Вольфганг Хольбайн - Die beste Frau der Space Force

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– und begann sich in rasender Schnelligkeit in den Boden hineinzugraben! Die Laserstrahlen folgten ihm wie ein Gespinst aus tцdlichem Licht, aber dann ge­schah das, was Charity befьrchtet hatte – einer nach dem anderen erloschen die dьnnen Lichtfдden, als die Waffen einfach leergeschossen waren. Nach kaum

einer Minute war der monstrцse Wurm verschwunden. Wo er gelegen hatte, gдhnte ein fьnf Meter durchmessendes, kreisrundes Loch im Boden. »Das reicht«, sagte Becker. Sehr viel lauter und zu einem Mann irgendwo in dem Durcheinander unter ihnen gewandt fьgte er hinzu: »Rob – sagen Sie diesen Idioten, dass sie aufhцren sollen zu schieЯen! Rьckzug!« »Was haben Sie vor?« fragte Charity erschrocken. Becker schьrzte fast trotzig die Lippen. »Was glauben Sie, Captain Laird?« frag­te er. »Ich tue das, was ich schon vor zwei Tagen hдtte tun sollen. Ich sprenge. Vielleicht geben sfe ai|| wenn sie denken, dass hier unten alles zerstцrt ist.« ! »Aber Sie…« Becker schnitt ihr mit einer barschen Bewegung das Wort ab. »Sie kennen Ihre Befehle, Captain«, sagte er. »Gehen Sie!« »Gehen?« Charity schrie fast. »Sie mьssen verrьckt sein, Becker! Es dauert Stunden, das Schiff startklar zu machen. Die CONQUEROR…« »Ist seit einer Woche startklar«, unterbrach sie Becker unwillig. »Verdammt, halten Sie mich fьr einen Idioten, Laird? Holen Sie Ihre Ausrьstung und warten Sie in der Schleuse auf uns. Das ist ein Befehl.« Eine einzige, endlose Sekunde lang starrte Charity ihn nur an, dann drehte sie sich wortlos um und verlieЯ die Zentrale.
6. Dezember 1998
Es wurde wieder hell, als sie das dritte Mal zwischenlanden mussten, und dies­mal hatten sie weniger Glьck. Der Flug durch die Nacht war ein Alptraum ge­wesen. Unter ihnen waren keine Lichter gewesen. Hier und da hatten sie ein Feuer gesehen, aber sie hatten sich gehьtet, ihm nahe zukommen. Zumindest eines war kein Problem gewesen: Treibstoff. Mike war einfach nur dem Highway nach Westen gefolgt, und seine Rechnung war aufgegangen. Un­ter den Tausenden von Wagen, die auf dem grauen Betonband liegengeblieben waren, hatten sie zweimal Tanklaster voller Benzin entdeckt, so dass das Nach­tanken weder gefдhrlich noch zeitraubend geworden war. Mike hatte den Heli­kopter einfach auf der StraЯe aufgesetzt und mit laufendem Motor aufgetankt, wдhrend Charity mit entsicherter Waffe Wache hielt. Sie hatten Stanleys War­nung nicht vergessen. Und sie hatten wдhrend der ganzen Nacht keinen einzigen AuЯerirdischen gesehen. Sie entdeckten auch jetzt keinen, aber auch keinen Tankwagen. Es war hell ge­worden, und vor fьnf Minuten hatte Mike fluchend auf den Reservetank umge­schaltet, nachdem der Motor zu spucken begonnen hatte. Seitdem glitten sie in zwanzig Metern Hцhe ьber den Highway hinweg. »Wie lange noch?« fragte Charity. Mike zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Vielleicht fьnf Minuten. Aber ich will nichts riskieren. Schlimmstenfalls landen wir neben irgendeinem Wagen und zapfen den Tank an.« Sein Tonfall machte deutlich, dass ihm die Idee nicht gefiel. Sie waren beide mьde. Sie hatten vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen. Und sie flogen ьber ein Land, das sich im Krieg befand, auch wenn sie davon bisher noch nichts ge­merkt hatten. Es kam Charity fast absurd vor, dass sie den Gegner, der eine gan­ze Welt in die Knie gezwungen hatte, bisher kein einziges Mal zu Gesicht be­kommen haben sollten. »Schau, da vorne.« Mike deutete auf einen kleinen, rechteckigen Umriss, der am Ende des monotonen Betonbandes aufgetaucht war und allmдhlich heranwuchs. Plцtzlich atmete er erleichtert auf. »Das Glьck ist mit den Dummen«, verkьnde­te er. »Ein Drive-In. Komplett mit Tankstelle und Motel.« Er grinste. »Ich spen­diere dir einen kalten Hamburger, sobald wir getankt haben, einverstanden?« Charity rang sich mьhsam dazu durch, sein Lдcheln wenigstens andeutungswei­se zu erwidern, nahm den Feldstecher von den Knien und blickte aufmerksam zu der kleinen Ansammlung schдbiger Gebдude hinьber. Alles wirkte vollkommen normal: Vor dem Restaurant stand ein halbes Dutzend Autos, und ein Stьck ne­ben der Tankstelle lag ein riesiger, hellgrьn gestrichener Tankwagen. »Bingo«, sagte sie. »Da steht ein Tanker. Die nдchsten dreihundert Meilen sind uns sicher.« Und damit hдtten sie dann die Hдlfte geschafft. Viel mehr, als sie zu hoffen gewagt hatten… Mike nahm vorsichtig Gas weg, flog eine Schleife und nдherte sich dem Motel von der der StraЯe abgewandten Seite, wдhrend Charitys Blick aufmerksam ьber die umliegende Landschaft glitt. Sie hatten abermals Glьck – es gab im Umkreis von mehreren Meilen nichts als flache Steppe, auf der kaum ein Strauch wuchs. Keine Gefahr, von einem Angreifer aus dem Hinterhalt ьberrascht zu werden. »Okay«, sagte Mike. »Wir machen es wie beim letzten Mal – ich tanke, du stehst Schmiere.« Er grinste. »Pfeif dreimal, wenn die Bullen kommen.« Sie landeten fьnf Meter neben dem Tanker. Mike lieЯ den Gashebel ganz vor­sichtig los und wartete mit angehaltenem Atem darauf, dass der Motor ausging, aber das tapfere Maschinchen lief munter weiter. Charity fragte sich, wie lange der fьnfundzwanzig Jahre alte Motorblock die Dauerbelastung noch aushaken wьrde, bevor er ihnen schlichtweg um die Ohren flog. Sie stieЯ die Tьr auf, sprang mit einem federnden Satz aus dem Hubschrauber und hob sofort ihr Gewehr. Auf der anderen Seite kletterte Mike umstдndlich aus der Maschine heraus, reckte sich ausgiebig und strich sich mьde ьber Ge­sicht und Augen, ehe er sich daran machte, den Hubschrauber zu umkreisen und auf den Tankwagen zuzugehen. Er erreichte ihn nie. Wahrscheinlich war es ihre Mьdigkeit, die sie hatte leichtsinnig werden lassen. Es ging alles so schnell, dass Charity nicht einmal dazu kam, einen warnenden Ruf auszustoЯen. Die Tьr des Motels flog mit einem scheppernden Laut auf, und ein halbes Dutzend Bewaffneter stьrmte ins Freie; im selben Moment tauchte ein Gewehrlauf im Fenster des Lastwagens auf. Charity erstarrte mitten in der Bewegung. »Gut so«, sagte eine Stimme. Sie kam irgendwo aus dem Dunkel hinter dem Gewehr, und sie klang sehr entschlossen, aber auch voller Angst. »Mach jetzt lieber keine falsche Bewegung, Kleine. Leg dein Gewehr weg, aber hьbsch langsam.« Charity gehorchte. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie auch Mike behutsam die Arme hob und zu einer Stelle am hinteren Ende des zwцlf Meter langen Trucks blickte. Hinter den Zwillingsreifen des Lasters war eine geduckte Gestalt aufge­taucht. Auch sie hielt ein Gewehr. »Hцren Sie«, sagte sie vorsichtig. »Wir sind nicht Ihre Feinde.« Sie bekam keine Antwort und hob vorsichtshalber die Arme noch ein wenig hц­her. Zwei Sekunden spдter verschwand der Gewehrlauf aus dem Fenster der Fahrerkabine, und die Tьr wurde aufgestoЯen. Ein vielleicht zwanzigjдhriger blonder Junge in einem zerschlissenen Overall sprang aus dem Wagen. Das Ge­wehr in seinen Hдnden war eine uralte Remington, die wahrscheinlich nicht einmal auf zwanzig Meter genau schoss. Aber das nutzte ihr verdammt wenig – der Junge war kaum drei Meter von ihr entfernt, und er sah ganz so aus, als wдre er zu allem entschlossen. AuЯerdem war er halb wahnsinnig vor Angst. »Wir sind auf eurer Seite«, sagte sie noch einmal. »Wirklich.« Der Junge antwortete nicht, aber in die Angst in seinem Blick mischte sich et­was wie vorsichtige Erleichterung. Trotzdem blieb er misstrauisch. Er wollte ihr gerne glauben, das spьrte sie, aber er konnte es nicht. Sie versuchte die Hдnde herunterzunehmen und provozierte damit eine rasche, drohende Bewegung des Gewehres. »Tun Sie lieber nichts, wozu Sie keine Zeit mehr hдtten, es zu bereuen«, sagte der Junge. Charity unterdrьckte ein Seufzen. In welchem Film hatte er diesen Satz aufge­schnappt? dachte sie. Aber sie gehorchte trotzdem. Aus dem Motel nдherte sich ihnen jetzt eine Gruppe von fьnf oder sechs Mдn­nern. Zwei von ihnen gingen auf den Helikopter zu, wдhrend die anderen hinter dem Jungen stehen blieben. Zwei weitere Gewehre und der Lauf einer kleinen Damenpistole richteten sich auf Charity. »Hцren Sie«, sagte sie, »wir sind amerikanische Soldaten, keine Marsmenschen. Ihre Vorsicht in allen Ehren, aber ich bin mьde und mir tut jeder einzelne Kno­chen im Leib weh. Kann ich jetzt vielleicht endlich die Hдnde herunterneh­men?« Sie hatte ziemlich scharf gesprochen, und der rьde Ton erzielte die Wirkung, die sie sich erhofft hatte. Der Junge wirkte plцtzlich nicht mehr halb so sicher; schlieЯlich nickte er. »Sagt Stan Bescheid«, sagte er, an einen der anderen Mдnner gewandt. »Wir ha­ben sie. Ich glaube nicht, dass es Russen sind.« Russen? Charity riss die Augen auf und starrte den Jungen an. Was zum Teufel… Ihre Ьberraschung entging dem Jungen keineswegs, und natьrlich deutete er es vцllig falsch. Das misstrauische Funkeln in seinen Augen wurde wieder stдrker. »Oder?« fragte er. »Natьrlich nicht«, antwortete Charity hastig. »Verdammt, schauen Sie sich mei­ne Uniform an – sehe ich aus wie ein russischer Soldat?« Der Junge kam tatsдchlich einen Schritt nдher und blickte misstrauisch auf das kleine Sternenemblem ьber ihrer Brust. »US Space Force?« Er starrte sie an, drehte den Kopf und blickte zum Helikopter hinьber. Plцtzlich grinste er. »Ko­mische Raumschiffe habt ihr neuerdings.« Seine Bemerkung brach den Bann. Charity konnte regelrecht sehen, wie die Spannung aus den Gesichtern der anderen wich, und auch der Junge atmete hцr­bar auf. Trotzdem zцgerte sie noch einen Moment, die Hдnde herunterzuneh­men. Diese Mдnner waren mehr als nur nervцs. Eine einzige falsche Bewegung, und ihre Reise fдnde ein vorzeitiges Ende. Sie setzten sich in Bewegung und gingen zum Motel hinьber. Der Motor des Helikopters erstarb mit einem seufzenden Gerдusch, als sie die halbe Strecke geschafft hatten, aber Charity sah sich nicht einmal um. Irgendwie wьrden sie das Ding schon wieder in Gang kriegen, dachte sie. Und wenn nicht… nun, sie waren ohnehin schon sehr viel weiter gekommen, als sie erwartet hatte. Im Mo­ment interessierte sie sich sehr viel mehr fьr ein Bett. Mike und sie brauchten dringend Schlaf. Im Inneren des Motels hielten sich etwa zehn Menschen auf – ein paar Angestellte, ein дltliches Ehepaar, dem man seine Angst selbst auf zwanzig Meter Entfernung ansah, ein Mann in kariertem Hemd, den sie ganz instinktiv als den Fahrer des Tanklasters einschдtzte, und ein junges Pдrchen in Lederklei­dung. Sie erinnerte sich flьchtig, eine Harley drauЯen auf dem Parkplatz gesehen zu haben. Strandgut, dachte sie, das der nie erklдrte Krieg in diesem Motel zusammengetrieben hatte. Ein ьbergewichtiger Mann in einem schlecht sitzenden Anzug kam auf sie und Mike zu, als sie das Lokal betraten. Mit Ausnahme des дlteren Ehepaares war er der einzige, der keine Waffe trug, und doch wusste sie, dass sie dem Fьhrer die­ser kleinen Gemeinschaft gegenьberstand. »Sie sind Stan?« fragte sie. Er nickte. Sein Blick war vollkommen ausdruckslos, wдhrend er Mike und sie musterte. »Und Sie Captain Laird, wenn ich mich nicht irre.« »Jedenfalls heiЯe ich nicht Lairdowska«, antwortete Charity sдuerlich. »Wie zum Teufel kommen Sie auf die Schnapsidee, dass wir Russen sein kцnnten?« Stan zuckte unbeeindruckt die Achseln. »Gibt nur zwei Mцglichkeiten, oder? Die Ameisen oder die Roten. Wie Ameisen sehen Sie nicht aus, Captain.« Ameisen? dachte sie verwirrt. Dann begriff sie. Keiner von diesen Menschen wusste, was wirklich passiert war – wahrscheinlich waren sie vor fьnf Tagen hier einfach durch Zufall zusammengekommen, und alles, was sie gesehen hatten, war der groЯe Blitz. Seither saЯen sie hier fest. Sie verzichtete auf eine Antwort auf Stans Bemerkung, steuerte einen der Tische an und lieЯ sich seufzend daran nieder. Plцtzlich war sie nur noch mьde. Und sie hatte entsetzliche Angst vor den Fragen, die sie stellen wьrden. »Sie sehen aus, als kцnnten sie eine kleine Stдrkung vertragen«, sagte Stan, nachdem sich auch Mike zu ihnen gesetzt hatte. »Polly – mach unseren Gдsten etwas zu Essen. Und einen starken Kaffee.