Вольфганг Хольбайн - Die beste Frau der Space Force

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Wolfgang Hohlbein

Charity – Die beste Frau der Space Force
I
Die Stadt unten im Tal brannte immer noch. Der Himmel im Norden – und nicht nur irgendwo im Norden, sondern ьberall! – glьhte in einem tiefen, drohenden Rot, als wдre die ganze Welt dort wie ein Stьck trockener Holzkohle aufge­flammt. Vor ein paar Minuten hatte sie eine Stelle passiert, an der die StraЯe aufgerissen war. Drei tote Soldaten hatten den gewaltigen Krater flankiert, der in der As­phaltdecke gдhnte und sich bereits mit Wasser fьllte, und ein kleines Stьck daneben hatte ein Panzer gestanden. Oder das, was davon ьbrig war: fьnfund­vierzig Tonnen Stahl, die ein Geschoss in ein ausgeglьhtes Wrack verwandelt hatte. Mit aller Kraft versuchte sie, den Wagen auf dem Weg zu halten. Der Trans-Am schoss mit fast achtzig Meilen die StraЯe hinauf, und trotzdem hatte sie das Ge­fьhl, nicht von der Stelle zu kommen. Als sie das letzte Mal hier gewesen war (groЯer Gott, war das wirklich erst drei Monate her?) hatte der Tachometer eine Entfernung von kaum sechs Meilen angezeigt, von der Stadt zum Berg. Aber heute schien die StraЯe einfach kein Ende zu nehmen. Und als wдre alles ьbrige noch nicht schlimm genug, hatte es wie aus Kьbeln zu regnen begonnen. Wo der Asphalt nicht aufgerissen oder geschmolzen war, glдnzte er wie eine Eisbahn und war auch fast genauso glatt. Der Motor des Trans-Am heulte auf. Der Wagen machte einen Satz, begann zu schlingern und schlitterte durch die nдchste Kurve. Es hatte nichts mit Kцnnen zu tun, dass sie ihn abfing. Es war nur Glьck. Dahinter lag der Berg. Charity atmete auf, schaltete zurьck und beschleunigte wieder. Die Tachometernadel nдherte sich der Hundert-Meilen-Marke, berьhrte sie fьr einen flьchtigen Moment und sackte wieder zurьck, als Charity Gas weg­nahm. Sie kannte die Gegend hier wie ihre Westentasche, aber es war Nacht, die StraЯe war glatt und nass, und sie hatte keine Garantie, dass es hier wirklich noch so aussah, wie sie in Erinnerung hatte. Ihre Vorsicht rettete ihr das Leben. Das Wachhдuschen neben der Einfahrt war verwaist, und das riesige Maschendrahttor stand offen, aber quer ьber der StraЯe dahinter lag ein ausgeglьhter HeliCopter. Charity fluchte, trat Bremse und Kupplung gleichzeitig und versuchte, den Wagen an dem Hindernis vorbei­zusteuern. Fast hдtte sie es sogar geschafft. Die flache Schnauze des Trans-Am schrammte am Wrack des Hubschraubers entlang. Etwas traf die Windschutzscheibe und verwandelte sie in ein Netz aus blinden Sprьngen, dann platzte ein Reifen. Charity schrie auf und klammerte sich mit aller Kraft am Lenkrad fest, wдhrend sich der Wagen in einen Kreisel verwandelte, mit furchtbarer Wucht gegen ein weiteres, unsichtbares Hindernis krachte und schlieЯlich zum Stehen kam; in der gleichen Sekunde, in der sie ernsthaft damit rechnete, dass er einfach umkippen wьrde. Der Motor erstarb mit einem Gerдusch, das ihr sagte, dass er nie wieder ansprin­gen wьrde, und plцtzlich fiel die Windschutzscheibe einfach in sich zusammen und ьberschьttete sie mit einem Regen kleiner stumpfer Scherben. Der Wind peitschte eisiges Wasser in den Wagen. Irgendwo in der Nдhe zьngelten Flammen in den Regen hinaus. Mit zitternden Hдnden tastete Charity nach dem Verschluss des Sicherheitsgur­tes, lцste ihn und beugte sich ganz automatisch vor, um den Zьndschlьssel abzu­ziehen, ehe ihr die Sinnlosigkeit dieser Bewegung bewusst wurde und sie den Arm zurьckzog. Statt des Zьndschlьssels klaubte sie die Smith & Wesson aus dem Handschuhfach, lieЯ den Sicherungshebel herumschnappen und stieЯ mit der Schulter die Tьr auf. Sie hatte Glьck gehabt, trotz allem. Der Bunker war nur noch ein paar Schritte entfernt, und sie schien – wider Erwarten – sogar noch im Zeitplan zu liegen: Das riesige Doppeltor war noch nicht ganz geschlossen. Der bleiche Lichtfinger ei­ner Taschenlampe fiel aus dem schmalen Spalt zwischen den beiden hundert Tonnen schweren Stahlflьgeln. Doch seltsam – er bewegte sich nicht. Dabei war ihre Ankunft nun