Als sie sich näherten, wurde ihm klar, was sie waren. Ihre verzierten Helme waren keine Helme, es waren Hörner, die aus ihrem eigenen Fleisch herausragten. Und ihre Umhänge waren keine Umhänge, sondern riesige, fledermausartige, aus ihrem Rücken sprießende Schwingen. Ihre roten Rüstungen waren ihr eigenes dickes Fleisch, das heiß aus seinem Innern heraus glühte und so den Schnee zum Schmelzen brachte.
Es waren Dämonen, Kreaturen aus Guzbahs Vorträgen und Korrigans geheimen Pamphleten. Monströse Wesen, die selbst die Orks an Blutdurst und Sadismus noch übertrafen. Die großen, breitklingigen Schwerter hatten offensichtlich erst vor kurzem Blut gekostet, und jetzt konnte Khadgar sehen, dass auch ihre Körper von Blut besudelt waren.
Sie waren hier – wo auch immer und wann auch immer hier sein mochte –, um Drachen zu jagen.
Ein leises Geräusch erklang hinter Khadgar, nicht lauter als Schritte auf einem dicken Teppich. Er wandte sich um und erkannte, dass er nicht allein auf dem Hügel war, der über der Jagdgesellschaft der Dämonen aufragte.
Sie hatte sich ihm von hinten genähert, und wenn sie ihn sah, so nahm sie keine Notiz von ihm. Ebenso wie die Dämonen ein Fleisch gewordener Fluch auf dem Land waren, so strahlte auch sie ihre eigene Art von Macht aus. Es war eine leuchtende Kraft, die um sie zu wirbeln und sich zu verstärken schien, während sie gleitend über die Oberfläche des Schnees hinweg schritt. Sie war real, aber ihre weißen Lederstiefel hinterließen nur die allerschwächsten Spuren im Schnee.
Sie war groß und stark und ohne Angst vor den Abscheulichkeiten im Tal. Ihre Kleidung war weiß und unbefleckt vom Schnee, der sie umgab, und sie trug ein Hemd aus kleinen, silbernen Schuppen. Ein weiter, weißer Fellumhang mit einem Futter aus grüner Seide bauschte sich hinter ihr und wurde an ihrem Hals von einem großen, grünen Stein festgehalten, der zu der Farbe ihrer Augen passte. Ihr langes, blondes Haar wurde durch einen silbernen Stirnreif gebändigt. Sie schien die Kälte weniger zu spüren als der geisterhafte Khadgar.
Doch es waren ihre Augen, die seine Aufmerksamkeit erregten – grün wie ein sommerlicher Wald, grün wie polierte Jade, grün wie der Ozean nach einem Sturm. Khadgar erkannte diese Augen wieder, denn er hatte ihren durchdringenden Blick bereits gespürt. Es waren die gleichen Augen wie sie ihr Sohn besaß.
Dies war Aegwynn, Medivhs Mutter, die mächtige, fast unsterbliche Zauberin, so alt, dass sie längst zur Legende geworden war.
Und jetzt wurde Khadgar auch klar, wo er sich befinden musste. Dies war Aegwynns Kampf gegen die Dämonenhorden, eine Legende, die nur in Fragmenten erhalten war, in den Gesängen eines Epos in einer Schriftrolle der Bibliothek.
Mit einem Stich im Herzen erkannte Khadgar, dass sein Zauber fehlgeschlagen war. Medivh hatte nach der Schriftrolle gefragt, bevor er ging – das letzte Mal, dass Khadgar ihn gesehen hatte. War der Zauber daneben gegangen und hatte eine Vision Medivhs aus dessen eigener Vergangenheit verfehlt, weil der Magus vor kurzem nach dieser Legende gesucht hatte?
Aegwynn runzelte die Stirn, während sie hinab zu der dämonischen Jagdgesellschaft blickte, und die einzelne Furche, die ihre Augenbrauen trennte, verriet ihr Missfallen. Ihre Jade-Augen blitzten, und Khadgar ahnte, welch ein Sturm der Macht sich hinter ihnen zusammenbraute.
Es dauerte nicht lange, bis diese Wut sich einen Weg bahnte. Aegwynn erhob einen Arm, sang einen kurzen, abgehackten Satz, und Blitze tanzten auf ihren Fingerspitzen.
Es waren nicht die einfachen Blitze eines Zauberers, nicht einmal die schwersten Schläge eines sommerlichen Gewitters. Dies war die Inkarnation einer elementaren Kraft, die sich durch die kalte Luft bog und ihr Ziel unter den überraschten Dämonen fand. Die Luft wurde in ihre Elemente aufgespalten, als der Blitz durch sie hindurch fuhr, und sie roch scharf und bitter, wo er vorüber gezogen war. Obwohl Khadgar wusste, dass er hier nur ein Phantom war, obwohl er wusste, dass dies eine Vision war – trotz all dieser Umstände und der Tatsache, dass der Lärm durch seinen geisterhaften Zustand gedämpft wurde, verzog Khadgar das Gesicht und zuckte zurück vor dem Blitz und dem metallischen Grollen des mystischen Donners.