« Er lдchelte, als er Charitys dankba­ren Blick bemerkte, zog sich einen Stuhl heran und lieЯ sich rittlings darauf nie­der. Nach und nach kamen auch die anderen heran, bis Mike, Charity und er von einem guten Dutzend Mдnnern und Frauen umringt waren. »Was ist passiert?« fragte Stan schlieЯlich. Charity sah widerstrebend auf, und er musste spьren, dass sie ihm nicht antworten wollte, denn er fьgte mit einer entschuldigenden Geste hinzu: »Wir sind seit einer Woche von allem abge­schnitten, wissen Sie? Hier funktioniert fast nichts mehr. Hat es … Krieg gege­ben?« v Charity schьttelte den Kopf, nickte und schьttelte gleich darauf wieder den Kopf. Mike warf ihr einen warnenden Blick zu, aber sie ignorierte ihn. Sie konnte diese Leute einfach nicht belьgen, obwohl sie das sichere Gefьhl hatte, einen schlimmen Fehler zu begehen, wenn sie antwortete. »Nicht mit den Russen, wenn Sie das meinen«, sagte sie. »Ich fьrchte, drьben sieht es auch nicht anders aus als hier.« »Es waren die Ameisen?« Eine sonderbare Bezeichnung fьr die AuЯerirdischen, dachte Charity. Sie nickte. »Sie haben sie gesehen?« »Ein paar«, antwortete der junge Mann in der Motorradkleidung. »Vor zwei Ta­gen. Haben sich drьben in den Hьgeln rumgetrieben. Aber sie sind nicht herge­kommen.« Wдren sie es, dachte Charity, dann wдrst du kaum noch am Leben, mein Freund. Dann sah sie wieder Stan an und versuchte zu lдcheln. »Sie sind nicht die einzi­gen, die abgeschnitten sind«, sagte sie vorsichtig. Stans Gesicht verdьsterte sich. »Der groЯe Knall, nicht?« sagte er. »Sie haben dieses ganze verdammte Land lahmgelegt.« »So ungefдhr«, gestand Charity. »Sie kцnnen nicht hier bleiben«, sagte Mike. »Es kann Monate dauern, bis Hilfe kommt. Und die AuЯerirdischen…« »Die sollen nur kommen«, unterbrach ihn der Junge, der Charity ьberrascht hat­te. »Wir haben Lebensmittel fьr ein halbes Jahr. Und genug Munition, um sie auf den Mars zurьckzuschicken.« Stan schwieg dazu. Seinem Gesicht war nicht die mindeste Regung anzusehen. Aber Charity spьrte genau, was in ihm vorging. AuЯer ihr und Mike war er viel­leicht der einzige, der wusste, was wirklich auf sie zukam. »Ihr Hubschrauber«, sagte Stan plцtzlich. »Wieso fliegt er? Hier funktioniert nichts mehr.« »Ein paar Techniker in New York haben ihn hingekriegt«, antwortete Charity ausweichend. »Ich habe allerdings keine Ahnung, wie lange er durchhдlt.« »Aber wenn er funktioniert, dann mьssen doch auch andere Maschinen wieder arbeiten«, sagte der Motorradfahrer. »Ich meine – unsere Jungs werden doch kommen und diese verdammten Aliens zurьckjagen, oder?« Charity wollte antworten, aber Stan war schneller. Mit einer befehlenden Geste wandte er sich an den anderen. »Halten Sie den Mund, Patrick. Sie sehen doch, dass die beiden vцllig fertig sind. Ich schlage vor, wir lassen Sie jetzt erst einmal in Ruhe. Sie werden essen und sich dann grьndlich ausschlafen, Captain. Sie sehen aus, als kцnnten Sie beides gebrauchen.«
Sie hatten weder fьr das eine noch fьr das andere Zeit, aber Charity widersprach nicht. Ihre Chance, SS Nulleins lebend zu erreichen, war nicht besonders groЯ, wenn Mike oder sie am Steuerknьppel des Helikopters einschliefen. Dankbar nickte sie Stan zu. Er lдchelte. »Machen Sie sich keine Sorgen um ihren Hubschrauber«, sagte er. »Wir tanken ihn auf, und Patrick kann sich die Maschine ansehen. Er versteht eine Menge von Motoren. Morgen frьh kцnnen Sie weiterfliegen.« Charity zцgerte noch immer, obwohl sie im Grunde recht gut wusste, dass sie gar keine andere Wahl hatte, als Stans Angebot anzunehmen. Sie war nicht ein­mal sicher, ob er sie ьberhaupt gehen lassen wьrde, wenn sie darauf bestanden. Sie kannte ihn und die anderen ja erst seit wenigen Minuten. Was, wenn Stanley mit seiner Warnung recht gehabt hatte? Was, wenn…
Wenn ich allmдhlich anfange, hinter jeder freundlichen Geste eine Falle zu wit­tern? dachte sie. Ihre Menschenkenntnis sagte ihr, dass sie diesen Leuten hier vertrauen sollte. Mike nahm ihr die Entscheidung ab, indem er nickte. »Wir nehmen Ihr Angebot an, Stan«, sagte er. »Falls wir Ihnen nicht zur Last fallen.« »Bestimmt nicht«, sagte Stan. »Im Gegenteil, Lieutenant. Wir haben auf jeman­den wie Sie gewartet. Aber ganz so billig«, fьgte er nach einer winzigen Pause hinzu, »kommen Sie uns nicht davon. Sie mьssen uns alles erzдhlen, wenn Sie gegessen haben – einverstanden?« »Ein Steak gegen Informationen?« Mike zuckte die Achseln. »Warum nicht?« Und wahrscheinlich, fьgte Charity in Gedanken hinzu, war das ohnehin die Wдhrung, in der in Zukunft in diesem Land bezahlt werden wьrde. Falls es ьberhaupt noch eine Zukunft gab. Sie musste vier oder fьnf Stunden geschlafen haben. Dem Stand der Sonne nach zu urteilen, war es kurz vor Mittag, als sie die Augen aufschlug, und es dauerte einen Moment, bis sie spьrte, dass sie nicht mehr allein im Zimmer war. Dann fuhr sie mit einem Ruck hoch und griff nach der Pistole, die unter ihrem Kopf­kissen lag. Stan hob erschrocken die Hдnde. »Nicht!« sagte er hastig. »Ich bin es nur.« Charity blickte ihn einen Moment lang verwirrt an, dann senkte sie die Waffe. »Haben Sie noch nie gehцrt, dass man anklopft, wenn man das Schlafzimmer einer Dame betritt, Stan?« fragte sie mьde. »Vor allem, wenn sie eine Waffe unter dem Kopfkissen hat«, fьgte Stan hinzu. »Ich weiЯ. Nehmen Sie sie ruhig herunter, Miss Laird. Ich will nur mit Ihnen reden. Ohne die anderen«, fьgte er hinzu. Er machte einen Schritt auf sie zu und blieb abermals stehen. »Legen Sie das Ding zur Seite«, bat er noch einmal. »Ich will wirklich nur re­den.« Mit einem verlegenen Lдcheln legte sie die Waffe auf das Bett, stand auf und taumelte schlaftrunken zum Waschbecken. Der Wasserhahn drehte sich quiet­schend, aber es kam kein Tropfen heraus. Nein, dachte sie дrgerlich – sie war wirklich noch nicht ganz wach. Stan lдchelte, kam mit zwei raschen Schritten zu ihr herьber und goss frisches Wasser aus einem groЯen Porzellankrug in das Becken. Charity seufzte. Ob sie sich irgendwann einmal daran gewцhnen wьrde, dass sie um gut zweihundert Jahre zurьckgeworfen worden waren? Kaum. Sie wusch sich flьchtig, fьhlte sich aber hinterher kein bisschen wacher. »Also?« sagte sie. Sie sah Stan nicht an, sondern ging zum Fenster und blickte hinaus. Alles sah so friedlich aus. Sie schauderte. »Sie haben uns nicht die Wahrheit gesagt, heute morgen, nicht wahr?« begann Stan. Charity betrachtete ihr eigenes Spiegelbild in der verschmutzten Scheibe. »Wol­len Sie sie denn hцren?« »Ich glaube schon«, sagte Stan. Er klang fast ein bisschen verдrgert. »Wie schlimm ist es wirklich?« »Schlimmer«, sagte Charity hart. »Sie haben New York vernichtet, wenn Sie es ganz genau wissen wollen. Und wahrscheinlich jede andere GroЯstadt in diesem ganzen Land.« Stan wurde ein bisschen blass, nahm die Nachricht aber ansonsten fast aus­druckslos hin. »Die Hilfe, auf die Sie warten, wird nicht kommen, Stan«, fuhr sie fort, ein we­nig sanfter, weil ihr ihre eigenen Worte schon wieder leid taten. »Es gibt keine Hilfe mehr. Die Army ist paralysiert, und ich fьrchte, die Ameisen werden kaum warten, bis sie sich wieder erholt hat.« Sie schьttelte traurig den Kopf und wьnschte sich, sich nicht vor zwei Jahren das Rauchen abgewцhnt zu haben. Vielleicht sollte sie Stan um eine Zigarette bitten. Dann fuhr sie fort: »Ich wьrde Ihnen gerne den Rat geben, von hier zu verschwinden, Stan, aber ich kann es nicht. Ich wьsste nicht, wohin ich Sie schicken sollte, wissen Sie? Ich glaube, Sie haben es hier ganz gut getroffen. Wenigstens leben Sie noch.« »Keine Hilfe?« murmelte Stan, als hдtte er alles, was sie danach gesagt hatte, gar nicht gehцrt. Charity ьberlegte, ob sie sich vielleicht in ihm getдuscht hatte. Vielleicht war er nicht so stark, wie sie und Mike angenommen hatten, sondern spielte nur den Fьhrer. Sie schьttelte den Kopf. »Wenn Sie auf die Air Force warten, Stan«, sagte sie sanft, »muss ich Sie enttдuschen. Das fьnfundzwanzig Jahre alte Wrack dort drauЯen ist die Air Force.« »Aber warum?« murmelte Stan. »Es ist bisher nichts passiert.« »Hier«, sagte Charity – obwohl sie zugeben musste, dass Stan nicht vцllig un­recht hatte. Sie hatten keine AuЯerirdischen gesehen, seit sie New York verlas­sen hatten, und das, obwohl sie jetzt beinahe tausend Meilen weit geflogen wa­ren. Aber die Karte in Stanleys Bьro behauptete das Gegenteil. »Vermutlich konzentrieren sie sich im Moment darauf, den Widerstand zu zer­schlagen«, sagte sie. »Ich denke, dass Sie hier noch eine Weile Ruhe haben wer­den, Stan. Die meisten unserer Waffen funktionieren nicht mehr, aber das heiЯt nicht, dass wir wehrlos sind. Es dauert eine Weile, eine ganze Welt zu erobern.« Sie lachte bitter. »Keine Hilfe?« murmelte Stan noch einmal. Er wirkte erschьttert, so sehr, wie sie es noch nie zuvor bei einem Menschen gesehen hatte. Und plцtzlich begriff sie. Das Dutzend Menschen, das das Schicksal hier zusammengefьhrt hatte, hat­te ihn zu ihrem Fьhrer gewдhlt, aber er hatte ihnen wahrscheinlich nur Mut ge­ben kцnnen, weil sie alle glaubten, dass irgendwann Hilfe kommen wьrde. Wenn sie die Wahrheit erfuhren, wьrde ihre Gemeinschaft so schnell zerbre­chen, wie sie entstanden war. »Sie sollten versuchen, sich in die Berge durchzuschlagen«, sagte sie. »Das ist der einzige Rat, den ich Ihnen geben kann, Stan. Es ist ein verdammt langer Weg, zu FuЯ, aber…« »Wir werden fahren«, sagte Stan. Charity sah ihn ьberrascht an. »Patrick hat sich ihren Hubschrauber angesehen«, erklдrte Stan. »Keine Sorge, er hat nichts angerьhrt. Aber er sagt, es wдre eigentlich ganz leicht, wenn man nur einmal wьsste, wie man es macht. Wir werden ein paar der Wagen flott ma­chen und so viel Benzin mitnehmen, wie wir kцnnen. Ich… ich weiЯ nur noch nicht genau, wie ich es ihnen beibringen soll.« »Soll ich es tun?« fragte Charity. Stan schьttelte traurig den Kopf. »Das ist meine Aufgabe«, sagte er. »Aber ich … werde warten, bis Sie wieder abgeflogen sind.« Er seufzte, lieЯ sich auf einen Stuhl sinken und verbarg das Gesicht in den Hдnden. Er tat Charity sehr, sehr leid. Aber sie sagte nichts mehr, sondern wartete, bis er nach einer Weile wieder auf­stand und sie allein lieЯ, ehe sie sich umzog und ihr Gepдck wieder zusammen­packte. Sie aЯen noch einmal zusammen, ehe sie abflogen. Charity war sicher, dass Stan niemandem etwas von ihrem Gesprдch verraten hatte, aber die anderen schienen zu spьren, dass irgend etwas nicht stimmte. Sie redeten sehr wenig, und so ab­surd es war – Charity hatte das sichere Gefьhl, dass nicht nur Stan erleichtert war, als sie schlieЯlich aufstanden und erklдrten, es wдre Zeit aufzubrechen. Diesmal saЯ Charity hinter dem Steuerknьppel. Sie winkte Stan und den anderen zum Abschied zu, zog den Helikopter vorsichtig hцher und flog noch eine Schleife um das Drive-In. Mike runzelte vielsagend die Stirn, aber er war klug genug, nichts zu sagen. Aber sie brachte die Maschine auch anschlieЯend nicht wieder auf Kurs, sondern flog auf die Berge zu. Mike sah sie verwirrt an. »Was soll das?« fragte er barsch. Charity deutete mit einer Kopfbewegung auf die Hьgelkette vier oder fьnf Mei­len vor ihnen. »Der Junge hat gesagt, er hдtte die Fremden dort beobachtet«, antwortete sie. »Ich will mir das ansehen.« »Und wozu?