wirklich spektakulдr genug gewesen, um bemerkt zu werden. Einen Moment lang zцgerte sie noch, denn der Wagen, obschon zerbeult und fahruntьchtig, war ihr einziger Schutz; alles, was zwischen ihr und dem war, in das sich die Welt im Laufe der letzten sechs Tage verwandelt hatte. Dann prallte irgend etwas gegen das Heck des Wagens; es hцrte sich an wie ein Ball aus Le­der und kleinen spitzen Stahlstacheln. Sie trieb sich zur Eile an und lieЯ sich aus dem Wagen fallen – mit einer perfekten Rolle, deren Schwung sie wieder auf die Beine kommen lieЯ, so rasch, dass sie einen hastigen Schritt machen musste, um nicht sofort wieder im Morast zu landen. Sie fuhr herum, drehte sich einmal im Kreis und begann auf den Spalt im Berg zuzulaufen. Die Bewegung war so schnell und flieЯend, dass sie sie kaum spьrte. Ihr Tae-Kwon-Do-Lehrer wдre stolz auf sie gewesen. Aber ihr Tae-Kwon-Do-Lehrer, dachte Charity, war so tot wie die meisten Men­schen, und wenn sie nicht verdammt aufpasste, dann wьrde sie das auch bald sein. Sie rannte los. Sie wurde nicht angegriffen, aber die wenigen Schritte waren die lдngsten ihres Lebens. Irgendwo ьber ihr pflьgte ein schwarzes Wesen durch den Himmel, und trotz des heftigen Regens war es stickig heiЯ; ihre Haut brannte, und in der Luft lag ein bitterer, so fremdartiger Geschmack, dass ihr fast ьbel davon wurde. Vцllig erschцpft erreichte sie das Tor, lieЯ sich gegen den feuchten Stahl sinken und sah sich aufmerksam um. Noch immer machte niemand Anstalten, sie an­zugreifen, aber die Nacht war voller Bewegung und Unruhe. Es war, als wдre die Dunkelheit selbst zu entsetzlichem Leben erwacht, ьberall huschte, krabbelte und kroch es; in das Peitschen des Regens mischten sich sonderbar rasselnde Laute. Feuchtigkeit glдnzte auf schwarzem Chitin und regenbogenfarbigen In­sektenaugen. Und die Taschenlampe, deren Strahl direkt neben ihr auf den mo­rastigen Boden fiel, bewegte sich noch immer nicht. Charity nahm all ihren Mut zusammen, drehte sich blitzschnell herum und sprang mit einem Satz durch den schmalen Torspalt. Die Bewegung rettete ihr das Leben. Ein Ungeheuer mit vielen Beinen und riesigen Zдhnen stьrzte gegen das Tor, stieЯ einen дrgerlichen Pfiff aus und begann sonderbar langsam an dem spiegel­glatten Panzerstahl herabzugleiten. Ein zweiter, noch schrillerer Pfiff erscholl, als das Wesen den Boden berьhrte und sich – plцtzlich ganz und gar nicht mehr langsam – auf wirbelnden Beinen herumdrehte. Aber so schnell es auch war – Charity war schneller. Sie rollte herum, hob die Smith & Wesson und riss den Abzug durch. Die Waffe stieЯ einen kurzen, peit­schenden Laut und eine unterarmlange Feuerlanze aus, und anderthalb Meter vor Charitys Gesicht spritzte etwas auseinander, das eine unangenehme Дhnlichkeit mit einer vielbeinigen Spinne hatte. Charity unterdrьckte den Ekel, den der Anblick in ihr wachrief, sprang auf die Beine und vollfьhrte eine halbe Drehung, die Waffe im Anschlag. Aber es gab nichts, worauf sie schieЯen konnte – oder wenn, dann sah sie es we­nigstens nicht. Die Halle war so dunkel, dass selbst der Lauf ihrer Smith & Wes­son in einer Hand aus schwarzer Watte zu verschwinden schien. Fьr Sekunden erstarrte sie zu vollkommener Bewegungslosigkeit, schloss die Augen und lauschte. Sie vernahm Gerдusche, sehr viele und sehr beunruhigende Gerдusche, aber kei­ne, die sie identifizieren konnte: ein Rascheln und Schleifen, ein Schaben und Zerren, ein leises Wispern, wie von fremden, bцsen Stimmen… Charity versuchte, diejenigen Laute auszusortieren, die nur Produkt ihrer ьber­reizten Nerven waren, aber es gelang ihr nicht. Unendlich vorsichtig, um nur kein verrдterisches Gerдusch zu verursachen, be­wegte sie sich rьckwдrts, ging in die Hocke und tastete mit der linken Hand hin­ter sich. Ihre Finger glitten ьber den harten Beton des Hallenbodens, fьhlten et­was Weiches – der Anblick des Spinnenungeheuers erschien fьr einen Moment vor ihren Augen, und wieder fьhlte sie Ekel wie eine warme sьЯliche Woge in ihrer Kehle hochsteigen –, dann Widerstand.

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