Der Blitz traf den Standartenträger, der den abgeschlagenen Kopf des grünen Drachen trug. Er verbrannte den Dämon, und jene, die um ihn herum marschierten, wurden von den Beinen gerissen. Sie fielen wie glühende Kohlestücke in den Schnee. Manche von ihnen standen nicht wieder auf.
Aber die Mehrheit der Jagdgesellschaft befand sich außerhalb des Bannkreises von Aegwynns Zauber, ob nun durch Zufall oder mit Absicht. Die Dämonen, jeder von ihnen größer als zehn Männer, wichen entsetzt zurück, aber ihre Verwirrung dauerte nur einen Moment. Der Größte von ihnen brüllte etwas in einer Sprache, die wie das Geläut gebrochener Glocken klang, und die Hälfte der Dämonen flog auf. Sie breiteten ihre ledrigen Schwingen aus und stießen auf Aegwynn (und Khadgar) zu. Die anderen zogen eiserne Pfeile und schwere Bögen aus schwarzer Eiche hervor. Als sie ihre Pfeile abschossen, entzündeten sich diese, und ein Regen aus Feuer erhob sich über den Dämonen und raste auf die blonde Frau zu.
Aegwynn blieb ganz ruhig und hob in einer eleganten Bewegung eine Hand. Die Luft zwischen ihr und dem Feuerregen explodierte in einer Wand bläulicher Flammen, die die orange-roten Pfeile verschlang, als seien sie einfach in einen Fluss gefallen.
Doch die Pfeile hatten nur Deckung für die eigentlichen Angreifer sein sollen, die durch die blaue Feuerwand brachen, als diese sich auflöste, und die sich nun von oben auf Aegwynn stürzten. Es mussten mindestens zwanzig sein, jeder von ihnen ein Gigant, und sie verdunkelten den Himmel mit ihren riesigen Schwingen.
Khadgar blickte auf Aegwynn und sah, dass sie lächelte. Es war ein wissendes, selbstbewusstes Lächeln, ein Lächeln, das der junge Magier auch auf Medivhs Gesicht gesehen hatte, als dieser gegen die Orks kämpfte. Sie war mehr als zuversichtlich.
Khadgar blickte hinab ins Tal, wo die Bogenschützen waren. Sie hatten ihre nutzlosen Waffen aufgegeben und sich zu einem Kreis versammelt. Nun sangen sie in einem tiefen, brummenden Ton. Die Luft verzerrte sich um sie, und ein Loch erschien in der Realität, eine dunkle Bösartigkeit vor dem unberührten Weiß. Und aus dem Loch quollen weitere Dämonen – Kreaturen in allen nur erdenklichen Gestalten, mit den Köpfen von Tieren, mit flammenden Augen, mit den Schwingen von Fledermäusen und Insekten und großen Raubvögeln. Diese Dämonen schlossen sich dem Chor in seinem schrecklichen Gesang an, und der Riss öffnete sich weiter. Er saugte mehr und mehr von der Brut des Twisting Nether in die kalte Luft des Nordens.
Aegwynn beachtete die Sänger und die Verstärkung nicht, sondern konzentrierte sich ganz gelassen auf jene, die sich von oben auf sie herabstürzten.
Sie schwang eine Hand durch die Luft. Alle fliegenden Gestalten wurden vom Himmel geschmettert. Die Hälfte von ihnen verwandelte sich in Glas und zersplitterte beim Aufprall mit einem hässlichen Misston. Jene, die noch lebten, landeten mit einem schweren, dumpfen Geräusch und erhoben sich wieder, blutgetränkte Waffen in den Händen. Es waren noch zehn übrig.
Aegwynn legte ihre linke Faust auf ihre erhobene rechte Handfläche, und vier der Überlebenden schmolzen. Das rote Fleisch floss von ihren Knochen, während sie in die Schneewehen fielen. Sie schrien entsetzlich, bis sich ihre verfallenden Kehlen mit ihrem eigenen flüssig gewordenen Fleisch füllten. Es waren noch sechs übrig.
Aegwynn griff nach der Luft, und drei weitere Dämonen explodierten, als ihre Innereien sich in Insekten verwandelten und sie zerrissen. Sie hatten nicht einmal mehr Zeit zu schreien, als ihre Leiber durch Schwärme von Stechmücken, Bienen und Wespen ersetzt wurden, die dem kleinen Wald entgegen strebten. Es waren noch drei übrig.
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