« Mike gab sich nicht einmal mehr Mьhe, seine Verдrgerung zu verbergen. »Vielleicht, weil ich gerne weiЯ, was hinter mir ist«, antwortete Charity. Aber das war nicht der wahre Grund – die Wahrheit war, dass sie sich auf eine vцllig widersinnige Art fьr das Schicksal der Menschen am Drive-In verantwortlich fьhlte. Und das mindeste, was sie fьr sie tun konnten, war, sich davon zu ьber­zeugen, dass sie in Sicherheit waren. Sie waren es nicht. Eine grдssliche Szenerie breitete sich unter ihnen aus. Wo vor Tagen noch nichts als unberьhrte Steppe und Sand und ein paar Bьsche gewesen waren, lag jetzt eine ungeheuerliche Masse chitinglitzernder gepanzerter Kцrper, zwischen de­nen sich eine seltsame schwarze Pyramide erhob. Charity konnte das Gefьhl nicht besser in Worte fassen – es war schlicht und einfach unangenehm, das schwarze Bauwerk anzusehen. Etwas in ihr krampfte sich zusammen, wenn sie es versuchte. Zitternd setzte sie den Feldstecher ab, reichte ihn an Mike weiter und kroch wie­der ein Stьck den Hьgel hinab, hinter dem sie den Hubschrauber gelandet hat­ten. Ein flaues Gefьhl breitete sich in ihrem Magen aus, als sie daran dachte, was ihnen wahrscheinlich passiert wдre, hдtte sie den Hьgel ьberflogen, um sich das dahinterliegende Tal aus der Luft heraus anzusehen, wie sie es ursprьnglich vorgehabt hatte. Mike kam zurьck. Er war sehr blass, und seine Hдnde zitterten, als er ihr den Feldstecher zurьckgab. Er sagte kein Wort, aber Charity spьrte, dass er darauf wartete, dass sie aufstehen und zum Hubschrauber zurьckgehen wьrde. Statt dessen klappte sie das Fernglas mit einer raschen Bewegung auf, kramte einen Film aus der Brusttasche ihrer Uniform und legte ihn ein. »Was zum Teufel hast du vor?« fauchte Mike. »Das siehst du doch«, antwortete Charity, kaum weniger gereizt als er. »Ich ma­che ein paar Aufnahmen. Ich will wissen, was sie dort unten treiben.« Sie gab Mike keine Gelegenheit, zu widersprechen, sondern robbte den sandigen Hang wieder hinauf, schob sich vorsichtig auf den Hьgelkamm und setzte den Feldstecher abermals an. Der Mikrocomputer in seinem Inneren funktionierte nicht mehr, und sie verstand absolut nichts vom Fotografieren, aber sie hoffte, dass Beckers Spezialisten wenigstens einigermaЯen schlau aus den Aufnahmen werden wьrden, die sie machte. Mike tauchte wieder neben ihr auf. Sie rechnete mit neuen Vorwьrfen, aber er schwieg, wдhrend sie den Feldstecher langsam von links nach rechts schwenkte und alle paar Sekunden auf den Auslцser drьckte. »Das ist unglaublich«, murmelte Mike. »Es… ergibt keinen Sinn. GroЯer Gott – Sternenschiffe und Materietransmitter und dann das da!« Charity antwortete nicht, aber sie verstand ihn. Was sich unter ihnen ausbreitete, das war… einfach absurd. Ihre genaue Zahl war schwer zu schдtzen, aber Charity vermutete, dass es Tau­sende dieser bizarren Kreaturen sein mussten, die sich in dem flachen Hьgeltal sammelten. Durch das Fernglas hatte sie beobachtet, dass sie aus dem pyrami­denfцrmigen Gebдude im Zentrum des Lagers kamen; ein dьnner, aber unauf­hцrlicher Strom aller nur denkbaren Horrorkreaturen, von denen einige nur mit Mьhe aus dem halbrunden Eingang der Pyramide herauskriechen konnten. Es waren nicht nur die riesigen Kдferwesen, die das Tal bevцlkerten, oder ihre vierarmigen Reiter, sondern ein ganzes Sammelsurium der absonderlichsten Kreaturen, die nur eines gemeinsam hatten – sie alle wirkten auf die eine oder andere Art gefдhrlich. Und mit Ausnahme der Vierarmigen, die die Sturmtrup­pen der Fremden zu sein schienen, waren es ausnahmlos Tiere. »Vielleicht doch«, sagte sie plцtzlich. Sie senkte den Feldstecher, fuhr sich mь­de mit dem Handrьcken ьber die Augen und deutete mit einer Kopfbewegung ins Tal hinab. »Es ergibt Sinn, wenn man…« Sie suchte nach den passenden Worten, fand sie nicht und zuckte die Achseln. »Wenn man anders denkt als wir«, sagte sie schlieЯlich. »Und wie?« Mikes Tonfall machte deutlich, dass auch er sich Gedanken ьber diese Frage gemacht hatte. Und vielleicht war er zu dem gleichen, schrecklichen Ergebnis gekommen wie sie. »Ich vermute, das da sind nur die Sturmtruppen«, sagte Charity. »Die groЯe Dampfwalze, die sie vorausschicken, weiЯt du?« »Es sind Tiere«, sagte Mike betont. »Und?« fragte Charity. »Wir schicken Raketen oder Roboter und sie Tiere – wo ist der Unterschied? Vielleicht haben sie sie zu keinem anderen Zweck gezьch­tet.« »Aber…« »Verdammt noch mal, wьrde es etwas дndern, wenn dort unten zehntausend Ro­boter aufmarschiert wдren?« unterbrach ihn Charity gereizt. »Diese Monster funktionieren perfekt, oder? Du kannst ja runtergehen und dich bei ihnen be­schweren, dass sie sich nicht an die Spielregeln halten!« »Es ist so … so unmenschlich«, sagte Mike nach einer Weile. »Sie sind keine Menschen«, erinnerte Charity gereizt. »Und wer immer sie sind, das da unten sind nicht unsere wirklichen Gegner. Es sind ihre Panzer.« Aber sie verstand, was Mike meinte. Neben der ungeheuerlichen Gefahr, die diese Armee aus Horrorkreaturen darstellte, gab es auch noch einen psychologischen Effekt, und sie war nicht einmal sicher, ob er nicht sogar beabsichtigt war. Nicht nur Mike wдre es einfach leichter gefallen, gegen eine Armee gefьhlloser Roboter mit Strahlenwaffen zu kдmpfen. Diese Invasion der Ungeheuer lahmte schon durch ihren bloЯen Anblick. »Und wahrscheinlich haben sie es schon auf Dutzenden von Welten getan«, knьpfte sie an ihre unterbrochene Rede an. »Sie schicken diese Ungeheuer, und wenn alles vorbei ist, kommen sie selbst und sammeln die Trьmmer auf.« Sie setzte endgьltig den Feldstecher ab, verstaute ihn sorgsam in der ledernen Hьlle an ihrem Gьrtel und begann langsam den Hang wieder hinabzukriechen. Mike folgte ihr. Auf halber Strecke erhoben sie sich und rannten geduckt zum Hubschrauber. Charity schickte ein Dankgebet zum Himmel, dass der Wind ge­gen sie stand und das Rotorengerдusch vom Hьgel fortwehte. Sie hoben ab. Charity flog sehr vorsichtig, kam hцher als fьnf, sechs Meter, und so langsam, wie es die Maschine ьberhaupt zulieЯ. Erst, als sie sich eine gute Meile vom Hьgel und damit dem Camp der Fremden entfernt hatte, wagte es Charity, den Hubschrauber ein wenig hцher zu steuern und in eine sanfte Links­kurve zu lenken.
»Was hast du jetzt schon wieder vor?« fragte Mike дrgerlich. »Ich warne Stan und die anderen«, erwiderte Charity. »Falls du nichts dagegen hast.« Mike sagte nichts, aber sein Blick sprach Bдnde, und er schwieg auf eine ganz bestimmte, nicht sehr freundliche Art. Charity war ziemlich sicher, dass er sie nach der nдchsten Zwischenlandung nicht noch einmal an den Steuerknьppel lassen wьrde. Verdammt, was war nur mit ihm los? dachte sie. Er hatte sich ver­дndert, seit sie New York verlassen hatten. Sie war plцtzlich sehr sicher, dass sie sich voneinander trennen wьrden, sobald sie ihr Ziel erreicht hatten.
12. Dezember 1998
Sie schaffte es nicht. Irgend jemand schien beschlossen zu haben, den Teil der Rocky Mountains, in denen sich der Bunker befand, als AmboЯ zu benutzen, jedenfalls waren die Erschьtterungen beinahe unbeschreiblich. Trotz aller Panik war sie umsichtig genug, nicht den Aufzug zu benutzen, was ihr wahrscheinlich das Leben rettete. Sie verlor fьr Sekunden das Bewusstsein, so hart war der Schlag, der den Berg traf und sie von den FьЯen riss, und als sie wieder erwachte, war das Licht erlo­schen und dem dьsteren Rot der Notbeleuchtung gewichen. Der Berg stцhnte.Ьberall rings um sie herum krachte und polterte es, als stьrze der ganze unterir­dische Bunker zusammen. SS Nulleins war in ein natьrliches Hцhlensystem hin­eingebaut worden. Einige schwere Erschьtterungen konnten das ganze ver­dammte Labyrinth zusammenbrechen lassen. Mьhsam arbeitete sie sich auf die FьЯe, wischte sich Staub und Blut aus dem Gesicht und verzog schmerzhaft die Lippen, als die alte Wunde in ihrem Ober­schenkel sich wieder meldete. Warmes Blut lief an ihrem Bein herab. Sie biss die Zдhne zusammen, klaubte ihren Tornister unter dem Berg von Schutt und Staub hervor und humpelte weiter. Vor ihr wurden die Schreie lauter, dann hцrte sie das Gerдusch von Schьssen und das hohe, boshafte Summen ei­nes Lasers. GroЯer Gott – waren sie schon hier? Ihr Armbandfunkgerдt meldete sich piepsend. Charity drьckte die Antworttaste und hielt das Gerдt ans Ohr, aber alles, was sie hцrte, war ein helles, an– und ab­schwellendes Pfeifen und ein paar vollkommen unverstдndliche Wortfetzen. Sie fluchte, humpelte mit zusammengebissenen Zдhnen weiter und lieЯ Gewehr und Rucksack einfach fallen, als sie eines der Wandtelefone entdeckte. Sie hatte kaum damit gerechnet – aber es funktionierte noch. Becker hцchstper­sцnlich meldete sich, als sie den Knopf drьckte. »Laird – wo sind Sie?« »Irgendwo auf halber Strecke«, antwortete Charity. »Was ist passiert?« Becker ignorierte ihre Frage. »Versuchen Sie sich zum Schiff durchzuschlagen, Captain«, sagte er. »Wir kommen so schnell wie mцglich nach.« »Der halbe Bunker ist zusammengebrochen«, antwortete Charity. »Ich glaube nicht, dass ich die Schleuse erreiche. Wir…« »Verdammt, dann benutzen Sie den Fluchttunnel!« brьllte Becker. »Ich habe jetzt keine Zeit fьr Diskussionen, Captain! Tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe!. Wir sind in spдtestens zwanzig Minuten beim Raumschiff!« Es klickte leise, als Becker die Verbindung kurzerhand unterbrach. Charity starr­te den Hцrer einen Herzschlag lang wьtend an, knallte ihn auf die Gabel zurьck und bьckte sich abermals nach ihren Sachen. Becker hatte nicht einmal so un­recht – der Hangar, in dem die CONQUEROR und ihr Schwesterschiff standen, war weit genug von der eigentlichen Bunkerfestung entfernt, um vielleicht noch intakt zu sein. Was immer SS Nulleins getroffen hatte – und es musste etwas verdammt GroЯes gewesen sein! –, war mit Sicherheit auf das Herz der Bunker­anlage gezielt gewesen, nicht auf einen fast fьnf Meilen entfernt liegenden Raumschiffhangar, von dessen Existenz ohnehin nur eine Handvoll Leute wuss­ten. Ihr Bein schmerzte stдrker. Sie sah an sich herab und bemerkte einen dunklen, allmдhlich grцЯer werdenden Fleck ьber der Wunde. Aber das war jetzt unwich­tig. Wenn sie nicht verdammt schnell hier herauskam, dachte sie, brauchte sie sich um das Loch in ihrem Oberschenkel wohl keine Gedanken mehr zu ma­chen… Mit zusammengebissenen Zдhnen humpelte sie weiter, erreichte die nдchste Ab­zweigung und blieb abermals stehen. Wo zum Teufel war dieser verdammte Fluchttunnel? Becker hatte ihn ihr nur ein einziges Mal gezeigt, und allein der Gedanke daran hatte ihr eine solche Furcht eingejagt, dass sie sich den Standort seiner Eingдnge kaum gemerkt hatte – es war nicht unbedingt jedermanns Sache, sich in ein Loch fallen zu lassen, um anderthalb Meilen weit in immer grцЯer werdenden Spiralen in die Tiefe zu rutschen… Das SchieЯen vor ihr wurde lauter, und zwischen dem peitschenden Rattern der MP-Salven und dem Schreien hцrte sie noch einen anderen Laut, ein Gerдusch, das ihr nur zu bekannt vorkam und das ihr schier das Blut in den Adern gerinnen lieЯ: das dumpfe, trockene Krachen der plumpen Insektenwaffen, wie die AuЯerirdischen sie benutzten. Und als sie das Ende des Korridors erreicht hatte, entdeckte Charity sie auch. Ein halbes Dutzend der riesigen Wurmkreaturen lag reglos zwischen den Trьmmern, und hinter und zwischen ihnen bewegten sich Dutzende der schlan­ken, vierarmigen Sцldnerkreaturen. Charity begriff schmerzhaft, dass diese rie­sigen Wьrmer nichts als die Vorhut gewesen waren, die Pioniere, die den Weg in den Bunker freischaufelten und denen jetzt die Sturmtruppen folgten. Der Angriff schien nicht besonders erfolgreich zu sein – es waren kaum zwei Dut­zend Soldaten, die sich gegen die Insektenwesen wehrten, aber offenbar schцssen sie sie zu Hunderten ab; beinahe schneller, als sie aus den riesigen Wurmlцchern herauskommen konnten. Trotzdem wьrde es nichts nutzen, dachte sie verbittert. Einen Gegner, der ьber unbegrenzte Reserven verfьgt, konnte man nicht zermьrben. Mit einem lautlosen Fluch zog sie sich ein Stьck in den Gang zurьck, entdeckte eine weitere Abzweigung, an der sie das erste Mal einfach vorbeigelaufen war, und humpelte los. Ihr Bein schmerzte immer stдrker.
