund, jeder Dunkle Lord und Captain der Brennenden Legion, alle sind sie hierher gekommen, während du gegen diese Wenigen gekämpft hast.«
»Ich weiß«, sagte Aegwynn ruhig.
»Du weißt ?«, brüllte der Dämon mit kehligem Lachen. »Du weißt, dass du allein in der Wildnis bist und dir alle Heerscharen der Dämonen gegenüber stehen. Du weißt ?«
»Ich weiß«, sagte Aegwynn, und in ihrer Stimme spiegelte sich das Lächeln, das auf ihren Lippen lag. »Ich wusste, du würdest so viele deiner Verbündeten rufen wie nur möglich. Ein Wächter ist einfach ein viel zu verlockendes Ziel, als dass ihr dem widerstehen könntet.«
» Du weißt? «, schrie der Dämon wieder. »Und trotzdem kamst du allein an diesen verlassenen Ort?«
»Ich weiß«, sagte Aegwynn. »Aber ich habe niemals gesagt, ich sei allein gekommen.«
Aegwynn schnippte mit den Fingern, und plötzlich verdunkelte sich der Himmel, als sei ein großer Vogelschwarm aufgestört worden und verdecke die Sonne.
Nur waren dies keine Vögel. Es waren Drachen. Khadgar hätte nicht gedacht, dass überhaupt so viele Drachen existierten. Sie schwebten auf ihren gigantischen Schwingen über der Landschaft und warteten auf das Signal der Wächterin.
»Foulspawn von der Brennenden Legion«, sagte Aegwynn. »Du bist es, der hier der Narr ist.«
Der Dämonen-Anführer stieß einen Schrei aus und reckte sein blutiges Schwert, aber Aegwynn war zu schnell für ihn. Sie hob eine Hand mit drei ausgestreckten Fingern. Die narbenbedeckte Brust Foulspawns löste sich auf und ließ nur eine Wolke blutiger Splitter zurück. Seine muskulösen Arme sanken herab, seine Beine gaben nach, und er brach zusammen. Sein Gesicht, auf dem noch immer ein Blick entsetzter Überraschung eingegraben war, fiel nach vorne in den schmelzenden Schnee und verschwand.
Das war das Signal für die Drachen. Sie alle wandten nun ihre Köpfe der versammelten Horde der gerufenen Dämonen zu. Die großen, fliegenden Kreaturen stürzten herab, und Flammen schossen aus ihren geöffneten Mäulern. Die vorderste Reihe der Dämonen wurde verbrannt, in einem einzigen Augenblick zu nicht mehr als Asche reduziert, während andere versuchten, ihre Waffen zu ziehen, ihre eigenen Zauber bereit zu machen, zu fliehen.
Im Zentrum der Armee erhob sich ein Gesang, der nun ein intensives Flehen war – und ein leidenschaftlicher Ruf. Dies waren die Mächtigsten der dämonischen Hexer, die ihre Energie konzentrierten, während die Krieger an den Rändern die Drachen mit tödlichen Opfern bekämpften.
Die Dämonen gruppierten sich neu und schlugen zurück, und auch Drachen begannen nun, vom Himmel zu fallen, ihre Körper von eisernen Pfeilen und flammenden Blitzen durchbohrt, ihr Geist von zauberischen Giften und höllischen Visionen heimgesucht. Doch weiter schrumpfte der Kreis um das Zentrum der Dämonen, als mehr und mehr Drachen sich für die Jagd rächten. Die Rufe im Zentrum wurden verzweifelter und undeutlicher.
Khadgar betrachtete Aegwynn. Sie stand stocksteif im Schnee, ihre Fäuste waren geballt, ihre grünen Augen brannten vor Macht, und ihre Lippen hatten sich zu einem bösen Grinsen geöffnet. Auch sie sang, etwas Dunkles und Unmenschliches, das Khadgar noch nie zuvor gehört hatte. Sie bekämpfte den Zauber, den die Dämonen gewoben hatten, aber sie entzog ihm auch Energie für sich selbst und formte sie zu einem Schwert, das für ihre Hände bestimmt war – einer hellen Klinge, um ihre Feinde zu vernichten.
Die Schreie der Dämonen im Zentrum erreichten eine fiebrige Höhe, und jetzt schrie auch Aegwynn, während ein Nimbus von Energie um sie herum knisterte. Ihr Haar wehte in mystischen Winden um ihren Kopf. Sie erhob beide Arme und entließ die letzten Worte ihrer Beschwörung.
Und es gab einen Blitz im Zentrum der dämonischen Horde, wo die Hexer sangen und schrien und beteten. Es war ein Riss im Universum, dieses Mal ein heller Spalt, als habe sich ein Tor zur Sonne selbst geöffnet. Die Energie wirbelte in Spiralarmen heraus, und die Dämonen hatten nicht einmal genug Zeit zu schreien, als sie sie ergriff, sie von innen heraus verbrannte und nur tote Schatten zurückließ, wo sie gerade noch gestanden hatten.
Alle Dämonen wurden von dem Zauber erfasst und auch ein paar der Drachen, die sich dem Zentrum der dämonischen Horde zu sehr genähert hatten. Sie waren gefangen wie Motten in einer Flamme und starben in einem einzigen furchtbaren Augenblick.
Aegwynn stieß einen matten Atemzug aus und lächelte. Es war das Lächeln des Wolfs, des Raubtiers, des Siegers. Wo die dämonische Horde gewesen war, stand jetzt nur noch eine Rauchsäule, die sich als große Wolke zum Himmel erhob.
Doch während Khadgar zusah, wurde die Wolke flacher und sammelte sich um sich selbst, wurde dunkler und intensiver, wie eine düstere Gewitterfront. Doch indem sie ihre Macht konzentrierte, wurde sie stärker, und ihr Herz wurde schwärzer, wurde Purpur und Ebenholz.
Aus der finsteren Wolke trat ein Gott.
Es war eine titanische Gestalt, größer als alle Riesen der Legenden, größer als jeder Drache. Die Haut des Gottes sah aus, als sei sie aus Bronze gegossen, und er trug eine schwarze Rüstung aus geschmolzenem Obsidian. Sein langer Bart und sein wildes Haar bestanden aus lebenden Flammen, und mächtige Hörner ragten über seinen dunklen Brauen hervor. Seine Augen hatten die Farbe des Unendlichen Abgrunds. Als er seine Füße in diese Welt setzte, bebte die Erde. Er trug einen gigantischen Speer, in den Runen eingegraben waren, von denen brennendes Blut tropfte, und er hatte einen langen Schwanz, der in einem Feuerball endete.
Die überlebenden Drachen flohen vom Schlachtfeld und suchten die Sicherheit des dunklen Waldes und der fernen Felswände. Khadgar konnte es ihnen nicht verübeln. So viel Macht Medivh auch besitzen mochte, so viel Macht seine Mutter hier bewiesen hatte, sie waren nur zwei kleine Kerzen verglichen mit der wütenden Feuersbrunst der Macht dieses Dämonenlords.
»Sargeras«, zischte Aegwynn.
»Wächterin«, donnerte der große Dämon mit einer Stimme, die so tief war wie der Ozean. In der Ferne zerbarsten die eisigen Klippen, als sie sein höllisches Organ als Echo zurückwerfen wollten.
Die Wächterin richtete sich zu ihrer vollen Größe auf und sagte: »Ich habe dein Spielzeug zerbrochen. Wir sind hier fertig. Flieh, so lange du noch dein Leben hast.«
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