Als sie in den Seitengang eindrang, stand sie einem Schatten gegenьber. Instink­tiv hob sie ihr Gewehr, hцrte einen erschrockenen Ausruf und nahm im letzten Moment den Finger vom Abzug, als sie ihren Gegenьber erkannte. »Stone!« rief sie. »Was zum Teufel tun Sie hier?« »Ich habe Sie gesucht«, antwortete Stone. Nervцs blickte er sich um und deutete dann in die Richtung, aus der er gekommen war. »Wir mьssen weg. Kommen Sie, Captain!« »Was soll das?« fragte Charity gereizt. »Ich habe meine Befehle, Lieutenant, und Sie…« »Vergessen Sie sie«, unterbrach sie Stone. »Sie sind ьberall, Laird. Es ist aus. Aber ich kann sie hier herausbringen, wenn Sie wollen.« Charity rьhrte sich noch immer nicht. »Heraus?« fragte sie. »Und wohin, Lieu­tenant? Dort oben ist nichts als eine radioaktive Hцlle!« Stone lachte hart. »Ach? Sie denken, wir wдren von einer Bombe getroffen wor­den?« Er schьttelte so heftig den Kopf, dass seine Haare flogen. »Das war Be­cker«, sagte er. »Becker?« Charity atmete erschrocken ein. Sie wusste, was Stone meinte, aber sie wollte es einfach nicht glauben. »Dieser Idiot hat die Sprengsдtze gezьndet«, sagte Stone bitter. »Es war keine Atombombe, Captain. Becker hat den halben Bunker in die Luft gejagt. Es gibt jetzt keinen Ausgang mehr.« Der Friede der vergangenen Tage und die Grabesruhe von Stans Drive-In tдuschten – sie sahen mehr und mehr die Spuren schwerer Kдmpfe, je weiter sie ins Landesinnere vordrangen, und allein wдhrend des nдchsten Tages wurden sie zweimal direkt angegriffen – von einem Insektenmonster, das zum Glьck viel langsamer war als der Helikopter; Mike wich dem ersten Angriff des fliegenden Scheusals aus und gab dann einfach Gas. Das zweite Mal hatten sie weniger Glьck – Mike bemerkte die Gefahr zu spдt, und sie fanden sich unversehens in einem Schwдrm faustgroЯer, schwarzbrauner Tiere, die sich gleich zu Tausen­den auf den Helikopter stьrzten. Sie waren nicht schnell und nicht widerstands­fдhig genug, etwa die Plexiglaskanzel zu zerschlagen, aber sie prasselten wie Maschinengewehrfeuer auf den kleinen Hubschrauber herab. Hinterher kam es Charity fast wie ein Wunder vor, dass Mike die Maschine ьberhaupt in der Luft hatte halten kцnnen. • Aber sie mussten landen. Der Motor begann zu stottern, und die Kanzel war so verschmiert mit den zermalmten Resten der Insekten, dass sie beinahe blind waren. Sie flogen noch ein Stьck – zehn, vielleicht zwцlf Meilen, von denen Charity inbrьnstig hoffte, dass sie ausreichten, sie aus der Reichweite des fliegenden Schwarmes zu bringen, dann zog Mike die Maschine herunter. Ein paar Meilen abseits der StraЯe blinkte ein kleiner See in der Vor­mittagssonne, an dessen Ufer sie landeten. Wдhrend Charity mit einem ihrer Uniformhemden und reichlich Wasser aus dem See versuchte, die klebrigen Reste der Rieseninsekten von der Kanzel zu wischen, kletterte Mike auf die Maschine hinauf und untersuchte den Motor. Charity hцrte ihn gedдmpft fluchen.
»Was ist los?« fragte sie. »Was los ist?« Mike fluchte erneut. »Komm rauf und schau dir die Schweinerei an, dann weiЯt du, was los ist«, fauchte er. »Diese verdammte ScheiЯe verklei­stert den ganzen Motor! Ich brauche mindestens eine Stunde, um den Dreck he­runterzubekommen. Wenn ich es ьberhaupt schaffe!« Trotz allem konnte Charity ein Lдcheln nicht unterdrьcken. Mike hцrte sich an wie jemand, der gerade entdeckt hat, dass der Nachbarsjunge mit einem Nagel den Lack seines neuen Wagens verziert hatte. Vielleicht, dachte sie spцttisch, war das ihr Untergang gewesen: die AuЯerirdischen hдtten nicht die menschli­che Rasse, sondern ihre Autos angreifen sollen. Mцglicherweise hдtte sich der gerechte Zorn einer ganzen Welt voller Autofahrer erhoben und sie wieder zu­rьck in die Galaxis gefegt. Sie schьttelte – noch immer lдchelnd – den Kopf, trat einen Schritt vom Hub­schrauber zurьck und blinzelte zu Mike hinauf. »Kriegst du es hin?« »Ich hoffe es«, grollte Mike. »Ich…« Er sprach nicht weiter, und obwohl Charity ihn nur als schwarzen Umriss gegen die Sonne erkennen konnte, sah sie doch, wie er erschrocken aufsah und nach Sьden blickte. »Da kommt jemand«, sagte er. »Ein… ein Wagen!« Charity drehte sich herum und hob die Hand ьber die Augen. Ein schwarzer Punkt kroch auf sie zu und zog eine gewaltige Staubwolke hinter sich her. Mike kletterte umstдndlich vom Hub­schrauber herunter, wдhrend sich Charity in die Kanzel beugte und ihr Gewehr holte. Es war ein schwarzer Trans-Am, der sich ьber die Steppe zu ihnen quдlte. Er fuhr schnell, und mehr als einmal rechnete Charity ernsthaft damit, dass der fla­che Sportwagen einfach in einem Schlagloch stecken bleiben oder sich die Ach­sen brechen wьrde. Aber nichts davon geschah – der Wagen kam nдher und blieb schlieЯlich vor dem Hubschrauber stehen. Charity erkannte die Silhouette einer einzelnen Person hinter der abgedunkelten Frontscheibe. Sie gab Mike ein Zeichen, zurьckzubleiben, nahm das Gewehr in einer nur scheinbar lдssigen Haltung in die Armbeuge und ging auf den Wagen zu. Das Fenster wurde heruntergelassen, als sie noch zwei Schritte davon entfernt war. Ein sehr blasses, sehr erschrockenes Gesicht blickte zu ihr auf. »Gott sei Dank, Sie sind ein Mensch«, sagte der junge Mann. Charity hatte sel­ten eine solche Erleichterung in der Stimme eines Menschen gehцrt. »Sollten wir etwas anderes sein?« fragte sie verwirrt. Der Fahrer des Trans-Am antwortete nicht darauf, sondern цffnete die Tьr und stieg umstдndlich aus dem Wagen. Seine Bewegungen wirkten erschцpft, und Charity sah erst jetzt, dass er eine vцllig zerfetzte Uniform trug. Ьber seiner rechten Hьfte war ein groЯer, kaum eingetrockneter Blutfleck. Sein Blick flak­kerte. Er schien halb verrьckt vor Angst zu sein. »Wer sind Sie?« fragte Charity noch. »Und was ist passiert?« »Harker«, antwortete der Soldat. »Sergeant Jonathan Harker, 7. Panzerbataillon.
Und wahrscheinlich der einzige, der noch lebt.« Er begann nervцs auf der Stelle zu treten und sah sich immer wieder um, als fьrchte er, die Fremden kцnnten jeden Moment hinter ihm aus dem Boden wachsen. »Ich habe Ihren Hubschrau­ber gesehen und gehofft, dass Sie landen«, fuhr er fort. »Und Gott sei Dank ha­ben Sie es getan. Ich habe kaum noch Benzin. Bitte – Sie mьssen mir helfen! Sie tцten uns. Ich… ich glaube nicht, dass einer der anderen noch lebt. Ich bin nur entkommen, weil… weil ich dieses Ding hier gefunden habe.« Er deutete auf den Trans-Am. »Aber sie sind hinter mir her.« Charity verbiss sich die Frage, wieso der Trans-Am ьberhaupt noch fuhr. »Sie kцnnen ein paar Gallonen Benzin von uns haben«, sagte Mike, der mittler­weile ebenfalls herangekommen war. »Aber jetzt erzдhlen Sie erst einmal, was ьberhaupt passiert ist, Mann. Sie wurden angegriffen?« »Angegriffen?« Harker kreischte fast. »Sie haben uns aufgerieben! Ich … ich habe nie so etwas erlebt. Es … es mьssen Millionen sein. Und es werden immer mehr. O Gott, sie … sie vernichten alles. Sie tцten jeden, den sie sehen.« Mike wollte Harker erneut unterbrechen, aber Charity warf ihm einen raschen, warnenden Blick zu. Sie spьrte, dass der junge Soldat ganz kurz vor dem Zu­sammenbruch stand. Ein falsches Wort, und sie wьrden ьberhaupt nichts mehr erfahren. »Jetzt beruhigen Sie sich erst einmal, John«, sagte sie. »Im Moment sind Sie nicht in Gefahr.« Sie deutete auf den Helikopter. »Wir sind den ganzen Morgen ьber geflogen, ohne auch nur einen einzigen AuЯerirdischen zu sehen.« »Sie kommen«, beharrte Harker. »Das mag ja sein«, sagte Charity, eine Spur hдrter. »Aber nicht jetzt. Sie werden sich jetzt verdammt noch mal beruhigen und uns dann erzдhlen, was passiert ist.« Mike verdrehte ungeduldig die Augen, aber Charity machte abermals eine war­nende Geste. Harker war halb verrьckt vor Angst. Sie konnten schon froh sein, wenn er ьberhaupt sprach. Harkers Augen waren voller Panik, aber er beruhigte sich tatsдchlich ein wenig. Trotzdem dauerte es noch fast fьnf Minuten, ehe er sich wieder so weit in der Gewalt hatte, mit dem geforderten Bericht zu beginnen. »Wir waren drьben in Colinsville stationiert«, begann er, »als das Licht ausging. Ein kleines Kaff, vielleicht fьnfzig Meilen von hier. Kein Mensch wusste, was ьberhaupt passiert war, verstehen Sie? Zuerst dachten wir, dass die Bomben ge­fallen wдren, aber nach und nach erfuhren wir dann die Wahrheit. Viele sind einfach abgehauen. Desertiert, verstehen Sie? Wollten nach Hause zu ihren Fa­milien.« »Und dann kamen die Fremden?« fragte sie behutsam. Harker schьttelte den Kopf. »Nicht gleich. Zuerst war alles friedlich. Wir hцrten von Kдmpfen, weiter im Osten und im Norden, aber bei uns … tat sich nichts. Es sieht so aus, als wьrden sie nur das Militдr angreifen. Flughдfen, Basen, die Ma­gazine der Nationalgarde…« Harker trat nervцs von einem FuЯ auf den anderen. Sein Blick irrte zwischen dem Hubschrauber und den Hьgeln im Norden hin und her. Er war ein Kind, dachte Charity, halb mitleidig, halb verдrgert. Man sollte Kinder nicht in Uni­formen stecken und dann von ihnen erwarten, die Arbeit von Mдnnern zu tun. »Haben Sie … eine Zigarette?« fragte Harker plцtzlich. Charity schьttelte den Kopf, aber Mike griff in die Jackentasche und fцrderte ein noch nicht angebro­chenes Pдckchen Marlboro zutage. »Behalten Sie sie«, sagte er. »Aber seien Sie sparsam. So etwas wird heute nicht mehr hergestellt. Vorkriegsware.« Harker lдchelte pflichtschuldig, griff nach den Zigaretten und senkte die andere Hand in die Tasche, um ein Feuerzeug herauszuziehen. Wenigstens war es das, was Charity glaubte. Aber er zog kein Feuerzeug hervor, sondern eine Pistole, und er griff auch nicht nach der Zigarettenpackung, sondern nach Mikes Handgelenk, schnell und hart und mit einem Male gar nicht mehr nervцs, sondern mit solcher Kraft, dass Mi­kes instinktive Abwehrbewegung zu spдt kam. Mike schrie auf, brach in die Knie, als Harker seinen Arm rasch und brutal verdrehte, und versuchte vergeb­lich, seinen Griff zu sprengen. Charity lieЯ sich einfach zur Seite fallen, kam mit einer blitzschnellen Rolle wieder auf die FьЯe und federte auf Harker zu. Ein Schuss krachte. Zehn Zentimeter vor Charitys FьЯen spritzte der Sand auf, und sie erstarrte mitten in der Bewegung. Ganz langsam hob sie die Hдnde, starrte Harker einen Moment lang fassungslos an und drehte sich dann ganz langsam zur Seite. Es war nicht Harker, der geschossen hatte. Der Kofferraum des Trans-Am hatte sich geцffnet, und zum Vorschein kam ein grьn uniformierter GI, dessen Mio-Gewehr drohend auf Charitys Magen wies. Sie konnte sein Gesicht nicht genau erkennen, aber sie war ziemlich sicher, dass der nдchste Schuss nicht nur den Sand vor ihr treffen wьrde. »Sehr gut«, sagte eine Stimme auf der anderen Seite des Wagens. Vorsichtig, um den Mann mit dem Gewehr – und vor allem seinen Zeigefinger – nicht noch nervцser zu machen, als er ohnehin schon war, drehte sie sich herum und er­kannte einen dritten Uniformierten, der sich ohne sichtbare Hast hinter dem Wa­gen aufrichtete. Auch in seiner Hand lag eine Pistole, aber er hielt die Waffe sehr nachlдssig. Charity fragte sich, wo er hergekommen war. Der Kofferraum des Trans-Am war nicht groЯ genug, gleich zwei Mдnner zu verstecken. Er musste hinter den Sitzen gelegen haben. In Gedanken verfluchte sie sich fьr ih­ren eigenen Leichtsinn, sich den Wagen nicht genauer angesehen zu haben. »Gut, dass Sie vernьnftig sind, Captain«, sagte der Mann, wдhrend er langsam um den Wagen herum auf sie zukam. »Wenn Sie es auch bleiben, werden wir uns sicher verstehen. Wenn nicht, wird Mark Sie erschieЯen. Klar?« Charity nickte. »Klar«, sagte sie gepresst. Jetzt, als er nдher kam, sah sie, dass er die Uniform eines Generals trug. »Wer sind Sie?« fragte sie. »Barton?« »General Barton, um genau zu sein, Captain. Aber sonst stimmt es.« Barton wandte sich an den Jungen, der Mike ьberwдltigt hatte. »Sie kommen klar, Har­ker?« Harker lдchelte wortlos. Der Mann mit dem Gewehr kletterte umstдndlich aus dem Kofferraum des Wa­gens heraus, ohne sie allerdings dabei auch nur eine halbe Sekunde aus dem Vi­sier zu lassen, und Barton richtete seine Pistole auf Mike. »Lassen Sie ihn los, Harker«, befahl er. »Aber vorsichtig.« Harker gehorchte, sprang rasch einen Schritt zurьck und drьckte den Lauf seiner Pistole gegen Mikes Schlдfe, als er sich erhob. Mike ballte hilflos die Fдuste und erstarrte zur Reglosigkeit. »Verdammt, Barton, was soll das bedeuten?« fragte Charity ,»wir stehen auf derselben Seite!« »Habe ich das Gegenteil behauptet?« fragte Barton. »Dann nehmen Sie diese verdammte Pistole herunter!« verlangte Charity. »Sofort«, sagte Barton. »Sobald Sie Ihre Waffe weggelegt und mir Ihr Ehren­wort als Offizier gegeben haben, keine Dummheiten zu machen.« »Sind Sie vцllig verrьckt geworden?« keuchte Charity. »Wovon reden Sie ьber­haupt? Was soll dieser Ьberfall?!« »Begreifst du es immer noch nicht?« sagte Mike leise. »Was?« Charity funkelte ihn und Barton abwechselnd an. »Sie wollen den Hubschrauber«, sagte Mike. »Nicht wahr, General?« Barton nickte. Er lдchelte noch immer. Zumindest in einem Punkt hatte Harker die Wahrheit gesagt, dachte Charity wь­tend – Colinsville war ein Kaff, ein Nest, das normalerweise wahrscheinlich nicht einmal tausend Einwohner hatte und die Bezeichnung Ortschaft nur mit sehr viel gutem Willen verdiente. Aber immerhin – es hatte ein eigenes Gefдng­nis, das nur aus einem einzigen, groЯen Raum bestand, der von einem Gitter aus daumendicken Eisenstдben in zwei gleichgroЯe Hдlften geteilt wurde. Barton war sogar zuvorkommend genug gewesen, Mike und ihr Einzelzimmer zuzuwei­sen: Sie war in die rechte und er in die linke der beiden Gitterkдfige gesperrt worden. Seither waren fьnf oder sechs Stunden vergangen. Gegen Mittag war einer von Bartons Mдnnern gekommen und hatte ihr und Mike einen Becher mit kaltem Tee und ein paar lieblos geschmierte Sandwiches durch das Gitter gereicht, wдh­rend ein zweiter GI mit entsichertem Gewehr dabeistand und aufpaЯte, dass sie nicht versuchten, durch die Gitterstдbe zu schlьpfen oder ihn mit dem Sandwich zu erschlagen. Zwei weitere Bewaffnete hielten drauЯen auf dem Gang Wache. Charity bewegte sich unruhig auf dem harten Bett. Sie hatte versucht, es Mike gleichzutun und die Zeit wenigstens zu nutzen, um zu schlafen, aber sie konnte es nicht. Der Gedanke, dass ihre Reise nach allem hier enden sollte, trieb sie fast zur Raserei. Und sie verzieh es sich einfach nicht, sich auf so plumpe Art von Barton und Harker ьberrumpelt haben zu lassen. Sie mussten hier heraus, ganz egal, wie! Das Gerдusch eines Schlьssels, der im Schloss gedreht wurde, riss sie aus finste­ren Ьberlegungen. Sie sah auf, stemmte sich gemдchlich auf die Ellenbogen
hoch und stand mit einem Ruck auf, als sie Barton erkannte. Er hatte sich verдndert, und es war keine Verдnderung, die Charity gefiel. Bar­ton hatte seine Generalsuniform gegen einen schmucklosen Kampfanzug ge­tauscht, und sein Gesicht war zum Teil mit RuЯ geschwдrzt. Ьber seiner rechten Schulter hing eine Maschinenpistole; drei Handgranaten baumelten von seinem Gьrtel herab. Charity zog die linke Augenbraue hoch. »Wollen Sie Krieg spielen, General?« fragte sie spцttisch. »Nein«, antwortete Barton gelassen. »Ich werde das tun, was Sie und all diese anderen Idioten im Pentagon versдumt haben, Captain. Ich sprenge diese ver­dammten Aliens dorthin zurьck, wo sie hergekommen sind.« »Ich fьrchte nur, dazu brauchen Sie mehr als drei Handgranaten«, sagte Mike. Charity hatte nicht einmal gehцrt, dass er aufgestanden war. Wьtend trat er an das Gitter heran und schloss die Hдnde um die rostigen Stдbe. Barton wich einen halben Schritt zurьck, obwohl er nicht einmal in Mikes Reichweite war. »Das haben wir, Lieutenant, das haben wir«, versicherte er. »Wir sind nicht ganz so wehrlos, wie diese Biester glauben.« Er legte den Kopf auf die Seite, als lau­sche er, und deutete zum Fenster. »Hцren Sie das?« Charity konzentrierte sich einen Moment, und sie hцrte tatsдchlich etwas – sehr weit entfernt, aber eindeutig: das Gerдusch eines schweren Dieselmotors, der langsam auf Touren kam. Barton lдchelte triumphierend. »Sie hцren recht, Captain. Ich habe ein paar be­gabte Techniker unter meinen Jungs. Dieses Pack wird sich wundern, wenn es in die Lдufe unserer Panzer blickt. Aber nicht lange.«»Panzer?« Es gelang Mike nicht ganz, seine Ьberraschung zu verbergen, was den Ausdruck von Triumph auf Bartons Gesicht noch verstдrkte. »Nicht sehr viele«, gestand er. »Und auch nicht unbedingt die neuesten Modelle. Aber genug, um mit ein paar grцЯenwahnsinnigen Ameisen fertig zu werden, glauben Sie mir.« »Sie sind ja verrьckt«, sagte Mike. »Sie werden nicht einmal in ihre Nдhe kom­men!« »O doch«, widersprach Barton. »Nicht zuletzt wegen Ihres Hubschraubers. Wir wissen jetzt wenigstens genau, wo sie sind. Und wie viele es sind. In ein paar Stunden ist der ganze Spuk vorbei.« »Und Sie lassen uns frei und geben uns den Helikopter zurьck«, sagte Charity. Barton zog eine Grimasse. »Seien Sie nicht albern, Captain Laird. Ich werde… ьber Ihre Freilassung nachdenken, sobald ich zurьck bin, aber der Helikopter…« Er seufzte und breitete in einer entschuldigenden Geste die Hдnde aus. »Ich fьrchte, wir brauchen ihn ein wenig dringender als Sie.« »Das glaube ich nicht«, sagte Mike, mьhsam beherrscht. »Wir fliegen nicht zu unserem Privatvergnьgen durch die Gegend, General. Wir …» »Ich weiЯ«, unterbrach ihn Barton hart. Plцtzlich klang seine Stimme verдndert. »Halten Sie mich fьr einen Idioten, Wollthorpe?« fragte er scharf. »Verdammt, ich weiЯ genau, wer Sie sind. Und ich kann mir ganz gut denken, warum Sie un­
terwegs sind. Wahrscheinlich werden die Dienste von euch unersetzlichen Raumfahrern irgendwo ganz dringend gebraucht. Doch wozu? Um die Idioten, die fьr diesen Schlamassel hier verantwortlich sind, in Sicherheit zu bringen?« Er lachte schrill. »Tut mir leid, Lieutenant, da spiele ich nicht mit.« »Diese Idioten, General«, sagte Charity vorsichtig, »sind die gleichen Leute, de­nen Sie den Treueid geleistet haben.« »Unsinn!« widersprach Barton. »Ich habe diesem Land die Treue geschworen. Ich habe geschworen, es mit meinem Leben zu verteidigen, und genau das wer­de ich tun.« Wьtend trat er dichter an das Gitter heran und deutete mit einem anklagend ausgestreckten Zeigefinger auf Mike und sie. »Sie«, sagte er, »haben ihre Chance gehabt, Captain. Sie hдtten dieses verdammte Ding in die Luft sprengen sollen, solange sie es noch konnten! Statt dessen habt ihr es hierher geholt! Ihr…«Er brach ab, biss sich auf die Unterlippe und ballte die Fдuste. Dann beruhigte er sich so schnell wieder, wie er in Zorn geraten war. »Sie hatten Ihre Chance«, sagte er noch einmal. Charity starrte ihn betroffen an. »Glauben Sie das wirklich?« fragte sie. »Dass wir sie geholt haben?« »Jedenfalls haben Sie nichts getan, um sie fernzuhalten«, antwortete Barton. »Sie hatten alle Mцglichkeiten dazu, oder nicht? Sie hдtten dieses Ding in den Kosmos sprengen kцnnen, mit ihrem Schiff. Aber Sie haben nichts getan.« Mike seufzte. »Niemand wusste, was passieren wьrde«, sagte er. In Bartons Augen blitzte es auf. »O doch«, widersprach er heftig. »Ich wusste es und andere auch. Ich habe versucht, diese Narren im Generalstab zu warnen, aber sie haben nicht auf mich gehцrt.« Er lachte bitter. »Sie haben mich ausge­lacht, diese Narren, und auf die groЯen Brьder aus dem Weltraum gewartet. Und jetzt sind sie da.« »Und Sie glauben wirklich, sie vertreiben zu kцnnen?« fragte Charity. »Mit ei­nem Hubschrauberwrack und ein paar alten Panzern?« Einen Moment lang schien Bartons Selbstsicherheit wirklich erschьttert. Dann schьttelte er trotzig den Kopf. »Natьrlich nicht«, sagte er. »Aber ich kann tun, wofьr ich bezahlt werde. Ich kann mich wehren. Und ich bin nicht der einzige. Wir werden mit ihnen fertig, auch ohne eure Hilfe.« »Was Sie tun, ist glatte Befehlsverweigerung, General«, sagte Charity. »Ist Ih­nen das klar?« Barton lachte. »Befehl?« wiederholte er. »Wessen Befehl, Captain? Sie haben mir nichts zu befehlen.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf ihre Uniform. »Ich gehцre zur Army, nicht zur Space Force.« Charity schьttelte den Kopf. »Aber Sie unterstehen ebenso dem Prдsidenten.« Barton wurde merklich unsicher. Eine halbe Minute lang starrte er sie nur an, und sie konnte regelrecht sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Und wenn es ihr gelungen wдre, in diesem Moment die richtigen Worte zu finden, hдtte sie ihn sogar zur Vernunft bringen kцnnen. Aber sie fand sie nicht, und der Moment verstrich ungenutzt. Nach ein paar Se­kunden schьttelte Barton abermals den Kopf. »Ich weiЯ nicht, ob Sie die Wahr­
heit sagen oder nicht, Captain«, sagte er. »Aber wahrscheinlich stimmt es sogar. Sie sind unterwegs zu Ihrem Schiff, nicht wahr?« Charity nickte. Es brachte nichts ein, Barton zu belьgen. »Ein Prдsident, der sein Volk im Stich lдsst, verdient keine Loyalitдt«, erklдrte Barton. »Das ist doch Unsinn«, widersprach Charity sanft. »Niemand spricht davon, ir­gend jemanden im Stich zu lassen, General. Aber Lieutenant Wollthorpe und ich sind wahrscheinlich die einzigen, die das Raumschiff fliegen kцnnen. Und wir brauchen es. Mit einem einzigen Schiff wie der CONQUEROR kцnnen wir tau­sendmal so viel ausrichten wie Sie mit Ihren Soldaten. Vielleicht… kцnnen wir sogar das Mutterschiff zerstцren.« Barton presste die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Wieso sollte Ihnen jetzt gelingen, was Sie vorher nicht konnten?« fragte er misstrauisch. »Weil sie nicht damit rechnen«, antwortete Mike an Charitys Stelle. »Es ist eine Chance, General. Sie kцnnen nicht wissen, dass das Schiff noch einsatzfдhig ist.« Barton ьberlegte einen Moment. »Der Versuch war es wert, Lieutenant«, sagte er dann. »Aber trotzdem – nein. Vielleicht lasse ich Sie frei, wenn wir zurьck sind. Vielleicht gebe ich Ihnen sogar einen Wagen.« Er grinste. »Sie sollten mir Glьck wьnschen.« Mikes Miene verdьsterte sich. »Wollen Sie wirklich wissen, was ich Ihnen wьn­sche, General?« fragte er. Barton blickte ihn einen Moment lang mit steinerner Miene an. Dann schьttelte er den Kopf, wandte sich wortlos um und verlieЯ die Zelle. Sie erfuhren nicht einmal, warum er ьberhaupt gekommen war.
12. Dezember 1998
»Dort entlang!« Stones Stimme drang nur verzerrt unter seiner halbdurchsichti­gen Atemmaske hervor, und sein Gesicht war hektisch gerцtet, wo es nicht von pulverfeinem weiЯem Staub bedeckt war. Sie folgte mit Blicken der Richtung, in die sein ausgestreckter Arm wies, erkannte nichts als Trьmmer und Staub, nickte aber trotzdem. Sie hatte lдngst jede Orientierung verloren. AuЯerdem kannte er sich hier unten sowieso viel besser aus als sie. So schnell es der pochende Schmerz in ihrem Bein zulieЯ, folgte sie ihm. Die Hitze stieg. Selbst die Luft aus der kleinen Sauerstoffpatrone an ihrem Gьrtel schmeckte warm. Sie kдmpften sich durch den Qualm und erreichten das Ende des Stollens. Stone deutete auf eine offenstehende Lifttьr. Die Kabine dahinter war verschwunden. Ein halbes Dutzend Drahtseile hing sonderbar schlaff herab, und der blutigrote Widerschein von Feuer erhellte den rechteckigen Schacht. Stone begann ungeduldig mit beiden Hдnden zu gestikulieren, als sie zцgerte, beugte sich durch die offenstehenden Tьren und deutete auf eine Reihe kleiner, eiserner Trittstufen, die senkrecht an der Wand in die Tiefe fьhrten. »Los!« befahl er. »Ehe hier alles zusammenbricht!« ' Charity zцgerte noch einmal einen endlosen Augenblick, aber dann trat sie ent­schlossen an ihm vorbei, griff nach der obersten Stufe und zog sich mit einem kraftvollen Ruck in den Schacht. Die Hitze wurde immer unertrдglicher. Unter sich, sehr tief unter sich, konnte sie die brennenden Trьmmer der abgestьrzten Liftkabine erkennen, und der Aufzugschacht wirkte wie ein Kamin, in dem die glьhendheiЯe Luft nach oben stieg. Trotzdem ging es besser, als sie zu hoffen gewagt hatte. Sie hatte noch fьr eine halbe Stunde Sauerstoff, und ihr Kampfanzug hielt wenigstens die allerschlimm­ste Hitze fern. Rasch, aber sehr vorsichtig kletterte sie in die Tiefe. Becker, du verdammter Idiot, dachte Charity immer wieder. Stones Worte hatten sie getroffen wie eine Ohrfeige, obwohl sie keinen Moment an seinen Worten gezweifelt hatte. Sie hдtte es sich selbst denken kцnnen, und schlieЯlich hatte Becker es ja sogar gesagt – aber offenbar hatte sie sich schlichtweg geweigert, die Wahrheit zu akzeptieren; nдmlich die, dass auch ein Mann wie Becker die Nerven verlieren und einen entsetzlichen Fehler begehen konnte. Die Tьren der nдchsten Ebene waren geschlossen. Sie kletterten weiter. Die Hit­ze war kaum mehr auszuhalten. Sie konnten sich jetzt nur noch zwei, allerhцch­stens drei Ebenen ьber der untersten Sohle des Bunkers befinden, und Charity begann sich ernsthaft zu fragen, wo Stone ьberhaupt hin wollte – ihres Wissens gab es auЯer der Notrutsche keinen zweiten Ausgang aus dem Bunker, schon gar nicht hier unten. Trotzdem kletterte sie weiter, bis er ihr das Zeichen gab, den Schacht zu verlassen. Die kleine Anstrengung, den Arm auszustrecken und sich in die Sicherheit des Korridores zu ziehen, ьberstieg fast ihre Krдfte. Schweratmend lieЯ sie sich zu Boden sinken, riss die Sauerstoffmaske vom Ge­sicht und atmete gierig ein und aus. Die Luft hier unten schmeckte wesentlich schlechter als die aus der Patrone, sie war heiЯ und stank nach Qualm und Staub, aber sie hatte nur diesen winzigen Vorrat und musste sparsam sein. Charity sah mьde auf, als Stone neben ihr aus dem Schacht geklettert kam. Auch er nahm seine Maske herunter und atmete ein paarmal tief durch, ehe er sie sorg­fдltig wieder an seinem Gьrtel befestigte und statt dessen das Lasergewehr vom Rьcken nahm. Charity verfluchte ihren eigenen Leichtsinn, selbst keine Waffe mitgenommen zu haben. Aber verdammt, so hatte geglaubt, wenigstens noch diese paar Minuten zu haben! Alles war so entsetzlich schnell gegangen! »Wohin?« fragte sie. Stone sah sich einen Moment lang mit deutlicher Hilflosigkeit um. Dann deutete er nach links. »Versuchen wir es. Vielleicht haben wir Glьck, und sie sind noch nicht hier.« Sie liefen weiter. Der Boden unter ihren FьЯen zitterte noch immer leicht, und manchmal glaubte Charity wieder dieses schreckliche, hдmmernde Gerдusch zu hцren, als wenn irgendwo Wдnde zusammenstьrzten. Dann erkannte sie, dass es nur das Hдmmern ihres eigenen Herzens war. Endlich sah sie, wonach sie so lange vergeblich gesucht hatte: einen kreisrun­den, feuerrot gestrichenen Stahldeckel, massiv wie eine Safetьr und mit einem Schloss versehen, zu dem es nur ein knappes Dutzend Schlьssel gab. Die Flucht­rutsche. Sie blieb stehen, lehnte sich einen Moment gegen die Wand, um wieder zu Atem zu kommen, und griff dann in die Tasche. Ihre Finger zitterten so stark, dass sie Mьhe hatte, den kleinen, kompliziert geformten Schlьssel zu finden. »Wir mьssen weiter, Captain«, sagte Stone keuchend. »Sie kцnnen jeden Mo­ment hier auftauchen!« Charity schьttelte den Kopf. Sie wollte antworten, aber ihr Mund war plцtzlich voller bitter schmeckendem Speichel. Sie hatte das Gefьhl, sich ьbergeben zu mьssen, wenn sie auch nur versuchte, zu sprechen. Unsicher kramte sie den Schlьssel hervor, taumelte auf das Panzerschott zu und versuchte ihn ins Schlьs­selloch zu stecken. Ihre Hдnde zitterten so stark, dass es ihr nicht gelang. »Helfen Sie mir, Stone«, sagte sie mьhsam. »Ich… schaffe es nicht.« Stone rьhrte sich nicht von der Stelle. Seine Augen waren weit vor Angst und Unglauben. »Sie wollen doch nicht wirklich da rein?« fragte er. »Haben Sie eine bessere Idee?« keuchte Charity. »Verdammt, Stone, es ist aus! Der ganze Laden hier geht in ein paar Minuten in die Luft.« Sie begriff, dass er ihr nicht helfen wьrde, drehte sich wieder um und versuchte erneut, den Schlьs­sel in den schmalen, plastikversiegelten Schlitz zu schieben. Diesmal gelang es ihr, aber sie musste beide Hдnde zu Hilfe nehmen; die linke, um ihre rechte zu halten, die einfach zu stark zitterte. Wie wollte sie nur ein Raumschiff fliegen? »Das werden Sie nicht tun«, sagte Stone ruhig. Seine Stimme klang hysterisch. Vorsichtig lieЯ sie den Schlьssel los, drehte sich ganz langsam herum… …und blickte genau in den Lauf seines Lasergewehres. »Sind Sie… wahnsinnig geworden?« fragte sie entsetzt. Stone schьttelte den Kopf. Charity sah, wie sein Zeigefinger nervцs ьber den Abzug der tцdlichen Waffe strich. »Sie werden nicht dort hineingehen«, sagte er noch einmal. »Ich brauche Sie hier.« »Stone, bitte«, sagte Charity verzweifelt. Ihre Gedanken ьberschlugen sich. Sto­ne meinte es ernst, das spьrte sie ganz genau. Aber er war zu weit entfernt, als dass sie eine reelle Chance gehabt hдtte, ihn zu ьberwдltigen. Nicht mit ihrem verletzten Bein. »Sie… Sie kцnnen mitkommen«, sagte sie. »Ich sorge dafьr, dass Sie einen Platz auf der CONQUEROR bekommen. Ich brauche sowieso Hilfe im Cockpit, und…« »Gehen Sie von der Tьr weg«, unterbrach sie Stone. »Schnell!« Charity nahm die Hдnde ein wenig hцher und trat gehorsam zwei Schritte zur Seite. Stones Lasergewehr folgte ihrer Bewegung. »Was… was haben Sie vor?« fragte Charity stockend. Sie verlagerte ihr Kцrper­gewicht ein wenig, versuchte, das verletzte Bein zu entlasten, um Kraft fьr einen Sprung zu sammeln. Es war Wahnsinn, aber sie hatte keine Wahl. Er wьrde schieЯen, das wusste sie. »Das werden Sie schon noch frьh genug merken«, antwortete Stone. »Sie wer­den mich hier herausbringen, Captain. Und ich Sie. Aber wir schaffen es nur zu­sammen.«
Charity deutete mit einer Kopfbewegung auf die Panzertьr. »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie mitkommen kцnnen, Stone. Ich hдtte Sie sowieso mitge­nommen. Das Schiff ist groЯ genug. Stecken Sie die Waffe weg. Ich verspreche Ihnen, dass…« Sie sprang. Vцllig ansatzlos federte sie auf Stone zu, drehte sich dabei halb um ihre Achse und zielte mit dem linken, unverletzten FuЯ auf sein Handgelenk. Und Stone drьckte ab. Barton und seine kleine Armee waren kurz nach seinem Besuch im Gefдngnis abgerьckt, und mit Ausnahme des Mannes, der ihnen das Essen gebracht hatte, war er der letzte gewesen, der zu ihnen kam. Der Rest des Tages war so vergan­gen, wie Tage in Gefдngnissen seit Urzeiten zu vergehen pflegten: langsam und eintцnig und vor allem von Langeweile bestimmt. Irgendwann war es ihr trotz allem gelungen einzuschlafen. Charity erwachte, als ein lauter Donner die ganze Stadt erzittern lieЯ. Fьr eine halbe Sekunde drang hellroter Feuerschein durch das winzige Zellenfenster, dann erlosch er wieder. Verwirrt setzte sie sich auf, lauschte einen Moment und fuhr sich mьde mit der Hand ьber die Augen. In der Zelle neben ihr regte sich Mike. Auch er sah mьde aus, aber auch auf seinem Gesicht war der gleiche, unglдubige Schrecken zu er­kennen, den auch Charity spьrte. »Was war das?« fragte er alarmiert. Charity hob andeutungsweise die Schultern, stand vollends auf und trat ans Fen­ster. Sie musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um hinaussehen zu kцnnen, doch sie sah nichts anderes als das, was sie den ganzen Tag ьber gesehen hatte: einen kleinen, von einer zwei Meter hohen Ziegelsteinmauer umschlossenen In­nenhof, auf dem sich Abfдlle und leere Kisten und Farbeimer stapelten. Der Himmel war schwarz. »Es klang wie eine Explosion«, sagte sie zцgernd. »Vielleicht war es auch…« »Was?« fragte Mike, als sie nicht weitersprach. Seine Stimme klang spцttisch. »Das klang nicht nur wie eine Explosion – es war eine«, fuhr er fort. »Unser Freund Barton kommt zurьck. Und ich fьrchte, nicht allein.« Charity sah ihn nachdenklich an. Aber sie verzichtete auf eine Antwort, sondern drehte sich wieder herum und blickte abermals aus dem Fenster. Sie lauschte angestrengt, aber der Explosionsdonner wiederholte sich nicht. Dafьr glaubte sie ein fernes Rufen zu hцren und dann sehr schnelle Schritte, die sich dem Gebдu­de nдherten. Jemand schrie. Mike begann wьtend an den Gitterstдben zu rьtteln. »Wache!« brьllte er. »Kommen Sie her! Verdammt noch mal, Wache!« Charity hatte nicht damit gerechnet – aber tatsдchlich hцrten sie plцtzlich das Gerдusch der Schlьssel, und einer der beiden Mдnner, die drauЯen auf dem Flur Wache hielten, kam herein. Er war blass und wirkte ьberaus nervцs. »Was geht da drauЯen vor?« fragte Mike aufgeregt. »Sie greifen an, nicht wahr? Sie kommen hierher. Verdammt, machen Sie die Tьr auf!« Der Mann machte einen halben Schritt auf das Gitter zu und blieb wieder stehen.
Irgendwo, sehr weit entfernt, aber nдher als beim ersten Mal, krachte eine zweite Explosion. »Lassen Sie uns raus!« sagte Mike noch einmal. »Um Gottes willen, Mann, sie werden uns alle umbringen, wenn wir nicht fliehen!« »Unsinn«, widersprach der Soldat. »Barton wird schon mit ihnen fertig.« »Das hцrt man«, antwortete Mike gereizt. »Verdammt, sind Sie taub? Sie hцren doch, was da drauЯen los ist!« »Ich… kann nicht«, antwortete der GI nervцs. »Barton lдsst mich erschieЯen, wenn ich Sie laufen lasse.« Und damit wandte er sich fast fluchtartig um und warf die Tьr hinter sich zu. »Bravo«, sagte Charity spцttisch. »Fьhlst du dich jetzt besser?« Mike funkelte sie wьtend an. »Dieser Idiot«, fauchte er. »Wir werden hier ver­recken, nur weil dieser hirnlose Idiot da drauЯen Krieg spielen muss!« So aufbrausend und wьtend hatte sie Mike noch nie erlebt. Er hatte sich sehr verдndert, ohne dass sie genau sagen konnte, worin diese Verдnderung bestand. Ohne ein weiteres Wort trat sie wieder ans Fenster und blickte hinaus. Sie hцrte jetzt keine einzelnen Schьsse mehr, sondern ganze Salven. Dann und wann huschte ein roter Lichtreflex ьber den Himmel. »Wir mьssen hier heraus«, sagte Mike gehetzt. »Verdammt, ich habe keine Lust, in diesem Loch zu krepieren!« Charity trat ein Stьck vom Fenster zurьck, drehte sich zu ihm um und machte eine beruhigende Handbewegung. »Du hilfst uns bestimmt nicht, wenn du in Panik gerдtst«, sagte sie. »Wir…« Irgend etwas stimmte nicht. Aus den Augenwinkeln hatte sie eine Bewegung am Fenster wahrgenommen und fuhr herum – und schrie gellend auf. Wo vor Sekunden noch ein rechteckiger Ausschnitt des Nachthimmels gewesen war, glotzte sie jetzt ein gewaltiger, schwarzer Insektenschдdel an, ein monstrц­ses gepanzertes Ding mit einem einzigen, irisierenden Auge, das sich wie der Sehschlitz einer mittelalterlichen Rьstung quer ьber die ganze Breite des Insek­tengesichtes zog. Dьnne, biegsame Antennen peitschten in ihre Richtung. Fьr die Dauer eines endlosen, grauenerfьllten Herzschlages starrte das gewaltige Facettenauge des Ungeheuers Charity direkt an, dann verschwand das Alp­traumgesicht wieder. Und ein ungeheuerlicher Schlag traf das Gebдude. Charitys abermaliger Schrecksschrei ging im Krachen der zerberstenden Mauer und dem hellen, zornigen Pfeifen des Monstrums unter. Die Erschьtterung riss sie von den FьЯen. Noch im Fallen sah sie, wie ein ge­waltiger, gezackter Riss quer durch die Wand und bis zur Decke hinauflief, krьmmte sich instinktiv zusammen und schlug die Arme ьber den Kopf, als Trьmmer und Staub auf sie herabrieselten. Ein zweiter, kaum weniger heftigerer Schlag traf das Haus. Die Wand, in der das Fenster gewesen war, brach in einer gewaltigen Staubwolke zusammen, und plцtzlich glдnzten schwarzbraunes Chitin und schreckliche Klauen zwischen den niederprasselnden Steinen. Das Ungeheuer schob sich mit fast gemдchlichen Bewegungen auf Charity zu.
Sie hцrte Mike schreien, kroch verzweifelt vor dem angreifenden Monster weg und prallte gegen das Gitter. Ein gigantisches Ameisenbein schlug nach ihr und verfehlte sie um Zentimeter. Ein Schuss krachte, so dicht an ihrem Ohr, dass sie glaubte, ihr Trommelfell wьrde platzen. Das Rieseninsekt bдumte sich auf, stieЯ ein hohes, zorniges Pfei­fen aus und warf den Kopf hin und her. Sein flaches Panzergesicht war plцtzlich voller Blut. Ein zweiter Schuss fiel. Das Ungeheuer taumelte, machte noch einen letzten, mьhsamen Schritt und brach zusammen. Charity plagte sich auf, wдhrend der Soldat, der sie gerettet hatte, bereits den Schlьssel von seinem Gьrtel nestelte und ihre Zellentьr цffnete. Es war der glei­che Mann, mit dem Mike vor ein paar Minuten gesprochen hatte. Seine Augen waren starr vor Entsetzen. »Schnell!« keuchte Mike. »Um Gottes willen, beeilen Sie sich, Mann!« Der GI war so nervцs, dass er die Tьr zu Charitys Zelle kaum aufbekam. Sein Blick irrte immer wieder zu der toten Insektenkreatur, als rechnete er jeden Au­genblick damit, sie wieder aufstehen und abermals angreifen zu sehen. Es dauer­te fast eine Minute, bis er Charity endlich aus ihrem Gefдngnis befreit hatte. Wortlos nahm sie ihm den Schlьssel aus der Hand, stieЯ ihn grob beiseite und befreite auch Mike. »Eine Waffe!« keuchte Mike. »Wir brauchen Waffen – gibt es hier welche?« Der Soldat nickte, fuhr auf der Stelle herum und stьrmte durch die Tьr, so schnell, dass Charity und Mike fast Mьhe hatten, ihm zu folgen. Irgendwo in ihrer unmittelbaren Nдhe explodierte etwas. Das ganze Gebдude erzitterte. Der Soldat riss einen Schrank auf und warf Mike eine Maschinenpistole zu. »Munition finden Sie da drinnen«, sagte er. »Und jetzt hauen Sie ab, Mann.« Er fuhr herum, riss die Tьr auf und rannte mit weit ausgreifenden Schritten auf die StraЯe hinaus. Er kam nicht einmal zwei Schritte weit. Ein dunkler, glitzernder Schatten fiel direkt vom Himmel und begrub ihn unter sich. Das Blitzen rasiermesserscharfer Klauen erstickte seinen Schrei. Mike riss seine MP in die Hцhe und drьckte ab, aber nichts geschah. Fluchend legte er den Sicherungshebel um, zielte erneut auf die Kreatur und drьckte ab – aber noch immer funktionierte die Waffe nicht. Das Insektenmonster richtete sich langsam ьber dem toten Soldaten auf und drehte sich herum. Kleine, gna­denlose Augen starrten sie an. Mit aller Macht packte Charity die Tьr, warf sie ins Schloss und legte den Rie­gel vor. »Runter!« schrie Mike. Charity gehorchte, und sie tat es keine Sekunde zu frьh! Irgend etwas traf die Tьr mit der Wucht eines Dampfhammers. Das Holz zersplitterte, fingerlange, mцrderische Krallen rissen und fetzten. Charity rollte sich blindlings zur Seite, kam mit einem Satz wieder auf die FьЯe und sprang zurьck, als sie sah, wie Mike die nutzlose Waffe fallen lieЯ und ein anderes Gewehr aus dem Schrank riss. Und diesmal funktionierte die Waffe. Die Tьr erzitterte ein zweites Mal wie un­ter einem Hammerschlag, als er die MP hochriss und schoss. Von drauЯen drang ein gellender, durch und durch unmenschlicher Schrei herein, dann das Ge­rдusch von splitterndem Hцrn. SchlieЯlich hцrten sie den Aufprall eines schwe­ren Kцrpers. Aber Mike schoss immer weiter, hielt den Abzug gekrьmmt, bis das Magazin leer war. Auch dann hielt er die Waffe noch starr in der Hand. Charity trat vorsichtig an ihn heran und berьhrte ihn an der Schulter. Mike fuhr zusammen wie unter einem Schlag. Aber dann erkannte er sie. Aus dem lдh­menden Entsetzen in seinem Blick wurde nackte Angst. »Alles wieder okay?« fragte Charity misstrauisch. Sie kannte die Vorzeichen einer beginnenden Panik zu gut, um sich selbst noch etwas vorzumachen. Plцtz­lich wusste sie mit unerschьtterlicher Sicherheit, dass Mike es nicht schaffen wьrde. Er war kein Kдmpfer. Er hatte gelernt, ein Raumschiff zu fliegen und mit einer Laserkanone auf Raketen zu schieЯen, nicht, sich gegen einen lebendig gewordenen Alptraum zu wehren. »Ich… glaube schon«, antwortete er mьhsam. Er versuchte zu lдcheln. Es miss­lang. »Dann laЯ uns verschwinden.« Charity schob ihn mit sanfter Gewalt zur Seite, цffnete den Waffenschrank vollends und entdeckte zu ihrer Erleichterung eine zweite Maschinenpistole. Hastig hдngte sie sich die Waffe ьber die Schulter, nahm so viele Ladestreifen an sich, wie sie gerade noch tragen konnte, und be­deutete Mike mit einer Kopfbewegung, sich ebenfalls zu bewaffnen. Dann ging sie in den Zellenraum zurьck. »Wo willst du hin?« fragte Mike erschrocken. »Raus«, antwortete Charity. Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf die zer­schossene Vordertьr. »Hast du vielleicht Lust, diesen Ausgang zu nehmen?« Mike antwortete nicht darauf, aber sie hдtte auch gar nicht mehr hingehцrt. Ihr Herz machte einen schmerzhaften Sprung, als sie in die offenstehende Zelle zu­rьcktrat und das erschossene Rieseninsekt sah, das den Ausweg blockierte. Das Loch, das das Monstrum in die Wand gerissen hatte, war groЯ genug, um be­quem hindurchzuschlьpfen, aber sie wьrden ьber den gewaltigen Kadaver klet­tern mьssen. Charitys Magen zog sich zu einem harten, stacheligen Klumpen zusammen. Aber sie schaffte es, irgendwie. Und es war nicht einmal so schlimm, wie sie geglaubt hatte. Colinsville glich einem Tollhaus. Die Stadt stand in Flammen. Aus den entfern­ten Gewehrsalven war ein nicht enden wollendes Krachen und Drцhnen gewor­den, in das sich nur noch dann und wann der dumpfe Schlag der Panzerkanone mischte. Menschen hasteten ziellos und in Panik umher. Der Himmel war rot vom Widerschein des gewaltigen Feuers, das sich rasend schnell in die Stadt hi­neinfraЯ. Ein Soldat taumelte schreiend vorьber. Irgendeine winzige Gestalt hockte in seinem Nacken, und sein Hemd war voller Blut. Charity hob ihre Waf­fe, aber der Mann war zu schnell vorьber. Und wahrscheinlich hдtte sie ihn oh­nehin nicht mehr retten kцnnen.
Schaudernd vor Entsetzen drehte sie sich um und blickte das Flammenmeer an, das im Norden von Colinsville tobte; eine Wand aus Feuer, die das vor sich her­trieb, was von Bartons zweitausend Mann ьbriggeblieben war – ein jдmmerlicher Haufen aus panikerfьllten Mдnnern, die in wilder Flucht die StraЯe herabgerannt kamen. Und hinter ihnen… Das Licht war zu grell, so dass Charity kaum etwas erkennen konnte, aber was sie sah, nahm ihr fast den Atem. Es war eine Armee aus kriechenden, hьpfen­den, flatternden, hopsenden und rennenden Horrorkreaturen, ein Bild von Hie­ronymus Bosch, das zum Leben erwacht war. Die Mдnner schцssen ununterbro­chen, und sie trafen ununterbrochen, aber die grelle Wand aus Feuer spie immer mehr furchterregende Bestien aus. »Dorthin!« Mike deutete hektisch nach rechts, nicht direkt in die dem Feuer ent­gegengesetzte Richtung, sondern auf eine schmale Gasse auf der anderen Seite der HauptstraЯe. Sie wussten beide, dass es Selbstmord war, sich der fliehenden Menschenmenge anzuschlieЯen. Sie wьrden einfach niedergetrampelt werden. Trotzdem hдtten sie es beinahe nicht geschafft. Am anderen Ende der Ortschaft ertцnte ein dumpfes Krachen, als sie die StraЯe zur Hдlfte ьberquert hatten, und plцtzlich fьhlte Charity einen entsetzlich heiЯen, rasenden Luftzug. Eine halbe Sekunde spдter explodierte die Panzergranate am anderen Ende der StraЯe, in­mitten der heranrasenden Insektenarmee. Aber auch inmitten von Bartons Leuten… Charity sah entsetzt weg, rannte blindlings weiter und blieb erst stehen, als sie die rettende Gasse erreicht hatten. Mike lieЯ sich neben ihr auf die Knie fallen, hob seine MP und jagte einen kurzen FeuerstoЯ in die Dunkelheit vor ihnen. Schweratmend drehte sich Charity um. Der Panzer kam rasselnd nдher, und sie erkannte jetzt, dass es ein uralter Sherman war, ein Modell aus dem Zweiten Weltkrieg, das nur noch aus Rost und ein bisschen Farbe zu bestehen schien. Eine untersetzte Gestalt mit grauem Haar ragte aus der offenen Einstiegsluke. »Barton!« schrie sie. »Um Gottes willen, hцren Sie auf!« Ihre Worte gingen im Brьllen der Panzerkanone unter. Eine zehn Meter lange Flammenzunge stach ьber die StraЯe und explodierte eine halbe Meile entfernt in der Wand eines zweistцckigen Gebдudes. Charity schloss geblendet die Au­gen, als das Haus in einer Wolke aus Feuer und fliegenden Trьmmern auseinan­der flog. Dann hob sie ihre Waffe, zielte kurz und drьckte ab. Ein einzelner Schuss lцste sich peitschend. Die Kugel prallte harmlos einen Meter vor Barton vom Stahl ab, aber Bartons Kopf flog mit einem Ruck herum. Trotz der groЯen Entfernung konnte sie sei­nen Schrecken sehen, als er sie erkannte. »Hцren Sie auf, Sie Idiot!« schrie sie mit ьberschnappender Stimme. »Sie brin­gen Ihre eigenen Leute um!« Der Turm des Panzers drehte sich. Fьr einen kurzen, schrecklichen Moment war Charity fast sicher, dass die nдchste Granate sie und Mike treffen wьrde, aber dann bewegte sich die Kanone wieder zurьck. Der Panzer fuhr klirrend weiter, verminderte sein Tempo fьr einen Moment und beschleunigte wieder, als Barton sich aus der Luke herausstemmte und zu Boden sprang. Die Front der Insektenungeheuer war noch nдher gekommen, aber ihr Vor­marsch verlor jetzt rasch an Geschwindigkeit. Auf der StraЯe vor Colinsville hatte sie Bartons Mдnner einfach vor sich hergetrieben, doch hier fanden die GIs genьgend Deckung, um sich ihnen in den Weg stellen zu kцnnen. »Sind Sie zufrieden, Sie dдmlicher Hund?« begrьЯte Mike den General. »Wie viele von Ihren Mдnnern leben noch? Hundert?« Bartons Lippen pressten sich zu einem schmalen Schlitz zusammen. Er zitterte. Aber er sagte kein Wort. Charity warf Mike einen raschen, warnenden Blick zu, zog Barton mit einer groben Bewegung in die Deckung der Mauer zurьck und deutete nach Norden. »Was ist passiert?« fragte sie einfach. »Es war… eine Falle.« Bartons Stimme klang flach. Von seiner unerschьtterli­chen Siegessicherheit war nichts mehr geblieben. »Wir haben sie umstellt«, fuhr er fort. »Wir hatten ihr Lager gefunden, vom Helikopter aus. Ein Tal in den Ber­gen, nur ein paar Meilen von hier.« »Und?« fragte Mike, als Barton nicht weitersprach. »Ich weiЯ es nicht«, murmelte Barton. »Wir hatten sie in der Falle. Es … es schien alles so einfach zu sein. Ich kenne dieses Tal. Es … es ist klein, kaum eine halbe Meile tief. Aber plцtzlich waren sie da. Millionen. GroЯer Gott, es mьssen … es mьssen Millionen sein. Sie tauchen wie aus dem Nichts auf. Wir haben Tausende abgeschossen, aber es … es werden immer mehr.« Charity starrte blicklos zu Boden. Bartons Worte entsetzten sie. Sie hдtten es ihm sagen kцnnen, dachte sie matt. Er war wahrscheinlich wirklich davon ьber­zeugt, siegen zu kцnnen. Von dem Materietransmitter hatte er keine Ahnung ge­habt. Charity sah nach Norden. Der Vormarsch der Fremden war nicht vollends zum Stehen gekommen, aber doch beinahe. Bartons Mдnner hatten sich in die umlie­genden Hдuser zurьckgezogen und schцssen jetzt gezielt auf die heranstьrmen­den Kreaturen, und auch der Panzer erцffnete immer wieder das Feuer. Charity sah, dass er gezielt die groЯen Kдferwesen anvisierte, mit denen Mike und sie bereits Bekanntschaft gemacht hatten. Sie sah keinen einzigen der Vierarmigen, was sie allerdings nicht erstaunte. »Wie viele Panzer haben Sie noch?« Barton schьttelte den Kopf. »Keinen. Das ist … der letzte. Es waren nur vier«, fьgte er in einem entschuldigenden Tonfall hinzu, fьr den Charity ihm am lieb­sten den Gewehrlauf in die Zдhne geschlagen hдtte. Plцtzlich hцrte sie das Knattern eines Hubschraubers, der sich der Stadt nдherte. Sie sah auf, blickte in den Himmel und erkannte ihren Helikopter. Sie erschrak. Die Maschine taumelte wie ein betrunkener Schmetterling. Das Motorgerдusch klang unregelmдЯig, und der Pilot schien Mьhe zu haben, die Maschine ьber­haupt in der Luft zu halten. Barton sprang auf, lief ein paar Schritte auf die StraЯe hinaus und riss ein Wal­kietalkie aus dem Gьrtel. »Harker!« schrie er. »Ich bin hier! Runter!« »Der… der Mistkerl will abhauen!« keuchte Mike. »Verdammt, er lдsst uns ein­fach im Stich!« Er wollte aufspringen, aber Charity riss ihn im letzten Moment zurьck. Der Hubschrauber erreichte die StraЯe nicht. Harker versuchte es, aber er bekam immer grцЯere Schwierigkeiten, die Maschine zu steuern. Plцtzlich war noch etwas am Himmel; ein riesiges Wesen aus schwarzem Leder, das mehr durch die Luft torkelte, als es flog. Aber die scheinbare Schwerfдlligkeit seiner Bewegungen tдuschte. Plцtzlich schoss es auf den taumelnden Helikopter zu, hing einen Moment fast reglos ьber den rasenden Rotoren – und schloss sich wie eine formlose Riesenfaust um die winzige Maschine. Der Hubschrauber explodierte noch in der Luft. Ein Teppich aus Feuer und brennenden Trьmmern regnete auf die Stadt herab, zusammen mit den zerfetzten Ьberresten des Wesens, das den Helikopter vernichtet hatte. Und in der gleichen Sekunde begann der endgьltige Angriff der Monster. Als wдre die Vernichtung des Helikopters ein Zeichen gewesen, tat sich die Nacht am anderen Ende der StraЯe auf und spie alle Kreaturen der Hцlle aus. Es waren viele Tausende, eine ungeheuerliche Walze aus glitzerndem Hцrn, das die StraЯe, das Feuer, die Hдuser und selbst den Panzer einfach ьberrollte. Charity sah, wie sich drei der gigantischen Kдferwesen gleichzeitig auf den Sherman-Tank stьrzten und ihn kurzerhand umwarfen, mit einer Kraft, die einfach unvor­stellbar war. Augenblicke spдter explodierte etwas im Inneren des Panzers, und greller Feuer­schein ьberstrahlte noch einmal die Armee der Horrorkreaturen. »Weg hier!« brьllte Mike mit ьberschnappender Stimme. Er sprang auf, riss Charity einfach mit sich und hetzte los. Keine Sekunde zu frьh. Ein mannsgroЯes Ding mit Tausenden von kleinen, na­delspitzen Stacheln rollte wie ein losgerissenes Rad ьber die StraЯe auf sie zu. Mike schoss und traf, aber im gleichen Moment lцsten sich Dutzende der klei­nen Hornstacheln aus dem Monstrum und prallten wie tцdlicher Hagel an der Stelle gegen die Wand, wo er und Charity gerade noch gesessen hatten. Einer von ihnen traf. Charity spьrte einen harten, betдubenden Schlag gegen den Oberschenkel, einen kleinen Moment der Schwдche – und dann raste ein entsetzlicher Schmerz durch ihr Bein und explodierte ьberall in ihrem Kцrper zugleich. Sie schrie gellend auf, stьrzte zu Boden und umklammerte ihren Oberschenkel. Blut lief in breiten Strцmen ьber ihr Bein. Die Hornnadel musste ihren Schenkel glatt durchschla­gen haben. Mike versuchte sie in die Hцhe zu ziehen, aber sofort schoss eine neue, unertrдg­liche Schmerzwelle durch ihren Kцrper. Vergiftet, dachte sie. Der Dorn musste vergiftet worden sein! Das Ding war kaum dicker als eine Stricknadel gewesen, aber der Schmerz war trotzdem entsetzlich, pure Agonie, die jeden einzelnen Nerv in ihrem Kцrper in Flammen setzte. Blindlings schlug sie Mikes Hand bei­seite, krьmmte sich erneut und schrie. Sie registrierte kaum, dass Mike sie mit einer Hand am Arm ergriff und in die Gasse zurьckschleifte, aus der sie gerade geflohen war, wдhrend er mit der an­deren die MP schwenkte und blindwьtig um sich schoss. Dann erlosch der Schmerz, so schnell, wie er gekommen war. Ihr Bein tat weiter fast unertrдglich weh, und sie bezweifelte, dass sie laufen konnte, aber die fьrch­terliche Qual, die ihr gesamtes Nervensystem gepeinigt hatte, war fort. Wenn es Gift gewesen war, hatte ihr Kцrper es rasch absorbiert. Trotzdem – ein einziger oder gar mehrere Treffer dieser lebenden Pfeile in den Kцrper… Sie dachte den Gedanken vorsichtshalber nicht zu Ende, sondern stemmte sich mьhsam hoch, tauschte das Magazin ihrer MP gegen ein neues aus und kroch ungeschickt an Mikes Seite. Er sah ьberrascht hoch, hцrte aber nicht auf, zu schieЯen. Und als sie auf die StraЯe hinausblickte, wusste sie auch, warum. »GroЯer Gott!« flьsterte sie. »Das ist das Ende.« »Ja«, antwortete Mike gepresst. »Das ist…« Er stockte, runzelte die Stirn und sah verwirrt nach rechts und links. »Wo ist Barton?« Charity zuckte automatisch die Achseln, doch dann fiel ihr ein, dass sie ihn vor­hin gesehen hatte. Er war zu einem niedrigen Gebдude am anderen Ende der StraЯe hinьbergerannt. »Dort«, sagte sie. »In der Scheune?« Mike nickte grimmig. »Das habe ich mir gedacht. Der Mist­kerl will abhauen! Los!» Er sprang auf, riss Charity brutal mit sich und rannte im Zickzack ьber die Stra­Яe, wobei er wild um sich schoss. Sie hatten Glьck; ein allerletztes Mal. Die Monster konzentrierten ihre Angriffe auf ein Gebдude auf der anderen StraЯenseite, in dem sich einige von Bartons Mдnnern verschanzt hatten, so dass sie nicht angegriffen wurden. Trotzdem hдt­te zumindest Charity es nicht geschafft, wenn Mike sie nicht einfach mit sich gezerrt hдtte. Ihr Bein blutete noch immer, und die Schmerzen wurden durch das Laufen nicht gerade besser. Aber Mike gestattete ihr auch jetzt noch keine Atempause. Sie erreichten den Lagerschuppen, in dem sie Barton hatte verschwinden sehen, und Mike trat kur­zerhand die Tьr ein. Dahinter lag eine weitlдufige, fast leere Lagerhalle, die von einer Petroleumlam­pe nur schwach erhellt wurde. Direkt vor dem Tor stand der schwarze Trans-Am, in dem Harker zu ihnen gekommen war. Unter der getцnten Windschutz­scheibe konnten sie die Silhouette General Bartons erkennen. Mike blieb stehen, hob das Gewehr und legte es an. »Tun Sie es nicht, Barton«, sagte er. »Ich schwцre Ihnen, dass ich Sie erschieЯe, wenn Sie den Zьndschlьs­sel auch nur ansehen.« Der Schatten hinter der Scheibe erstarrte. »Keine Bewegung«, fuhr Mike drohend fort. »Cherry – mach das Tor auf.« Charity schob mit zusammengebissenen Zдhnen den schweren Riegel zur Seite. Die kleine Anstrengung ьberstieg fast ihre Krдfte. Ihr wurde schwindelig. Sie blieb einen Moment reglos stehen, um Atem zu holen, dann wollte sie das Tor vollends aufschieben, aber Mike hielt sie mit einem raschen Kopfschьtteln zu­rьck. »Nicht«, sagte er. »Noch nicht. Geh zum Wagen. Pass auf, dass er keine Dummheiten macht.« Der schwarze Trans-Am begann vor ihren Augen zu verschwimmen, als sie den ersten Schritt machte. Sie war so schwach. Und die Schmerzen wurden stдrker. Es kostete sie ihr letztes bisschen Energie, neben die Fahrertьr zu treten. Die Kraft, ihre Waffe zu heben, hatte sie schon nicht mehr. Barton blickte sie aus schreckgeweiteten Augen an. »Hцren Sie«, begann er. »Wir kцnnen zusammen fahren. Der Wagen ist groЯ genug. Ich … ich ergebe mich.« »Halt die Schnauze!« sagte Mike hart. »Raus aus dem Wagen.« Barton rьhrte sich nicht. Sein Gesicht war weiЯ wie das eines Toten. »Sie kцn­nen mich doch nicht zurьcklassen«, wimmerte er. »Das ist Mord.« »Tun Sie, was er sagt«, murmelte Charity. »Wir nehmen Sie mit, aber jetzt… tun Sie es. Es ist besser… fьr Sie.« Sie war so schwach, dass sie sich an der Wagen­tьr festhalten musste, um nicht zu stьrzen. Barton blickte entsetzt zu ihr auf, schlieЯlich aber gehorchte er. Charity sah die Maschinenpistole zu spдt, die er auf den Knien hatte. Sie schrie warnend, aber im gleichen Moment stieЯ Barton die Tьr mit solcher Wucht auf, dass sie einfach von den FьЯen gerissen wurde, und lieЯ sich aus dem Wagen fallen. Mike und er feuerten gleichzeitig. Mikes Kugel durchschlug die Tьr des Trans-Am, Bartons rechte Hand und dann seinen Hals, wдhrend Bartons Salve Mikes beide Knie zerschmetterte und eine blutige Spur ьber seine Brust zog. Es dauerte eine halbe Stunde, ehe Charity wieder genug Kraft gesammelt hatte, Bartons Leichnam vollends aus dem Trans-Am herauszuzerren und seine Ta­schen nach dem Schlьssel zu durchsuchen. Der Kampflдrm drauЯen auf der StraЯe hatte nachgelassen, aber nicht ganz aufgehцrt, und einmal hatte etwas an der Tьr gekratzt. Die beiden Flьgel des groЯen Holztores, die jetzt nicht mehr verriegelt waren, hatten sich bewegt, aber was immer dort drauЯen gestanden hatte, war nicht hereingekommen. Nach allem, was es ihr angetan hatte, schien sich das Schicksal nur einen letzten, bцsen Scherz mit ihr erlaubt zu haben. Ihr wurde wieder ьbel, als sie sich hinter das Lenkrad des Trans-Am zog und mit zitternden Fingern den Zьndschlьssel ins Schloss steckte. Ihr rechtes Bein war steif; sie wьrde Kupplung, Gas und Bremse nur mit dem linken FuЯ bedienen mьssen, aber irgendwie wьrde es schon gehen. Sie hatte keine Angst mehr. Sie fragte sich, was drauЯen auf der StraЯe auf sie warten mochte, aber sie dachte auch diesen Gedanken ohne Angst. Ihr Blick streifte Mikes reglosen Kцrper. Sie hatte es bisher krampfhaft vermie­den, ihn auch nur anzusehen, aber es war nicht halb so schlimm, wie sie ge­glaubt hatte. Sie spьrte… nichts. Aber der Schmerz wьrde kommen. Sie drehte den Zьndschlьssel. Der Wagen sprang sofort an. Ein letztes Mal vi­sierte sie das Tor ьber die flache Schnauze des Trans-Am hinweg an, dann legte sie behutsam den Gang ein und gab Gas. Vor ihr lagen noch fast tausend Meilen, und jede einzelne davon konnte geradewegs in die Hцlle fьhren. Aber sie wusste einfach, dass sie es schaffen wьrde. Irgendwie.
12. Dezember 1998
Ihr linker Arm brannte. Alles, was sie fьhlte, war Schmerz, ein entsetzlicher, brennender Schmerz, der im Takt ihres rasenden Herzschlages pulsierte und ihr die Trдnen in die Augen trieb. Sie konnte kaum noch denken. Wenn Stone ihr nicht von Zeit zu Zeit einen StoЯ in den Rьcken versetzt hдtte, hдtte sie lдngst aufgegeben und sich in irgendeine Ecke gekauert, um zu sterben. Aber das lieЯ er nicht zu. Immer, wenn sie stehen bleiben wollte, versetzte er ihr einen weite­ren StoЯ mit dem Gewehrlauf; und wenn ihre Krдfte einfach versagten, was jetzt immer цfter und in immer kьrzeren Abstдnden geschah, zerrte er sie grob auf die FьЯe und stieЯ sie weiter. Rings um sie herum brach der Bunker Stьck fьr Stьck zusammen. Das Wimmern der Alarmsirenen war lдngst verstummt, und groЯe Teile der unterirdischen Hцhlen und Stollen waren wieder in die Dunkelheit versunken, aus der die Menschen sie fьr wenige kurze Jahre herausgerissen hat­ten. Sie hцrte Schreie und Schьsse und dazwischen immer wieder das dumpfte Echo schwerer Explosionen. Es war ein Wunder, dass sie kein einziges Mal an­gegriffen wurden. Charity hatte lдngst die Orientierung verloren. Sie wusste nicht mehr, auf wel­cher Ebene sie waren oder wohin Stone sie brachte. Sie wusste nur, dass er den Verstand verloren haben musste. Sie blieb stehen, als Stone ihr mit einer abgehackten Geste gebot, anzuhalten. Warnend hob er die Waffe, deutete auf die gegenьberliegende Wand und machte eine Bewegung, sich dorthin zu setzen und nicht zu rьhren. Charity hдtte es nicht einmal gekonnt, wenn sie es gewollt hдtte. Ihr linker Arm und ihr rechtes Bein fьhrten einen verbissenen Wettkampf darin, sich gegensei­tig mit Schmerzwellen zu ьbertreffen; sie fьhlte sich so schwach wie nie zuvor im Leben. Stone sah sie einen Moment lang scharf an, dann drehte er sich mit einer abrup­ten Bewegung um und verschwand in einem Seitengang. Aber sie wusste, wie sinnlos jeder Fluchtversuch war. Er wьrde nur Sekunden fortbleiben. Fьr Augenblicke drohte sie die Besinnung zu verlieren. Alles um sie herum be­gann sich zu drehen. Ьbelkeit breitete sich in ihrem Magen aus. Verbissen kдmpfte Charity das Gefьhl nieder, atmete gezwungen tief ein und aus und konzentrierte sich mit aller Macht darauf, die schwarzen Schleier zu vertreiben, die ihre Gedanken einlullen wollten. Der Schmerz in ihrem Arm trieb ihr die Trдnen in die Augen. Dabei war die Wunde kaum grцЯer als ein Stecknadelkopf. Stone hatte den La­ser auf die niedrigste Wirkungsstufe eingestellt gehabt, und ihr Kцrperschild hat­te dem Strahl zusдtzlich Energie entzogen. Aber das, was ihren Arm schlieЯlich getroffen und durchbohrt hatte, war immer noch genug gewesen, jeden einzel­nen Nerv in ihrer linken Kцrperhдlfte zur WeiЯglut zu bringen. Sie wusste nicht, ob sie den Arm jemals wieder wьrde bewegen kцnnen. Stone kam zurьck. Auf seinem Gesicht lag noch immer der gleiche, gehetzte Ausdruck. Hastig ьberzeugte er sich davon, dass der Gang hinter ihnen noch leer war, dann kniete er neben ihr nieder und half ihr dabei, aufzustehen. Charity wollte seinen Arm beiseite stoЯen, aber sie konnte es nicht. »Geht es noch?« fragte er. Er lдchelte. »Es ist nicht mehr weit. Nur ein paar Schritte.« »Hцren Sie doch auf, Stone«, sagte Charity mьhsam. »Das… das hat doch alles… keinen Zweck mehr.« Selbst das Sprechen bereitete ihr Mьhe. »O doch«, widersprach Stone. »Sie werden mir noch dankbar sein, Captain.« Er verstдrkte den Druck seiner Hand ein wenig und zwang sie mit sanfter Gewalt, weiterzugehen. Ein weiterer finsterer Gang nahm sie auf. Stone schaltete seinen Scheinwerfer ein und lieЯ den bleichen Lichtstrahl ьber weiЯgestrichenen Beton gleiten. Flьchtig sah sie eine gewaltige Panzertьr, deren Schloss offensichtlich mit einem Laser herausgeschnitten worden war. Aber sie begriff trotzdem erst, als er sie durch diese Tьr stieЯ und sie die Tanks sah. Fьr einen Moment vergaЯ sie sogar ihre Schmerzen, so verblьfft war sie. Es war so naheliegend, dass sie sich fragte, wieso sie nicht lдngst von selbst auf die gleiche Idee gekommen war. Aber es war auch ebenso verrьckt wie naheliegend. Die Tanks! GroЯer Gott, das… das konnte ьberhaupt nicht funktionieren! »Das ist nicht Ihr Ernst, Stone«, sagte sie erschьttert. Stone lieЯ ihren Arm los, entfernte sich rьckwдrts gehend und machte sich ir­gendwo hinter ihr an der Wand zu schaffen. Der grelle Strahl seiner Taschen­lampe wich dabei keine Sekunde von Charitys Gesicht. Etwas klickte, und mit einem Male erlosch das blendende WeiЯ von Stones Lampe, aber eine Sekunde spдter glomm unter der Decke das dьstere Rotlicht der Notbeleuchtung auf. Charity taumelte vor Schwдche. Der Schock klang ebenso rasch ab, wie er gekommen war, und Schmerzen und Ьbelkeit meldeten sich zurьck. Mьhsam drehte sie sich zu Stone um und sah zu, wie er sich an der Kontrolltafel neben der Tьr zu schaffen machte. Er stellte sich nicht besonders geschickt dabei an, aber er hatte Erfolg. Irgendwo hinter ihr begann ein Elek­tromotor zu summen. Ьber der Tьr flackerte ein Warnlicht, dann ein zweites, und dann schoben sich zwei gewaltige, gezahnte Metallplatten aus Boden und Decke und eine zweite, zwanzig Zentimeter starke Tьr aus fast unzerstцrbarem Stahl, die sich in wenigen Augenblicken schlieЯen und diesen Raum hermetisch versiegeln wьrde. Charity wusste, dass es auЯer einem atomaren Sprengkopf nicht viel gab, was diese Barriere zerstцren konnte. »Bitte, Stone«, sagte sie so ruhig, wie sie nur konnte. »Sie wissen nicht, was Sie tun. Das ist Selbstmord!« Stone lachte, aber sein Gesicht blieb dabei unbewegt. Nur sein Blick flackerte. »Selbstmord wдre es, drauЯen zu bleiben«, sagte er. »Sie werden die Dinger da jetzt einschalten, Captain. Zwei Stьck – einen fьr mich und einen fьr Sie.« Charity blickte unsicher zu dem halben Dutzend gewaltiger Stahlsдrge hinьber, auf die Stone gedeutet hatte. Dann schьttelte sie den Kopf. »Das kann ich gar nicht«, behauptete sie. Nervцs sah sie zur Tьr. Die beiden stдhlernen Zahnreihen waren nur noch eiЧитать дальше

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